Süddeutsche Zeitung

La Boum:Undankbare Kinder

Unsere Kolumnistin wundert sich über den Nachwuchs von Politikern und hofft, dass ihr Kind später keine Mokassins entwerfen wird.

Von Nadia Pantel, Paris

Als ich diese Woche mit dem Fahrrad an der Seine entlangfuhr, dachte ich über Dankbarkeit nach. Ich dachte: Dieser Fahrradweg hier ist wirklich nicht mies. Und: Warum finden die Leute die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo eigentlich so schlimm? Hidalgo wollte dieses Jahr Präsidentin werden, und selbst in Paris haben bei der ersten Wahlrunde nur knapp mehr als zwei Prozent für sie gestimmt. Mir persönlich ist genau eine Person bekannt, die Anne Hidalgo ihre Stimme gegeben hat. Und ich frage mich, ob ich dadurch nicht mehr Hidalgo-Wähler kenne als Hidalgo selbst.

Die Pariser Bürgermeisterin hat nämlich einen Sohn, der gerade im Fernsehen erzählt hat, dass er im ersten Wahlgang nicht für seine Mutter gestimmt hat und zum zweiten Wahlgang gar nicht erst hingegangen ist, weil er eine "radikale Veränderung der Gesellschaft" möchte. Der 21-jährige Arthur Germain engagiert sich für den Klimaschutz, und die Fahrradweg-Politik seiner Mutter ist ihm offensichtlich zu klein-klein. Bekannt wurde Arthur Germain, weil er gerne schwimmt und als 16-Jähriger den Ärmelkanal durchquert hat. Vergangenes Jahr schwamm er in 49 Tagen von der Quelle der Seine bis zu ihrer Mündung und ließ sich dabei von einem Kamerateam begleiten. Das klingt nach Sport, ist aber Umweltschutz, weil Arthur Germain während des Schwimmens auch zählt, wie viel Plastikmüll ihm begegnet. Anne Hidalgo war jedenfalls vor und nach dem Schwimmen immer da und stand vor den Kameras und umarmte ihr Kind.

Marine Le Pen lebte als Kind in einer eigenen Wohnung mit Dienstmädchen

Ob dieser harte Umgang mit der eigenen Mutter daran liegt, dass Hidalgo ihr Kind zu soft erzogen hat? Wird mein Sohn mich irgendwann auf der Straße nicht mehr grüßen, weil ich immer für alles Verständnis habe? Dann fiel mir Marine Le Pen ein. Die wurde von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen emotional vermutlich nicht zu sehr verwöhnt. Papa Jean-Marie quartierte seine Töchter nämlich in eine Kinderwohnung aus, wo sie mit einem Dienstmädchen lebten. Während er in der Erwachsenenwohnung und beim kinderlosen Segelurlaub mit seiner Frau eine gute Zeit hatte. Die eigenen Kinder zu ignorieren ist also auch kein sicherer Weg, wenn man sich vor ihnen in Sicherheit bringen will. Schließlich hat Marine Le Pen sich erst das politische Erbe ihres Vaters (sprich: seine faschistische Partei) unter den Nagel gerissen und ihn dann aus eben dieser Partei rausgeworfen. Weil sie ein weniger offensichtlich faschistisches Projekt starten wollte.

Das einzig halbwegs dankbare Politikerkind Frankreichs, das mir einfällt, heißt Louis Sarkozy. Der 25-jährige Sohn von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hat bislang den bekannten Namen des Vaters einfach nur genutzt, um harmlose Dinge zu verkaufen. Nämlich seine eigene Mokassin-Kollektion. Wer Mokassins trägt, will ja meistens Beamtenstellen und Sozialhilfe streichen und zeigt seine Sarko-Solidarität somit schon am Fuß. Hoffentlich war Papa stolz.

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