Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Er sagt, sie sagt":Du hast es schon wieder getan!

Er trägt im Lokal Cargohosen und bestellt "Knotschis" - sie schmachtet die chauvinistischen Kellner an. Jetzt hilft nur noch eines: Versöhnungssex. Dritter und letzter Akt eines sommerlichen Beziehungsdramas.

Von Violetta Simon

Es soll ja Menschen geben, die nicht verstehen, wie man sich im Urlaub, unter Palmen, Sonne und dem Einfluss von Sangria in die Haare kriegen kann. Ja, wann denn sonst? Wann hat man schließlich die Gelegenheit, den anderen rund um die Uhr in all seinen Facetten zu erleben, vor allem in den schrecklichen? Lesen Sie hier die dritte Folge der sommerlichen Fortsetzungsgeschichte von "Er sagt, sie sagt":

Was bisher geschah (erste Folge): Die Bettenfrage wurde erst nach langem Hin und Her geklärt, weil sie sich ewig nicht für eine Seite entscheiden konnte. Die anschließende Nacht war die Hölle - jedenfalls für ihn, weil sie sich in das gemeinsame Laken gewickelt hatte, während er mit der Badeschlappe gegen Moskitos kämpfte.

Was noch geschah (zweite Folge): Am Frühstückstisch saßen sie sich schweigend gegenüber - sie wunderbar ausgeschlafen, er mit rotgeränderten Augen. Am Strand treibt er sie in den Wahnsinn, weil ihm das Herumliegen im Sand zu wenig Kultur verströmt und er lieber Steinhaufen besichtigen würde. Auch sonst scheint die Vorstellung davon, was beide unter Erholung verstehen, nicht dieselbe zu sein.

Inzwischen ist es beinahe geschafft, doch ein paar Tage muss das Paar noch bewältigen. Die Stimmung gleicht dem Turm von Pisa - sie kann jederzeit kippen. Jetzt hilft nur noch eines: ein romantischer Abend. Und Essen, hoffentlich.

Er: Hallo?

Sie - versteckt sich hinter der Speisekarte.

Er - verrenkt den Hals und versucht, den Kellner durch hektisches Wedeln mit der Speisekarte auf sich aufmerksam zu machen.

Sie (lugt an der Speisekarte vorbei zu ihm hinüber): Könntest du vielleicht die Hand wieder einziehen und warten, bis der Kellner in unsere Nähe kommt? Das ist ja peinlich.

Er: Könntest du vielleicht aufhören, die ganze Zeit an mir herumzumeckern? Ich bin im Urlaub.

Sie: Ich auch. Und ich kann mich nicht erholen, wenn du dich so aufführst.

Er: Warum ärgerst du nicht diese schnöseligen Tablettträger, wenn du schon jemanden brauchst, auf dem du herumhacken kannst?

Sie: Du bist immer so negativ! Dabei sind die so nett. Und so fesch! Winkt einem der Kellner zu.

Er: Du sollst ihn heranwinken, nicht ihm zuwinken. Brauchst dich gar nicht so anzubiedern bei diesen miesepetrigen Machos.

Endlich kommt der Kellner. Sie bestellen.

Sie: Du hast es schon wieder getan! Kannst du dir das nicht endlich merken? Das heißt Gnocchi ("Njokki"), nicht Knotschis. Und ich dachte, du interessierst dich so für die Kulturgeschichte des Landes!

Er: Du musst gerade reden - Pizza Hawaii, also echt.

Sie: Na und, so habe ich zumindest ein bisschen das Gefühl von Exotik. Mit dir und deiner Flugangst kommt man ja nirgends hin ...

Er: Ich weiß gar nicht, was du immer hast. Ist doch schön hier! Tropische Schwüle ist sowieso nicht gut für den Kreislauf.

Sie: Tja, wie man sich täuschen kann. Bei deinen Klamotten könnte man meinen, du wärst auf großer Expedition oder würdest sekündlich mit einer Einladung ins Dschungelcamp rechnen.

Er: Was willst du damit sagen?

Sie: Na, diese schrecklichen Cargohosen! Ich begreife wirklich nicht, warum du die Dinger in jedem Urlaub wieder ausgräbst.

Er: Weil sie praktisch sind.

Sie: Entschuldige mal, bist du auf der Baustelle? Wir sitzen hier in einem Restaurant. Ich hätte mir gewünscht, du trägst zur Abwechslung mal etwas, das zu einem romantischen Essen passt.

Er: Und ich hätte mir ein Restaurant gewünscht, das zu meiner Hose passt.

Sie: Siehst du, genau das meine ich. Und da wunderst du dich, dass ich aus lauter Verzweiflung Pizza Hawaii bestelle!

Er: Mir langt's. Wo bleibt nur dieser nichtsnutzige Kellner? Olá! Äh, Scusi! Pagare, aber presto!

Sie: Oh mein Gott. Wie peinlich.

Spätestens jetzt geht es ans Eingemachte: Grundsatzdebatten von "Niehastdu" bis "Immermusstdu" werden am Strand weitergeführt, außer Hörweite der anderen Gäste. Nun heißt es: Aufgeben oder Notfallprogramm - was tun? Wenn nichts mehr geht: Versöhnungssex hilft immer.

Sie liegen engumschlungen hinter einem Boot am Strand. Auf einmal ertönt eine Stimme aus dem Dunkeln: "Signori, was wird das? Haben Sie kein Hotelzimmer?"

Hektisches Zusammenraffen, er bedeckt sich notdürftig mit den Händen.

Er: Wo ist meine Hose? Verdammt! Das Meer hat meine Hose weggespült!

Ein Carabiniere hat sich vor ihnen aufgebaut. "Das kostet 300 Euro."

Sie (zeigt plötzlich auf ihn): Dieser Mann hat mich belästigt!

Er: Sag' mal, spinnst du?

Sie: Bitte, nehmen Sie ihn mit, ich flehe Sie an! Wenigstens für ein paar Nächte, bis ich mich von ihm erholt habe.

Carabiniere: Ah, ich verstehe. Ehepaar auf Urlaub. Wollen Sie einen Rat? Steigen Sie ins Auto und fahren Sie nach Hause, solange Sie noch können.

Abgesehen davon, dass er bzw. sie der beste Partner / die beste Partnerin der Welt ist - was nervt Sie an ihrem Mann oder Ihrer Frau? Schicken Sie uns Ihre Anregungen per Mail an Süddeutsche.de, Betreff: "Er sagt, sie sagt". Noch einen schönen Urlaub - oder besser gesagt: viel Glück! - wünscht die Autorin.

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