Kolumne "Er sagt, sie sagt":Ich sterbe!

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Krankheit ist bei Männern manchmal eine Frage der Einstellung.

(Foto: iStock)

Ein kranker Mann braucht Mitgefühl, Zuwendung und Suppe. Leider fehlt vielen Frauen die Sensibilität, das zu erkennen. Oder die Bereitschaft, mitzuspielen. Eine Beziehungskolumne in Dialogform.

Von Violetta Simon

Sie kommt ins Büro gehetzt, legt einen Ordner auf dem Schreibtisch ab und klemmt sich zwei Mappen unter den Arm. Auf dem Display ihres Telefons blinken 14 Anrufe in Abwesenheit. Gerade will sie weiter zum nächsten Termin, da bemerkt sie ein Vibrieren unter einem Papierstapel - ihr vergessenes, auf lautlos gestelltes Handy. Genervt drückt sie auf Annahme.

Sie: Hallo?

Er (mit Grabesstimme): Kommst du bald nach Hause?

Sie: Hallo Schatz! Du, ich hab gleich eine Besprechung, kann ich dich später anrufen?

Er: Später ist es vielleicht zu spät.

Sie: Wie meinst du das? Wo bist du überhaupt, doch nicht etwa zu Hause?

Er: Ja, zum Glück. Ich hab es mit letzter Kraft auf die Couch geschafft.

Sie: Warum, was ist los mit dir?

Er (krächzt): Hörst du das nicht?

Sie: Oh. Dir geht's nicht so gut, stimmt's?

Er: Nicht so gut? Ich fühle mich hundeelend.

Sie: Verstehe.

Er: Willst du gar nicht wissen, warum?

Sie (seufzt): Aber sicher. Was hast du denn?

Er: Frag lieber, was ich nicht habe. Alles tut mir weh - der Hals, die Beine, der Kopf ...

Sie: Also, für mich klingt das nach einer gewöhnlichen Erkältung.

Er: Gewöhnlich? An dieser Erkältung ist nichts, aber auch gar nichts gewöhnlich! Das ist mindestens eine schwere Grippe. Sonst würde ich dich schließlich nicht in der Arbeit belästigen!

Sie: Natürlich nicht.

Er: Also, kommst du bald? Kannst du das Meeting nicht vielleicht absagen?

Sie: Das ist leider unmöglich, die warten schon alle. Außerdem wollte ich mich heute Abend mit Anja treffen.

Er: Oh, nein. Mein Bauch fühlt sich ganz komisch an. Es könnte aber auch die Leber sein. Wer weiß, vielleicht habe ich ja Hepatitis!

Sie: Jetzt übertreibst du aber.

Er: Ich könnte hier zugrunde gehen und du würdest immer noch behaupten, es sei nichts. Aber geh' du dich ruhig amüsieren.

Sie: Schon gut! Ich komme nach Hause, sobald es geht, ja? (Jetzt, wo du mir so ein schlechtes Gewissen eingeredet und dermaßen die Laune vermiest hast.)

Er (röchelt): Wenn du unbedingt willst. Wäre jetzt nicht nötig gewesen. Aber mach schnell, ja?

Mit List gegen den eingebildeten Kranken

Sie legt auf und macht sich auf den Weg in die Besprechung. Unterwegs ruft sie ihre Freundin an. Als sie eine Stunde später nach Hause kommt, sieht sie ihn wie das personifizierte Leiden Christi auf der Couch liegen - der Boden bedeckt mit Medikamenten und gebrauchten Taschentüchern, wie zu einem modernen Kunstwerk arrangiert.

Sie: Mein Armer! Du siehst schrecklich aus. Brauchst du etwas?

Er: Ein wenig Suppe vielleicht. Ach was, lieber nicht. Ich bekomme ja doch nichts runter.

Sie: Hast du schon deine Temperatur gemessen? Bestimmt hast du Fieber. (Sie legt ihm die Hand auf, die Stirn ist lauwarm.) Auf jeden Fall solltest du dich ausruhen. Und schwitzen, viel schwitzen! Ich koche dir gleich einen Lindenblütentee.

Sie kommt mit einer Tasse mit dampfendem Tee, unterm Arm zwei Decken.

Er (nippt an der Tasse): Uuuh! Was ist das?

Sie: Salbei, Lindenblüten und Kamille - und damit du gleich noch damit gurgeln kannst, habe ich ein bisschen Salz reingetan. Das ist gut gegen Halsschmerzen - du hast doch sicher Halsschmerzen, oder?

Er: Ach, die sind schon fast wieder vorbei.

Sie: So eine schwere Grippe darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen! Austrinken - und zwischendurch schön gurgeln! (Er gehorcht mit zunehmend verzweifeltem Blick, während sie die Decken auf ihn legt und unter ihm feststopft.) Jetzt koche ich dir erst mal das Allheilmittel nach dem Rezept meiner Mutter. Das hat noch immer geholfen. Du weißt schon, Sauerkrautsuppe mit Cayennepfeffer und Holunderbeeren - die wirkt Wunder!

Er: Kann ich nicht einfache eine Hühnersuppe haben?

Sie: In deinem Zustand? Auf keinen Fall! Sie nimmt das Telefon vom Tisch und tippt eine Nummer ein.

Er: Wen rufst du an, den Arzt?

Sie: Einen von deinen Freunden, das Spiel am Samstag absagen. Wenn wir Glück haben, kriegen die deine Karte noch los.

Er: Aber bis dahin bin ich doch längst wieder gesund! Schau, mir geht es jetzt schon viel besser (versucht ein schiefes Lächeln).

Sie: Nichts da, ich kenne dich. Das sagst du nur, um mich zu beruhigen! Ich finde, wir sollten besser einen Arzt rufen.

Er: Aber wozu? Du wirst sehen, bis morgen bin ich wieder fit. Sag mal, wolltest du dich nicht mit Anja treffen?

Sie: Glaubst du im Ernst, ich würde dich hier ohne Aufsicht zurücklassen?

Er: Ach Quatsch, es geht schon. Ich muss jetzt nur schlafen. Vor allem schlafen. (Legt sich zurück und lugt unter dem Augenlid hervor.) Ich schlafe schon, siehst du?

Sie: Bist du dir da ganz sicher? Ich weiß nicht.

Er: Nicht das Spiel absagen. Bitte. Und keine Sauerkrautsuppe. Am liebsten wäre mir, du lässt mich in Ruhe und triffst dich mit Anja.

Sie (legt das Telefon beiseite): Also gut, wenn du meinst ... Aber bei der kleinsten Kleinigkeit rufst du mich an, ja?

Er (stellt sich schlafend): Mmmmmh.

Sie (verlässt die Wohnung und ruft im Hausgang ihre Freundin an): Hi, ich bin's. Du hattest recht. Es hat geklappt. Bin gleich da.

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