Studien zur Lebenserwartung:Rotwein und Rente

Die Franzosen werden von allen Europäern am ältesten. Forscher rätseln nun, woran das liegen könnte. Sie tippen auf gute Altenbetreuung, Ernährung - und Rotwein.

Stefan Ulrich

Liegt es am Savoir-vivre? An der Küche? Oder gar an Bordeaux und Burgunder? Wer weiß. Über die Gründe, warum so viele Menschen zwischen Rhein und Atlantik steinalt werden, rätseln die Forscher. Gesichert ist nur: Die Franzosen sind Alters-Europameister und, mit den Japanern, Weltmeister. Derzeit leben etwa 15000 Bürger in Frankreich, die mehr als hundert Jahre alt sind. Bis zum Jahr 2060 werden es laut dem nationalen Statistikamt Insee 200.000 sein.

Imagewandel fuer den Trollinger-Wein

Ob es wohl am Rotwein liegt? Die Franzosen werden am ältesten von den Europäern.

(Foto: ddp)

Die Hälfte der französischen Kinder, die im Jahr 2007 geboren wurden, soll ein Alter von 104 Jahren erreichen. Kein Wunder, dass Frankreich die Altersforscher besonders fasziniert. Der Pariser Versicherungskonzern Axa gründete diese Woche ein "Globales Forum für Langlebigkeit". Er betont, das Altern bringe nicht nur Lasten für die Gesellschaft, sondern auch "phantastische Chancen".

Axa nennt etwa das Wissen und die Erfahrung, die Senioren den Jungen weitergeben, und die boomende Dienstleistungsbranche Altenbetreuung. Die Versicherung sagt aber auch, dass Menschen künftig länger zu arbeiten haben. Davon müssen sich besonders die Franzosen angesprochen fühlen. Sie werden nicht nur besonders alt, sondern gehen auch besonders früh in Rente. Wobei Letzteres wiederum ein Grund für die Existenz so vieler Hundertjähriger sein könnte.

Nun erhöht sich, wie Axa-Chef Henri de Castries betont, die Lebenserwartung in fast allen Ländern der Erde. Auffallend ist jedoch: Bis Ende der achtziger Jahre stieg sie in den Industriestaaten in gleichem Maße an. Seitdem tut sich eine Schere auf, erklärt der Langlebigkeitsforscher Jean-Marie Robine. "In Japan und Frankreich lebt man am längsten." So kommen in Frankreich auf 10 000 Einwohner 102 Menschen, die hundert Jahre oder älter sind. In Spanien sind es 89, in Deutschland nur 45.

Die Republik bringt auch besonders viele "Supercentenaires" hervor, Männer und Frauen, die ihren 110. Geburtstag erreichen. So gilt eine Französin als bislang ältester Mensch der Welt. Jeanne Calment aus Arles starb im Sommer 1997 mit 122 Jahren, fünf Monaten und 14 Tagen. Das Geheimnis ihrer Gesundheit sollen der reichliche Verzehr von Olivenöl, ein Kilo Schokolade pro Woche und bisweilen ein Gläschen Portwein gewesen sein. Die Familie der Klosterschwester Eugénie Blanchard, die vergangenen November im Alter von 114 Jahren verschied, betonte dagegen, die Greisin habe nie Medikamente genommen. Ihre Langlebigkeit sei aber vor allem der Tatsache zu verdanken gewesen, "dass sie ihre Jungfräulichkeit dem lieben Gott gewidmet hat".

Wissenschaftler nennen andere Gründe für das lange Leben: eine wohlhabende Gesellschaft, eine stabile Demokratie, eines der weltbesten Gesundheitssysteme und die starke Stellung der Familien. Die hochwertige Ernährung, für die Franzosen mehr Geld ausgeben als etwa die Deutschen, dürfte auch eine Rolle spielen. "Man gräbt sich sein Grab mit den Zähnen", lautet ein französisches Sprichwort. Und der Bordeaux? Der Burgunder?

In den französischen Medien werden jene Studien gern zitiert, die belegen wollen, regelmäßiger Rotweingenuss verlängere das Leben. Der Demograph Frédéric Balard versichert jedoch, alle Hundertjährigen, denen er begegnet sei, hätten eines gemeinsam: "Sie trinken und rauchen nicht, oder sehr wenig." André Coudrat, mit 109 Jahren der Doyen der französischen Männer, verrät: "Ich habe nie geraucht, niemals getrunken und immer viel gearbeitet."

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