Lebensgefühl:Treffpunkt Wohnzimmer

In unsicheren Zeiten bleiben viele lieber zu Hause und verschönern ihr Heim.

Stefan Weber

Auf eins konnte sich die Möbelbranche in den vergangenen Jahren stets verlassen: Ihre Geschäfte liefen immer dann besonders gut, wenn die Autohersteller über einen schleppenden Absatz klagten - und umgekehrt.

wohnzimmer; iStockphotos

Modernes Idyll: zu zweit auf dem Sofa sitzen und surfen

(Foto: Foto: iStockphpotos)

Beide Branchen konkurrieren um den Teil des Budgets, das viele Verbraucher für langfristige Anschaffungen reserviert haben. Und da heißt es in den meisten Fällen: Entweder ein neues Auto oder eine neue Küche.

Die Zulassungszahlen sind in den vergangenen Monaten dramatisch zurückgegangen. Aber anders als bisher prognostizieren viele Fachleute auch den Möbelanbietern eine düstere Zukunft.

Nach einer Umfrage der Unternehmensberatung Boston Consulting Group gehören sowohl Autos als auch Möbel zu den größeren Anschaffungen, die die Verbraucher in diesem Jahr eher meiden.

Und Timo Renz, Geschäftsbereichsleiter Möbel bei der Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner, sagt Herstellern und Handel kräftige Umsatzrückgänge und eine verstärkte Auslese voraus. Im schlimmsten Fall würden die Möbelverkäufer zehn Prozent weniger umsetzen als 2008.

Die Branche will von solchen Vorhersagen nichts wissen. Das sei durch nichts gerechtfertigtes Krisengerede, schimpft Dirk-Uwe Klaas, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie (VDM).

Er ist überzeugt, dass die Firmen der schwierigen Konjunktur trotzen werden: "Die Möbelbranche kann sogar zum Gewinner der Krise werden. Denn in unsicheren Zeiten wie diesen sind viele Menschen gerne zu Hause und sparen deshalb nicht an der Wohnungseinrichtung."

Tatsächlich registrieren Trendforscher seit einiger Zeit eine Lebensart, bei der das Zuhause zum sozialen Mittelpunkt wird. Soziologen sprechen von "Homeing": Statt in Restaurants zu gehen trifft man sich zum Kochen am heimischen Herd, das Wohnzimmerkino ersetzt den Besuch im Lichtspielhaus.

In den achtziger Jahren gab es einen ähnlichen Trend: Cocooning bezeichneten Trendforscher damals die Neigung vieler Menschen, sich in die eigenen vier Wände zurückzuziehen. Große Umsatzzuwächse hat diese Lebensart der Möbelwirtschaft nicht beschert. Aber Klaas bleibt zuversichtlich: "2009 wird die Branche eine schwarze Null schreiben."

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Treffpunkt Wohnzimmer

Direkt in die Insolvenz

Im vergangenen Jahr erwirtschafteten die Möbelhersteller ein Plus von zwei Prozent auf 19,9 Milliarden Euro. Selbst in den letzten drei Monaten des Jahres, als sich die allgemeine Krise bereits deutlich abzeichnete, seien die Auftragseingänge weder in der Industrie noch beim Handel eingebrochen, heißt es beim VBM.

Beflügelt wurde das Geschäft von der regen Nachfrage aus dem Ausland. In Deutschland hatten vornehmlich die Anbieter von Büromöbeln und Küchen Grund zur Freude. Andere Hersteller, etwa von Polstermöbeln, verzeichneten schon 2008 einen kräftigen Umsatzeinbruch.

Der Blick auf das Branchenumfeld vermittelt ein uneinheitliches Bild: Pessimisten verweisen auf die weiter sinkende Zahl der fertiggestellten Wohnungen und steigende Arbeitslosenzahlen.

Optimisten betonen, dass die Zahl der Haushalte immer noch steigt. Obendrein hätten die Verbraucher dank gesunkener Energiepreise und zum Teil kräftiger Lohnzuwächse einen größeren finanziellen Spielraum als im vergangenen Jahr.

Sicher ist, dass die wenigsten Möbelanbieter über größere Reserven verfügen, um eine länger andauernde Durststrecke durchzustehen. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform beziffert die durchschnittliche Eigenkapitalquote der Hersteller mit nur zehn Prozent. Branchenkenner Renz ist deshalb überzeugt, dass einige Hersteller direkt in die Krise oder gar Insolvenz steuern, wenn die Umsätze um ein paar Prozent zurückgehen.

Spektakuläre Fälle wie die Pleite des Branchenführers Schieder im Jahr 2007 sind zwar bisher ausgeblieben, die Dramen spielen sich eher in kleinerem Ausmaß ab - wie im Oktober, als der fränkische Hersteller Völker Design in Finanznöte geriet oder kurz vor Weihnachten, als das branchenweit bekannte, traditionsreiche Kölner Einrichtungshaus Pesch Insolvenz anmeldete.

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der produzierenden Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern um 500 auf etwa 1000 gesunken. In dieser Zeit sind in der deutschen Möbelindustrie 50.000 Stellen weggefallen.

Kurzfristige Strategien zur Umsatzsteigerung helfen den Möbelbauern nach Einschätzung von Fachleuten nicht weiter. "Die Unternehmen müssen ihre Effizienz erhöhen", meint Renz.

Wie das funktionieren kann, deutet VDM-Hauptgeschäftsführer Klaas an: Durch eine Reduzierung der häufig sehr breiten Produktpalette beispielsweise. Oder ein Abspecken der Produkte: "Vielen Kunden ist es gleichgültig, ob die Füße eines Sofas aus Edelstahl sind, oder nur noch in Edelstahloptik daherkommen."

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