Koka-Lobby in Bolivien:Das "l" macht den Unterschied

Cola mit echtem Koka: Mit einer antiimperialistischen Cola-Variante wollen Bolivianer vor allem ihre Nationalpflanze ins rechte Licht rücken.

Peter Burghardt

Nur noch wenige Freunde von Coca Cola werden sich heutzutage fragen, woher das Wort Coca in dem geschwungenen Schriftzug kommt. Es kommt tatsächlich von Koka, mindestens bis 1929 wurden Koka-Auszüge für Amerikas Lieblingsbrause verwendet und anfangs sogar Kokain. Seither finde das Gewächs in dem Getränk keine Verwendung mehr, behauptet der Konzern, obwohl der bolivianische Präsident Evo Morales und weitere Kritiker ihre Zweifel haben. Jetzt verblüfft Bolivien mit einer recht ähnlich klingenden Alternative, die ganz offiziell mit Kokaextrakten ausgestattet ist: Der Name wurde um ein l erweitert und lautet Coca Colla.

Coca Colla, AFP

Im Vergleich mit Coca Cola enthält Coca Colla nicht nur ein "l" mehr, sondern auch den Pflanzenextrakt Koka, aus dem auch Kokain hergestellt wird.

(Foto: Foto: AFP)

Collas werden die indianischen Bewohner im Hochland genannt. Dort wird Koka seit Jahrtausenden gekaut und als Tee getrunken, um Hunger, Probleme mit der Höhe und Kälte zu bekämpfen. Nun kommt zu diesem Zweck ein Koka-haltiger Energiedrink zum Einsatz. Ausprobiert wurde Coca Colla zunächst im Dunstkreis der Pilotfabrik in Santa Cruz im Tiefland. 30.000 Plastikflaschen mit rotem Etikett und einem halben Liter Inhalt seien seit Januar auf den Markt gegangen und beim Publikum gut angekommen, berichtete Víctor Ledezma vom Verband zur Industrialisierung der Kokablätter der Zeitung La Razón.

Auch wurde das offenbar recht süße Gemisch zu Beginn der zweiten Amtszeit von Morales in den Ruinen von Tiwanaku ausgeschenkt und wird in diesen Tagen beim alternativen Umweltgipfel in Cochabamba angeboten. Versuchsobjekte sind außerdem Märkte und Busbahnhöfe in La Paz. "Wir wollen, dass man das kennen lernt", sagt Ledezma, der ein Team von 100 Lebensmittelchemikern, Ökonomen und Anwälten anführt.

Die antiimperialistische Coke-Variante ist einer der kurioseren Beiträge der Regierung Morales, um für die beliebteste, wertvollste und umstrittenste Pflanze der Republik zu werben. Der erste Indio an der Spitze Boliviens war früher selbst Kokabauer und führt ehrenhalber noch immer die Kokagewerkschaft an, er erkor das Kulturgut zu einem nationalen Symbol und zückt bei überregionalen Gipfeln gerne ein Kokablatt. In seiner Reinform ist dies ja ein vielseitiges Heilkraut, das auch bei indigenen Priestern zum Einsatz kommt und bei der Staatsfirma Ospicoca außer zu Coca Colla unter anderem zu Seifen, Zahnpasta, Likör oder Medikamenten verarbeitet wird. Bereichsleiter Ledezma wünscht eine Abfüllstation im Anbaugebiet Chapare, um täglich elf Tonnen Koka zu verarbeiten, "ich will die ganze Welt erreichen."

Vor allem die Welt im Norden und Osten wird bei dem Thema allerdings misstrauisch. Die Drogenfahnder in den USA und Europa denken schnell an ein weißes Pulver, das erst nach chemischen Prozessen aus dem Grundstoff entsteht. Laut der UN-Antidrogenbehörde hat sich die bolivianische Kokainproduktion um 9 Prozent auf 113 Tonnen erhöht. Satellitenbildern zufolge wachse in Bolivien dreimal so viel Koka wie erlaubt. 12.000 Hektar sind für traditionelle Zwecke legal, Morales fordert weitere 8000 Hektar. 4000 Hektar davon könnten dann für Coca Colla verwendet werden.

Coca Cola erhält damit weitere Gesellschaft wie zuvor mit Inka Kola und Big Kola in Peru oder der Erfindung Mekka-Cola eines Arabers in Paris. Coca Colla kostet übrigens zehn Bolivianos, ungefähr einen Euro. Und enthält Koka, Wasser, Aromastoffe, Koffein und Farbstoffe - Coca Colla light und Zero sind sicher nur eine Frage der Zeit.

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