"La Boum": Folge 3:Alles in Butter

La Boum
(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin in Paris hat ihrem Freund einen Brioche-Kurs zu Weihnachten geschenkt - und die fettige Realität übertrifft all ihre Erwartungen.

Von Nadia Pantel

Ohne eigennützige Hintergedanken hatte ich meinem Freund zu Weihnachten einen Brioche-Kurs in der berühmten Pariser Kochschule Cordon Bleu geschenkt. Man lernt dort nicht, Schnitzel mit Käse zu füllen, sondern wird zu einem Menschen ausgebildet, der des Cordons Bleu, also des blauen Ordensbandes würdig wäre. Mit so jemandem will man natürlich gern zusammenleben. Das Cordon Bleu, das Institut, nicht das Schnitzel, gehört, das weiß ich nun, zu den tragenden Säulen der französischen Gesellschaft, zum Unverzichtbaren. Alles, aber auch wirklich alles wurde in den vergangenen Monaten abgesagt. Nur das Cordon Bleu verschickte täglich gut gelaunte Bestätigungsmails.

So waren wir schon Tage vorher sehr aufgeregt, weil wir einen Samstag getrennt verbringen sollten. Gegen Mittag erreichten mich die ersten Teigfotos. Und die erste Fett-Nachricht: "Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Butter da reingeht." Das erschien mir irgendwie noch so dahingesagt. Als er vom Nachhauseweg aus schrieb: "Ich reise mit schwerem Gebäck", habe ich statt des Bs einfach ein P gelesen. Aha, er trägt wohl viel, dachte ich. Mir war nicht klar, dass mein Freund an diesem Tag ein Stück weit zum Franzosen wurde. Auf eine Art, die ihn stark beschäftigte.

Kurz nach 18 Uhr, nächtliche Ausgangssperre eingehalten, betrat er mit einer riesigen Tüte die Wohnung. Brioche, Croissants, Gugelhupf. So hatte ich mir das vorgestellt. Um 18 Uhr 20 gab er mir ein Stück Pain au Lait und sagte: "Da ist unfassbar viel Butter drin." Gegen 19 Uhr begann er in unvollständigen Sätzen zu sprechen: "Also, ich war jetzt nicht schockiert, aber wenn man weiß, wie viel Butter da drin ist ..." Eine halbe Stunde später brach es wieder aus ihm heraus: "Man hat gefühlt einen Butterball in den Händen, den man massiert, aber tatsächlich ist das der Teig." Beim ersten Wein erzählte er dann: "Der Pâtissier hat gesagt, der Kouglof ist das leichteste Rezept, aber wenn man den Kuchen aus dem Ofen holt, dann taucht man ihn erst mal komplett in ein Butterbad."

Noch konnte er selbst nicht glauben, in welche Welt er da geraten war. Doch er sagte Kouglof statt Gugelhupf. Und seine Cordon-Bleu-Urkunde, ausgestellt vom "Directeur Technique Boulangerie", lag gut geschützt auf dem Küchentresen. Die Worte "rahmen lassen" waren schon gefallen. Ich spürte, er war jetzt so weit. Er war bereit, nicht nur stark verschimmelten Käse zu essen und gestreifte T-Shirts anzuziehen, er konnte die große Weisheit eines Landes annehmen, in dem nicht nur Wein, sondern auch auserwählte Butter den Titel "Grand cru" tragen darf. Um mir meine Rührung nicht zu sehr anmerken zu lassen, griff ich schnell in die Pain-au-Lait-Tüte. Sie war vor Fett schon durchsichtig.

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