Kolumne:Männer aktuell, diesmal: Daniel

Lesezeit: 2 min

(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Ein Schauspieler, der nicht spielt, sondern zu seiner Rolle wird? Tut gut daran, wenn er sich aus dem Geschäft zurückzieht, findet unsere Autorin.

Von Johanna Adorján

Daniel Day-Lewis hat verkündet, dass "Phantom Thread" sein letzter Film ist. Um ganz ehrlich zu sein, bin ich darüber sehr erleichtert. Ich hatte nie ein gutes Gefühl dabei, ihm bei seiner Arbeit zuzusehen, weil er sich gar so abrackerte jedes Mal. Jeder Film eine neue Tour de Force.

Diesmal hat er sich einen englischen Couturier der 1950er-Jahre anverwandelt, und ich benutze extra das altertümliche Wort anverwandelt, weil es mir frevelhaft erschiene und seiner Methode nicht angemessen, würde ich behaupten, dass er jemanden spielt. Daniel Day-Lewis spielt nicht, er wird zu. Das hat indirekt sogar Vicky Krieps bestätigt, die in Berlin lebende Schauspielerin, von der jetzt die ganze Welt so anerkennend raunt, sie habe neben Daniel Day-Lewis "bestehen" können.

Ehrlich gesagt, wirkte sie sogar ganz normal und lebendig neben ihm, fast so, als spiele sie gar nicht, während er, auch wenn er das nicht gerne hören würde, allerdings bestimmt auch nie zu hören bekommt, sehr angestrengt jemand anderes ist. Vicky Krieps also wurde in einem Interview gefragt, wie er denn so gewesen sei, Daniel Day-Lewis? Das wisse sie nicht, sagte sie, denn sie habe während der Dreharbeiten immer nur mit Reynolds Woodcock zu tun gehabt, so heißt Daniel Day-Lewis im Film, er sei immer in seiner Rolle geblieben.

Zwei Menschen machen einen Film, und einer nimmt es zu ernst

Was für ein Horror. Ich meine, stellen Sie sich das mal vor. Erwachsene, die zusammen einen Film machen, und einer nimmt das alles irgendwie viel zu ernst. Es ist ja nicht mal ein Monster, das er laut Drehbuch zu spielen hatte, oder jemand mit einem weltweit ausgestorbenen Dialekt, den man, lässt man ihn einmal los, nie wieder genau so hinzukriegen befürchtet, sondern einfach ein komplizierter, neurotischer Typ.

Verglichen mit anderen Rollen, in denen wir Daniel Day-Lewis schon sahen, lässt sich festhalten, dass er sich für seinen Couturier ausgedacht hat, dass dieser sehr zurückgenommen spricht, wie jemand, der sich immer zügelt, weil es, darf vermutet werden, in ihm brodelt und tobt. Und er hat abgenommen für die Rolle, was wohl auch Selbstkontrolle zeigen soll. Und wenn er wütend ist, öffnet er den Mund leicht, sodass man seine untere Zahnreihe sieht. Okay. Keine Ahnung, wie lange die Dreharbeiten dauerten, aber dafür einer Kollegin nie als man selbst Guten Tag sagen?

Der ganze Film, in dem es im Kern um Halluzinogene geht, scheint um Daniel Day-Lewis hohe Anverwandlungskunst herum gebastelt worden zu sein, denn die macht weitgehend die Handlung aus. Immerhin kommt, neben einem fragwürdigen Original-Score, der überirdisch schöne zweite Satz aus Schuberts Klaviertrio No. 2 zur Geltung, wie ja oft klassische Musik So-so-Filmen eine unglaubliche Tiefe zu verleihen scheint.

Also na ja, na ja, na ja.

Ich muss allerdings sagen, dass ich vor ein paar Jahren plötzlich öfters an Daniel Day-Lewis denken musste, denn damals wurde ich an meinem linken Fuß operiert. Das Thema wird er wohl für alle Zeiten bei mir besetzen. Vielleicht war er in jenem Film ("Mein linker Fuß", 1989) einfach so überzeugend, dass ich ihm danach keine andere Rolle mehr abnehmen will. Vielleicht liegt es an mir, bin ich diejenige von uns beiden, von Daniel Day-Lewis und mir, die etwas zu intensiv in was reingegangen ist. Vielleicht war er einfach nur zu gut.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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