Lebenserwartung:Starnberger leben länger

Wie lange Menschen in Deutschland leben, hängt nicht nur vom Einkommen, sondern auch vom Wohnort ab. Zwischen den Regionen gibt es Unterschiede von bis zu acht Jahren.

Der Vergleich zwischen Pirmasens und Starnberg ist natürlich auch ein bisschen ungerecht. Starnberg hat den berühmten See, die Reichen und Schönen und München, die "Weltstadt mit Herz", direkt um die Ecke. Pirmasens ist zwar genau wie Rom auf sieben Hügeln erbaut und war einst die wichtigste Stadt der deutschen Schuhindustrie, aber beides, die Erbauung und die Blüte der heimischen Schuhindustrie, ist lange, lange her. Heute hat Pirmasens, eine der regenreichsten Städte Deutschlands, nur noch wenige Schuhbetriebe, einen fünftklassigen Fußballverein, viele Schulden, hohe Arbeitslosigkeit, keinen See, keine Großstadt in der Nähe, dafür eine der wenigen Autobahnabfahrten, die nach links abgehen.

Außerdem, und das ist der vielleicht gravierenste Nachteil gegenüber Starnberg, sterben die Menschen hier mehrere Jahre früher. Während ein heute neugeborenes Mädchen in Starnberg damit rechnen kann, 83,6 Jahre alt zu werden, sind es in Pirmasens nur 77,1 Jahre. Bei den Männern ist der Unterschied ähnlich krass, 81,3 zu 73 Jahren.

Dass die Lebenserwartung in Deutschland vom Einkommen abhängt und Arme mehrere Jahre früher sterben als Wohlhabende, ist bekannt. Neu ist, dass die regionalen Unterschiede derart groß sind. Das zeigen Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), die die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann erfragt hat.

Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männer liegt Pirmasens am Ende der Liste. Starnberg liegt bei den Männern auf Platz 1. Frauen werden im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit 85 Jahren sogar noch etwas älter als in Starnberg.

Eine Deutschlandkarte des BBSR zeigt Regionen mit hoher Lebenserwartung in sattem rotbraun bei den Frauen und in kräftigem dunkelblau bei den Männern. Auffälllig ist, dass vor allem Baden-Württemberg, Teile Bayerns und das südliche Hessen in beiden Karten eher dunkel gefärbt sind. Eine eher geringe Lebenserwartung gibt es generell in weiten Teilen Ostdeutschlands, im Ruhrgebiet und in Teilen des Saarlands oder Frankens - also in eher strukturschwachen Regionen mit Problemen.

Auch Unterschiede innerhalb der Länder

Bereits vor einigen Wochen hatte das Statistische Bundesamt die Unterschiede auf Ebene der Bundesländer dargestellt. Die Aufteilung in einzelne Landkreise ist aber deutlich aufschlussreicher. So werden etwa die großen Unterschiede innerhalb Bayerns deutlich oder in Nordrhein-Westfalen. Dort beträgt die Lebenserwartung in Gelsenkirchen im Ruhrgebiet bei den Männern im Schnitt nur 75,2 Jahre - in der 70 Kilometer entfernten, gediegenen Universitätsstadt Münster liegt sie 4,3 Jahre höher.

Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen, dass der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen der niedrigsten und der höchsten Einkommensgruppe bei Männern bei 10,8 Jahren und bei Frauen immerhin noch bei 8,4 Jahren liegt. Das RKI hält auch einen Zusammenhang von Krankheit und sozialem Status für erwiesen: Von schweren Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes oder chronischen Lungenerkrankungen sind Sozialschwächere deutlich häufiger betroffen.

In der Antwort auf Zimmermanns Anfrage räumt die Bundesregierung ein, "dass günstigere sozioökonomische Bedingungen in der Wohnregion mit einer höheren Lebenserwartung einhergehen". Ursache seien Unterschiede in Bildung, aber auch beim Rauchen, der Ernährung und der Bewegung - sowie bei den Arbeits- und weiteren Lebensbedingungen.

"Wer wenig verdient, muss häufiger schwere und gesundheitlich belastende Arbeit leisten, muss unter Lärm und Luftverschmutzung leiden, kann sich nicht so gut ernähren und stirbt früher als Besserverdiener", sagt die Abgeordnete.

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