Kinder sprechen gerne über Gott und das Leben nach dem Tod oder das Leben vor der Geburt. Ihre Fragen bringen Eltern schnell an die Grenzen des Erklärbaren, schließlich sind sie nicht alle Philosophen. Das macht aber nichts.
Wenn Eltern nicht weiterwissen, sollten sie einfach den Spieß umdrehen und den Nachwuchs fragen. So erfahren sie endlich, wo sich die Kinderseele vor dem Kreißsaal herumtrieb: "Na, im Himmel, bei den Engeln. Da hab ich euch schon mal zugeschaut."
Noch erhellender ist es, Kinder beim ernsthaften Gespräch über alles Überirdische zu belauschen.
Das Mädchen (nimmt in der Grundschule gerade die Planeten durch): "Was ist eigentlich, wenn die Sonne irgendwann einmal die Planeten verschlingt - verschlingt sie Gott dann auch?"
Der Junge (noch nicht in der Grundschule, aber logisch begabt): "Nein, Gott ist doch kein Planet."
Das Mädchen: "Dann ist alles weg, bis auf Gott."
Beide schweigen.
Da hellt sich das Gesicht des Mädchens auf: "Dann macht er einfach alles wieder neu. Die Planeten macht er neu, mich macht er neu, ..." "Und mich!", fällt der Junge ein. Der Weltuntergang, ein großer Spaß.
Überhaupt verliert der Tod seinen Schrecken, wenn man ihn mit den Augen eines im Übersinnlichen fest verankerten Kindes sieht. Zumindest wenn es sich um den Tod des altersschwachen Kaninchens handelt, das nicht mehr nach jedem Sprung auf allen Vieren landete. Auch nicht nach jedem Hoppeln. Sogar eine leichte Drehung brachte das Tier am Ende aus dem Gleichgewicht. "Jetzt kann er im Hasenhimmel wieder hüpfen, wie er will. Ganz wild. Und wir besuchen ihn, wenn wir tot sind", freuen sich die Kinder, nachdem die Tränen des Verlustes getrocknet sind.
Und das einsam zurückgelassene zweite Kaninchen? "Bekommt meinen Stoffhasen, in den ist es eh verliebt. Und wenn der umfällt, kennt es das ja schon."
Am Abend sinniert der Vater auf dem Sofa. Beneidenswert, dieser feste Glaube der Kinder an das, was sie nicht sehen können. Nur schade, dass bei den meisten das Vertrauen auf ein höheres Wesen, das über einen wacht, mit der Kindheit schwindet. Vielleicht auch nur die Vorstellungskraft, was alles möglich ist auf dieser ...
Da, ein Schrei! Laut, voller Angst, vom Sofa reißend "Papaaaaa! PapAAAAAAA!!!"
Der Vater stürzt ins Kinderzimmer, die Tochter springt ihm auf den Arm, klammert sich an seinen Hals, schluchzt, zittert. Was denn passiert sei, fragt der Vater und hält Ausschau nach einem Einbrecher oder zumindest einem Wasserrohrbruch.
"Da ...", wispert die Tochter, "unter dem Schreibtisch." Der Vater stellt die Tochter zurück aufs Bett, den Tisch fest im Blick, doch die klammert sich an ihn. "Erst Licht!", flüstert sie. Der Vater macht Licht. Was unter dem Schreibtisch sei, fragt er und merkt, dass er auch flüstert. "Ein Geist", wispert die Tochter mit schreckgeweiteten Augen.
Dem Vater läuft ein Schauer über den Rücken. Doch er wird beobachtet. Tapfer schleicht er zum Schreibtisch. Er bückt sich, um ins Dunkel zu blicken. Zwei Augen blitzen ihn an.
Er zuckt zurück, das Kind schreit auf. Unter dem Schreibtisch bleibt es still.
Das kann doch nicht sein, denkt der Vater. Gleich springt der Geist raus, denkt das Kind.
Der Vater wagt sich nochmal vor. Die Augen sind noch da. Drumherum Fell. Lange Ohren.
"Der Stoffhase", seufzt der Vater erleichtert und holt das vermeintliche Schreckgespenst hervor. "Den wolltest du doch unserem einsamen Kaninchen überlassen?"
Das Kind wirkt ertappt. "Aber nachts bin ich auch einsam. Da habe ich ihn wieder geholt."
Es kostet den Vater noch ein Glas Wasser, einmal Kissen aufschütteln, einmal auf die Toilette bringen und eine Gute-Nacht-Geschichte, dann darf er das Zimmer wieder verlassen.
Das Kind liegt im Dunkeln. Allein.
Oder?
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