Kolumne "Familie und andere Turbulenzen":Halt dich aus der Erziehung raus!

Familien-Kolumne

Ein guter Rat von der Oma ist willkommen, jedenfalls manchmal. Erziehungs-Besserwisserei hingegen ist im besten Fall lästig.

(Foto: Stephanie Wunderlich)

Großmütter wissen bei der Kindererziehung vieles besser und abgesehen davon meinen sie es doch nur gut. Leider kosten sie damit Eltern den letzten Nerv.

Von Katja Schnitzler

Seit sie vor einem knappen Jahr Oma geworden war, hielt sich die Schwiegermutter für unentbehrlich. Aber sie wusste ja auch wirklich alles besser und meinte es außerdem nur gut - dieser Ansicht war zumindest ihr Sohn. Die Schwiegertochter sah das ganz anders.

"Sie mischt sich in alles ein, sie will die Herrschaft über unsere Familie, und mich hält sie für völlig unfähig!", schimpfte sie. Ihr Mann - der gute Sohn - fand, sie übertreibe ein wenig. Danach sagte er erst einmal nichts mehr, was wohl besser war.

Seine Frau erinnerte ihn in stetig zunehmender Lautstärke daran, wie seine Mutter ins Krankenhauszimmer gestürmt war und ihren neugeborenen, gerade eben eingeschlafenen Sohn mit dem Ausruf "Der Kleine ist ja viel zu warm angezogen!" aus dem Bettchen genommen hatte. Dann hatte sie ihn bis auf den Body ausgezogen. Der Sohn hatte erschrocken geweint, und kalt war ihm auch geworden.

So war es weitergegangen: Du hältst das Baby falsch! (einen Tag nach der Geburt) Nur Umweltsünder nehmen Wegwerfwindeln! (eine Woche nach der Geburt) Still ihn öfter, dann schläft er nachts durch! (drei Monate nach der Geburt) Still ihn seltener, dann trinkt er mehr zu den Mahlzeiten! (dreieinhalb Monate nach der Geburt) Brei im Gläschen? Den kannst du doch wirklich selber kochen, das schafft doch jede! (sechs Monate nach der Geburt) Zieh dem Kind die rutschigen Socken aus, sonst lernt es nie krabbeln! (acht Monate nach der Geburt, das Kind war erkältet)

"Aber sie meint es doch nur gut", sagte der Mann. Das war nicht das, was die Mutter hören wollte.

Irgendwann platzte ihr der Kragen: "Ich weiß selbst am besten, was für mein Kind gut ist." Die Schwiegermutter war nicht beeindruckt: "Woher denn, hast du etwa bereits eines großgezogen? Ich schon, sogar zwei!"

Die Frau verlangte von ihrem Mann, er müsse dringend mit der Schwiegermutter reden - schließlich wohnte sie viel zu nah und kam jeden Tag zur Inspektion vorbei. Doch er drückte sich: "Sie möchte nur helfen. Hör einfach nicht hin. So wie ich." Was nicht ganz der Wahrheit entsprach: Auf mütterliche Anweisung wickelte sich der Mann brav einen kratzigen Schal um den Hals, wenn beim Sonntagsspaziergang ein laues Lüftchen drohte. Das war nicht der Kerl, der einer überfürsorglichen Großmutter Einhalt gebieten konnte. Oder wollte.

So ging es weiter, Tag für Tag: Die Großmutter schnüffelte an der Babykleidung: "Nimmst du etwa Weichspüler? Soll mein Enkel Allergien bekommen?" Die Großmutter maß die Abstände zwischen den Stäben des Kinderbettes: "Soll sich mein Enkel etwa den Kopf einklemmen?"

Die Großmutter schritt ein, als das Kleinkind mal wieder vergnügt die unterste Schublade ausräumte, in welcher deshalb nur Plastikdosen gestapelt waren: "Die Schublade bleibt zu! Oder soll mein Enkel niemals den Sinn von Verboten lernen, niemals Ordnung halten und später höchstens Teilnehmer einer Doku-Soap werden?"

Die Mutter hatte hingegen ganz andere Zukunftsbilder im Kopf: Ihr Sohn, der es gerade einmal zum gelangweilten Angestellten gebracht hatte, daheim aber als Pascha alle für sich arbeiten ließ - nur weil die Großmutter seine Entdeckungsfreude, Eigenständigkeit und Kreativität im Keim erstickt hatte. Mit als Fürsorge getarnter Dauereinmischung.

Die Mutter rang um klare Worte, sie wurde deutlich und deutlicher - aber zur Großmutter drang sie nicht durch: "Ratschläge sind auch Schläge, und deine zielen unter die Gürtellinie!" "Warum bist du immer so empfindlich? Ihr Frauen von heute wollt alles allein schaffen. Aber es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen!", dozierte die Großmutter. "Lass doch mal gut sein", sagte der Vater, und meinte nicht die Großmutter. "Oma Arm!", rief das Kleinkind. "Siehst du", sagte die Großmutter zufrieden und hob den Enkel auf, "Kinder wollen ihr Dorf, das sich um sie kümmert!"

Zum Glück war die Elternzeit vorbei und die Mutter durfte wieder in die Arbeit. Die nächsten zwei Monate würde ihr Mann das Kind versorgen. Dachte sie.

Väterzeit, nicht Omazeit!

Als sie nach Hause kam, war niemand in der Wohnung. Ihr Mann schlief auf dem Balkon, kein Kind weit und breit. "Wo ist unser Sohn?", weckte die Mutter ihren Mann unsanft. "Mit der Oma am Spielplatz", sagte der Mann verschlafen und kuschelte sich zurück in den Liegestuhl.

"Es heißt VÄTERmonate, nicht OMAmonate!", kreischte die Mutter. Zum Glück musste die Großmutter drei Wochen lang auf Kur. Sie reiste nur unter Protest ab - und nicht, ohne der Mutter täglich Ermahnungs-SMS ("Sag meinem Sohn, er soll meinem Enkel ...") zu schicken, die allerdings selten beantwortet wurden. Eigentlich nie.

Nach diesen drei Wochen hatte sich der Alltag zwischen Vater und Kind ganz gut eingespielt. Doch als die Mutter nun heimkam, waren beide erschöpft und weinerlich. "Die Oma hat uns in den Zoo eingeladen", berichtete der Vater, "du hast keine Vorstellung, wie anstrengend das war." Doch die Mutter wusste, wovon er sprach: Sie hatte die Zoo-Tortur mit Oma schon hinter sich.

Das Kind durfte nicht in den Streichelzoo - zu unhygienisch! Das Kind durfte nicht auf den Spielplatz - zu viele unerzogene andere Kinder! Das Kind durfte nicht zehn Minuten vor seinem Lieblingsgehege mit den Löwen verweilen - es sollte die ganze Vielfalt der Tierwelt kennenlernen!

"Nächstes Mal", sagte der Vater, "gehen wir allein. Aber verrate das bloß nicht meiner Mutter."

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