Kurioses aus Kolumbien:"No más sexo!" - Sexstreik für eine bessere Straße

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Die Einwohner eines Dorfes in Kolumbien ringen um die Aufmerksamkeit der Regierung - und greifen zu kuriosen Mitteln: Damit die einzige Zufahrtsstraße endlich saniert wird, sind die Frauen in dem Ort in einen Sexstreik getreten. Doch wie finden das deren Ehemänner? Anruf bei einem Betroffenen.

Camilo Jiménez

Die Einwohner von Barbacoas, einem armen Dorf im Süden Kolumbiens, ringen seit Tagen um die Aufmerksamkeit der Regierung - mit kuriosen Mitteln: Damit die einzige Zufahrtstraße saniert und geteert wird, sind die Frauen in dem kleinen Ort in einen Sexstreik getreten. Der Schulrektor Manuel Olimpo Quiñones, 46, ist einer der unmittelbar Betroffenen, denn seit fünfzehn Tagen verbietet seine Frau ihm jeglichen körperlichen Kontakt. Ein Anruf.

Sexverbot für eine bessere Straße: Um die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich zu ziehen, greifen die Bewohner eines kolumbianischen Dorfes zu drastischen Mitteln. (Foto: privat)

SZ: Señor Quiñones, wann haben Sie zum letzten Mal Sex gehabt?

Manuel Olimpo Quiñones: Vor genau 15 Tagen. Am nächsten Morgen sagte mir meine Frau, dass sie sich an dem Sexstreik beteiligen werde. Ich war bestürzt.

SZ: Womit haben Sie das verdient?

Quiñones: Das hab ich mich auch am Anfang gefragt: Warum tut sie mir das an? Doch dann hörte ich, dass fast 300 Frauen mitmachen - mit Unterstützung ihrer Männer!

SZ: Die Männer machen mit?

Quiñones: Am Anfang waren alle Männer im Dorf entsetzt. Wir fühlten uns persönlich angegriffen. Später verstand ich, warum wir bestraft werden mussten. In unserem Dorf haben die Männer das Sagen, in der Familie, bei Geschäften und im Gemeinderat. Sie hätten sich also um den Straßenbau kümmern müssen. Wir haben versagt.

SZ: Was hat denn Straßenbau mit Sex zu tun?

Quiñones: Die Regierung weigert sich seit Ewigkeiten, eine geteerte Zufahrtstraße zu bauen. Dagegen streiken wir.

SZ: Werden die Frauen den Sexverzicht einhalten?

Quiñones: Daran habe ich keinen Zweifel. Es ist nicht nur eine Strafe für die Männer, es ist ein Akt der Verzweiflung. Die nächste Stadt ist nur 56 Kilometer entfernt, aber die Fahrt dauert fünf Stunden, weil die Straße so schlecht ist. Viele Schwangere, die während der Geburt Komplikationen haben, überleben das nicht. Auch Babys, die krank werden, sterben auf dem Weg zur Klinik. So fragen sich viele Frauen: Wozu Kinder? Dass so etwas im 21. Jahrhundert noch geschieht, ist schrecklich.

SZ: Gibt es denn kein Krankenhaus in Barbacoas?

Quiñones: Es gibt eins, aber es ist sehr klein und hat nicht viel Geld. In schweren Fällen bleibt ihnen nichts anders übrig, als den Patienten an Bord eines Pickups auf jener Höllenstraße loszuschicken. Und es gibt noch andere Probleme zusammen: Wir sind sehr arm und können keinen Handel treiben. Barbacoas ist wie eine vergessene Insel.

SZ: Benutzen auch Sie die Straße?

Quiñones: Ich arbeite als Rektor einer Schule in einer anderen Stadt und bin nur am Wochenende in Barbacoas. Mit dem Sexstreik ist nun alles schlimmer geworden. Ich lernte meine Frau kennen, als ich 16 war. Mit 20 heirateten wir. Wir haben sechs Kinder. Momente der Freude sind ebenso knapp. Deshalb ist Sex wichtig für uns. Er hält uns am Leben und macht uns glücklich.

SZ: Haben die Dorfbewohner mit dem Streik schon etwas erreicht?

Quiñones: Zwei Dinge. Zum einen haben wir einen friedlichen Protest veranstaltet in einer Region, in der es nie wirklich Frieden gegeben hat. Und zum anderen: Der Medienwirbel ist riesig, und das ist nur so, weil der Streik das Wort Sex beinhaltet. Die Regierung in Bogotá ist alarmiert. Nicht dass der Präsident unmittelbar betroffen wäre wie ich. Aber vorgestern hat zum Beispiel der Verkehrsminister versprochen, der Bau der Straße werde in wenigen Tagen beginnen. So etwas haben wir in der Vergangenheit oft gehört. Wir werden streiken, bis die Bauarbeiten starten.

© SZ vom 11.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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