Krieg:Mitgenommen

Mitgenommen
(Foto: privat)

Wer flüchtet, muss eine Menge zurücklassen. Hier erzählen Kinder und Jugendliche, was sie trotzdem retten konnten. Diesmal: Evelin, 10, aus der Stadt Issilkul in Russland. Sie lebt seit zwei Jahren in Kamp-Lintfort in Deutschland.

Protokoll von Britta Röös

"Als ich vor zwei Jahren aus Russland weggegangen bin, habe ich von meiner besten Freundin Katja dieses Bild geschenkt bekommen. Darauf sieht man eine Kirche. Die ist in der Stadt, in der ich gewohnt habe. Sie heißt Issilkul und liegt ganz nahe an der Grenze zu Kasachstan. Katja und ich sind seit fast vier Jahren befreundet, haben viel Zeit miteinander gespielt. Damit sie mich nicht vergisst, habe ich ihr damals ein lila-blau-dunkelblau-buntes Freundschaftsarmband geschenkt. Da stehen ihr Name und mein Name drauf. Das gerahmte Bild von Katja hängt jetzt in meinem Zimmer hier in Deutschland, direkt neben meinem Bett. Das Zimmer teile ich mir mit meiner kleinen Schwester. Darüber bin ich sehr froh, denn sonst würde es sich so anfühlen, als ob jemand fehlt. Ich bin nicht so gern allein. Nach Deutschland sind wir gekommen, weil mein Papa in Russland keine Arbeit gefunden hat. Schon bevor wir unsere Heimat verlassen haben, war er immer viele Monate weg, um in Deutschland Geld zu verdienen. Ich mag es hier in Deutschland, aber Russland finde ich schöner. Natürlich weiß ich von dem Krieg, und den finde ich ganz schlimm. Ich bin sehr froh, dass wir schon vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind, bevor der Krieg angefangen hat, denn sonst müsste mein Papa jetzt kämpfen. So wie der Stiefvater von Katja und der ist leider dabei gestorben. Das finde ich ganz schrecklich und traurig. Außerdem habe ich große Angst, weil zum Beispiel mein Opa noch in Russland ist, und ich möchte nicht, dass ihm etwas passiert. Hier in der Familie reden wir nicht so viel über den Krieg. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwann nach Russland zurückzuziehen. Aber trotzdem habe ich auch Heimweh, denn das ist das Land, in dem ich geboren bin. Deswegen will ich meine Familie und meine Freunde dort ganz oft besuchen. Weil das momentan wegen des Kriegs natürlich nicht geht und Russland auch wirklich weit weg ist, telefonieren wir ganz viel. Mit Katja zum Beispiel spreche ich fast jeden Tag und manchmal telefonieren wir auch mit Video."

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