Zehn Trippelschritte durch die laue Frühlingsluft sind alles, was Hein Bollow an Freiheit geblieben ist. Die Haustür muss er längst nicht mehr selbst öffnen, da reicht ein Knopfdruck, und sie schwingt von allein auf. Auch für kleinen Luxus ist man dankbar mit 99 Jahren. Zum Gruß schwingt Bollow den Gehstock durch die Luft. "Hallo, wie geht's?", ruft er, als wäre alles wie immer. Nur ist im Moment vieles anders, und das bedeutet in diesem Fall, dass seit Kurzem am tannengrünen Briefkasten Schluss ist für Hein Bollow. Jeden Morgen kommt er nun aus seiner Wohnung herunter, um nachzuschauen, was die Welt ihm zu berichten hat. Briefe sind in dieser Zeit Bollows wichtigste Medizin gegen das Virus, das ihn zwar nicht krank gemacht hat, aber einsamer.
Leben mit Corona:Post für den Jockey
Sein halbes Leben hat er auf der Rennbahn verbracht - doch jetzt, mit 99, bleibt Hein Bollow nur noch der Weg zum Briefkasten.