Kolumne: Die Paar Probleme (1):Alles wegen einer SMS

Lesezeit: 6 min

Sie kriegt stille Post von einem anderen, er spioniert ihr nach. Kann man da was tun? Ein Lösungsversuch.

Violetta Simon und David Wilchfort

Manchmal braucht die Liebe Unterstützung, das gilt auch - oder gerade - für "alte Hasen". Der Paartherapeut David Wilchfort und die sueddeutsche.de-Redakteurin Violetta Simon suchen im gemeinsamen Gespräch Antworten auf Beziehungsfragen unserer Leser - und zwar immer für beide Partner.

Der Drang, den anderen auszuspionieren, ist ein Signal dafür, dass in der Beziehung etwas nicht stimmt - ganz gleich, ob der Verdacht begründet ist oder nicht. (Foto: Foto: iStockphotos)

Diese Woche erreichte uns folgendes Schreiben:

Eva: Mein Mann hat offenbar meine SMS gelesen und ist dabei auf ein paar vertrauliche Nachrichten eines Bekannten von mir gestoßen. Nun unterstellt er mir ein Verhältnis. Ich habe überhaupt keine Lust, auf diese Anschuldigungen einzugehen, weil ich mich viel zu sehr darüber ärgere, dass er heimlich mein Handy durchstöbert hat.

Adam: Als mein Frau kürzlich ihr Handy zu Hause vergaß, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen und habe ihre SMS gelesen. Nun glaube ich, dass sie eine Affäre hat. Statt sich zu erklären, macht sie mir jedoch Vorwürfe, dass ich sie kontrolliere! Da kann ich nur sagen: Offenbar war die Kontrolle berechtigt.

sueddeutsche.de: Sie kriegt stille Post von einem anderen, er spioniert ihr nach - offenbar traut hier einer dem anderen nicht über den Weg ...

David Wilchfort: Stimmt! Nicht übersehen darf man aber, dass sich Adam selbst nicht wohlfühlt in seiner Haut. Auch wenn er sich damit beruhigt, die Kontrolle sei berechtigt gewesen, kommt er sich innerlich ziemlich schoflig vor, dass er der Versuchung nicht widerstanden hat.

sueddeutsche.de: Ich würde sagen, dazu hat er auch allen Grund: Offiziell sind Beweismittel, die auf illegalem Weg gewonnen wurden, überhaupt nicht zulässig.

Wilchfort: Mag sein, aber Adams Selbstvorwürfe entstehen wohl eher aus der Erkenntnis: Ich bin jemand, der es nötig hat, seiner Frau hinterherzuspionieren.

sueddeutsche.de: Klingt irgendwie erniedrigend und hat was von Voyeurismus. Andererseits: Was hätte er denn sonst tun sollen? Sie fragen, ob er mal in ihrem Handy herumschnüffeln darf?

Wilchfort: Dazu fehlt Adam das nötige Selbstwertgefühl. Deshalb versucht er auf indirektem Wege, herauszufinden, ob sie zu ihm steht.

sueddeutsche.de: ... was ja wohl eindeutig schiefgelaufen ist. Eva ist nun so wütend, dass sie gar nicht daran denkt, sich betroffen zu fühlen. Ich kann sie sogar verstehen - Adam hatte in Evas Handy ja auch nichts zu suchen.

Wilchfort: Absolut richtig. Trotzdem kann man nicht sagen: Mein Partner hat in meinem Leben nichts zu suchen. Es genügt nicht, dass Eva die Sache unproblematisch findet. Es ist ihr Job, mit Adam zu klären, ob auch er sich damit wohlfühlt.

sueddeutsche.de: Also angenommen, es ist wirklich nichts dran an der Sache ...

Wilchfort: Genau da ist der Punkt: Ob was dran ist oder nicht, unterliegt allein der Beurteilung des Betrachters.

sueddeutsche.de: Na dann ist die Sache ja klar - für Adam zumindest.

Wilchfort: Es geht vor allem darum, ob sie selbst findet, dass das noch in Ordnung ist. Oder ob sie denkt: "Das hätte ich nicht tun sollen."

sueddeutsche.de: In dem Fall wäre Adams Kontrolle also berechtigt gewesen.

Wilchfort: Nein, davon kann keine Rede sein. Ich meine, dass sie dazu Stellung beziehen und sich überlegen sollte: Was will ich eigentlich? Will ich mich durchlavieren oder die Situation dazu nutzen, Klarheit zu schaffen.

sueddeutsche.de: Was gäbe es denn zu klären?

Wilchfort: Es wäre durchaus denkbar, dass sie sagt: "Ich bin froh, dass du es jetzt weißt und ich nicht mehr lügen muss." Oft kommt es sogar vor, dass ein Partner - beispielsweise durch das Liegenlassen des Handys - absichtlich darauf gestoßen wird.

sueddeutsche.de: Jetzt gehen Sie also auch davon aus, dass es etwas zu verbergen gibt! Geben Sie's zu, Sie hätten das Handy auch durchstöbert!

Liebesaus bei Promis
:Was sich liebt, das trennt sich

Nicht nur im Freundes- und Bekanntenkreis beendet man Beziehungen heutzutage ganz erwachsen, ohne Groll und Skandale. Auch viele Promi-Paare verkünden ihr Liebes-Aus mit dem Zusatz garniert: "Wir wollen Freunde bleiben."

Wilchfort: ( lacht) Vergessen Sie nicht, dass es keine feste Definition von Fremdgehen gibt! In einer muslimischen Familie gilt es bereits als grober Verstoß, wenn eine Frau jemandem die Hand gibt. In einer offenen Beziehung hingegen darf der Partner vielleicht sogar mit anderen schlafen - Hauptsache, er verliebt sich nicht. Häufig streiten Paare gar nicht um die Fakten, sondern sind sich in der Bewertung ihrer Handlung nicht einig. Der eine findet es in Ordnung, der andere nicht.

Öffnen oder sich öffnen? Den Partner miteinzubeziehen, kann in der Beziehung neue Perspektiven eröffnen. (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Das heißt also, die beiden müssten miteinander klären: Wie viel halte ich aus und was geht für mich nicht?

Wilchfort: Genau.

sueddeutsche.de: Bei der Gelegenheit könnte Eva ihm doch sicher auch sagen: "Ich fühle mich kontrolliert. Kannst du mir nicht einfach vertrauen - und die Finger von meinen Sachen lassen?"

Wilchfort: Sicher, warum nicht?

sueddeutsche.de: Na, weil sie dazu erst einmal auch vertrauenswürdig sein müsste. Und ob das der Fall ist, wissen wir ja nicht.

Wilchfort: Das erreicht sie, indem sie ihn in ihre Überlegungen miteinbezieht. Egal, ob er stöbert oder nicht - sie muss sich fragen, wie es ihrem Mann gehen würde, wenn er eine solche Nachricht liest. Könnte sie ihm davon erzählen? Lautet die Antwort "nein", sollte sie sich darüber im Klaren darüber sein, dass sie selbst davon ausgeht, dass ihr Verhalten von Adam als "Fremdgehen" erlebt wird.

sueddeutsche.de: Dann hätte Eva ihm die Botschaften des anderen zeigen müssen - und den Kontakt zu ihm auch gleich abbrechen können, wenn Adam die Sache gegen den Strich geht?

Wilchfort: Nicht automatisch. Angenommen, er sagt: Es ist okay, wenn du Freunde hast, aber ich möchte nicht, dass du mit denen Dinge tust, die ich lieber mit dir machen würde. Und sie sagt: "Ich gehe aber lieber mit XY aus, weil der besser tanzt", müssen sie sich entweder einigen oder - nicht.

sueddeutsche.de: Na ja, das ist ja irgendwie immer so, dass man sich einigt. Oder auch nicht. Und was, wenn sie sich nicht einigen?

Wilchfort: Dann muss jeder für sich klären, wie weit er es aushalten kann, dass der Partner einen schönen Tag mit einem anderen verbringt - oder vertrauliche Botschaften erhält.

sueddeutsche.de: Ich könnte mir vorstellen, dass ein offener und gemeinschaftlicher Umgang mit dem Thema die beiden sogar stärker miteinander verbindet.

Wilchfort: Absolut. Angenommen, sie erzählt ihm: "Stell dir vor, da gibt es diesen Kollegen, der ist verknallt in mich." Wenn sie diese Dinge mit ihm teilt, kann das sehr förderlich für die Beziehung sein. Es kann dazu führen, dass er stolz ist, eine Frau zu haben, die andere Männer attraktiv finden. Diese Sichtweise kann mehr Nähe erzeugen, und das ist eindeutig besser, als ihr Handy zu durchsuchen. So kann sie die E-Mail von dem anderen Mann genießen und trotzdem ihre Beziehung stärken.

sueddeutsche.de: Es darf nur nicht so rüberkommen, als wolle sie ihn eifersüchtig machen. Etwa wenn sie die SMS gleich weiterleitet mit den Worten: "Kuck mal, was ich gekriegt hab!"

Wilchfort: ( lacht) Das hängt immer davon ab, wie weit man das als Konkurrenzkampf gestaltet. Ich aber meine die positive Variante: einen Vertrauensbeweis dafür, dass man Nähe sucht zu seinem Partner und mit ihm sogar das teilt.

sueddeutsche.de: Dann hat die Heimlichtuerin Eva ja nun ihre Hausaufgaben bekommen. Was muss der misstrauische Adam sich vornehmen?

Wilchfort: Zunächst sollte er sich überlegen, ob er nicht doch lieber seinen ganzen Mut zusammennimmt und sagt: "Ich möchte mit dir über unsere Beziehung sprechen, denn ich fühle mich nicht mehr wohl darin. Ich merke, dass ich anfange, mir Gedanken zu machen, was du wohl außerhalb tust."

sueddeutsche.de: Meinen Sie, bevor er das Handy durchsucht hat oder nachdem er fündig wurde?

Wilchfort: Davor, natürlich! Er könnte auch auf sie zukommen und ihr offen sagen, dass er mit dem Gedanken gespielt hat, ihr Handy zu durchsuchen, es aber nicht getan hat. Dass er sich ihr anvertraut, sich diese Blöße gibt, ist ein Liebesbeweis.

sueddeutsche.de: Damit hätte er zumindest verdient, dass sie ehrlich zu ihm ist. Und muss ihr nicht mehr nachspionieren.

Wilchfort: Ich finde diese Gegenüberstellung wichtig: Beide können an ihrem Verhalten arbeiten - sie, indem sie ihm erzählt von ihren SMS, und er, indem er ihr erzählt von seiner Versuchung. Beide Verhaltensweisen würden diese Beziehung stärken.

sueddeutsche.de: Die Frage ist immer nur: Wer macht den ersten Schritt?

Wilchfort: Das wissen Sie ja - beide.

sueddeutsche.de: Wie konnte ich das vergessen!

Haben auch Sie und Ihr Partner ein Problem, das Sie uns gerne - jeder aus seiner Perspektive - mitteilen möchten? Dann senden Sie uns eine E-Mail an leben@sueddeutsche.de, Betreff: Paarprobleme. Bitte beachten Sie, dass wir nur Zuschriften beantworten können, in denen beide Partner ihr Anliegen formulieren. Sämtliche Angaben werden anonym und vertraulich behandelt, für eventuelle Rückfragen benötigen wir jedoch eine gültige E-Mail-Adresse.

Damit wir auf Ihren Konflikt möglichst genau eingehen können, sollten Sie folgende Punkte beachten: 1. Einigen Sie sich miteinander auf einen vor kurzem stattgefunden Streit. 2. Schildern Sie - unabhängig voneinander - in wenigen Sätzen, wie sich Ihr Partner verhalten hat und was Sie daran gestört hat. 3. Lassen Sie uns wissen, welches Verhalten Sie sich in dieser Situation vom Partner gewünscht hätten.

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