Dem Geheimnis auf der Spur:Gefährliche Liebschaft

Dem Geheimnis auf der Spur: Philipp Christoph von Königsmarck galt als begehrter Frauenschwarm.

Philipp Christoph von Königsmarck galt als begehrter Frauenschwarm.

(Foto: Imago/Artokoloro)

Graf von Königsmarck hatte ein heimliches Verhältnis mit der Kurprinzessin von Hannover - bis er plötzlich verschwand.

Von Florian Welle

Als im Sommer 2016 bei Bauarbeiten im Hannoveraner Leineschloss Menschenknochen gefunden wurden, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Selbst schwedische und englische Zeitungen berichteten damals von dem Fund. Möglicherweise, so die Hoffnung, ließe sich dadurch endlich ein Rätsel lösen, das die Gemüter seit mehr als drei Jahrhunderten bewegt hat: Das spurlose Verschwinden Philipp Christoph Graf von Königsmarcks am 11. Juli 1694.

Dieser war in der fraglichen Sommernacht auf dem Weg ins Schloss zu der verheirateten Kurprinzessin und zweifachen Mutter Sophie Dorothea von Braunschweig-Lüneburg, mit der er ein langjähriges Verhältnis hatte. Schon Schiller sah in dem mysteriösen Geschehen Stoff für eine Tragödie voller Liebe und Unglück. Er kam jedoch über Entwürfe nicht hinaus. Dafür erwähnt Fontane die Geschichte in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg". Dort erfährt man auch Details: "In einem Korridore traten ihm vier Hellebardiere entgegen (...) und im Kampf gegen diese gedungenen Leute fiel er. Seine Leiche versenkte man in einen senkrecht durch die ganze Höhe des Schlosses laufenden Kanal und mauerte diesen zu."

Doch wie glaubwürdig sind Fontanes Angaben? Zweifel sind angebracht. Immerhin hatte die liaison dangereuse zwischen dem hochrangigen Offizier und gutaussehenden Galan und der nicht minder attraktiven Prinzessin da schon Eingang ins Volksgut gefunden - "Wer geht so spät zu Hofe/ Da alles längst im Schlaf?/ Im Vorsaal wacht die Zofe/ Schon naht der schöne Graf."

Oder um mit der "Allgemeinen Deutschen Biographie" zu sprechen: "Der Reiz des Geheimnisses hat diese Katastrophe (...) mit einem dichten Netz romanhafter Ausdeutungen und obscöner Erdichtungen so vollständig umsponnen, dass es kaum möglich ist, den historischen Kern herauszuschälen." So lässt die unglückliche Affäre bis heute viele Fragen offen. Nicht nur die nach dem Verbleib des 29-jährigen Grafen, dessen Leichnam mal mit Steinen beschwert in der Leine versenkt, mal eingemauert oder in einem Ofen verbrannt worden sein soll. Sondern vor allem auch die nach dem Auftraggeber der tödlichen Attacke. Oder war es eine Auftraggeberin?

"Meine Zärtlichkeit wächst, scheint mir, mit jedem Augenblick", schwärmt sie

Sophie Dorothea kam 1666 in Celle als Tochter des Herzogs Georg Wilhelm und der aus niederem Adel stammenden Eléonore dʼOlbreuse zur Welt. Ihr Liebhaber Philipp Christoph war unwesentlich älter. Er wurde 1665 in Stade als Nachkomme eines alten märkischen Adelsgeschlechts geboren. Beide kannten sich bereits als Kinder, als er die Tage als Page am Celler Hofe verbrachte.

Sophie Dorothea verlebte eine glückliche Kindheit, die im Alter von 16 Jahren ein jähes Ende fand. Gegen ihren Willen musste sie aus Machtkalkül ihren Vetter Georg Ludwig heiraten, den Sohn von Herzog Ernst August und der Herzogin Sophie von Hannover. Hier die hübsche, lebensfrohe Sophie Dorothea, dort der steife, nüchterne Georg Ludwig, der spätere König Georg I. von Großbritannien. Von Anfang an hatte sich das Paar nichts zu sagen. Ein um 1690 entstandenes Porträt zeigt sie mit den gemeinsamen Kindern Georg August und Sophie Dorothea der Jüngeren als mandeläugige, brünette Schönheit. Man versteht, warum Königsmarck sich in sie verliebt hatte.

Wann genau die Affäre zwischen der frustrierten Ehefrau und dem begehrten Frauenschwarm begann, ist ungewiss. Über die Jahre hinweg haben sie sich um die 600 Briefe geschrieben, knapp 300 sind erhalten geblieben. Die ersten stammen von 1690. "Meine Zärtlichkeit wächst, scheint mir, mit jedem Augenblick", schwärmt sie. Er begeistert sich: "All dies gleicht sehr einem Roman ..." Aber in einem Satz aus dem Herbst 1693 schwingt schon die Sorge mit: "Ohne Beistand des Himmels werden wir beide niemals zusammen glücklich sein."

Sie sollte nicht unbegründet sein. Zwar hatte Sophie Dorothea von ihrem Mann wenig zu befürchten. Der vergnügte sich schon seit Langem mit seiner Mätresse Ehrengard Melusine Gräfin von der Schulenburg, genauso spröde wie er und seine große Liebe. Aber die gefährliche Liebschaft seiner Frau ließ sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kaum mehr verbergen und wurde zunehmend Gesprächsthema. Sogar eine Flucht schloss man nicht mehr aus.

Sophie Dorothea wurde auf Schloss Ahlden verbannt

Einen handfesten Skandal aber konnte man sich am Hof in Hannover nun wirklich nicht leisten. Schon allein deshalb, weil Herzog Ernst August erst 1692 von Kaiser Leopold I. die Kurwürde erhalten hatte und um den Ruf des Hauses besonders besorgt sein musste. Daher gibt es bis heute Stimmen, die hinter dem Verschwinden Königsmarcks keinen Geringeren als den Kurfürsten und seine Frau vermuten.

Andere, so auch Fontane, sehen in Ernst Augusts mächtiger Mätresse Clara Elisabeth Gräfin von Platen die eigentliche Strippenzieherin. Ihr Motiv: Rache. Als Königsmarck ins hannoversche Militär eintrat, soll er ein Techtelmechtel mit der Gräfin gehabt haben. Darüber hinaus lehnte er das Angebot ab, ihre Tochter zu heiraten, weil er da schon in Sophie Dorothea verliebt war. Für die Platen ein Affront, der nach Sühne verlangte.

Welche Version die richtige ist, bleibt wohl für immer ein Rätsel. Zwischen Georg Ludwig und Sophie Dorothea kam es zur Scheidung, und sie wurde auf Schloss Ahlden verbannt, wo sie bis zu ihrem Tod 1726 bleiben musste. Ein Wiedersehen mit ihren Kindern verweigerte man ihr zeitlebens. Graf von Königsmarck wiederum ward seit der unglückseligen Nacht nie mehr gesehen.

Als man Ende 2016 die sehnsüchtig erwarteten Ergebnisse der Untersuchungen präsentierte, war die Enttäuschung allerdings groß. Bei den gefundenen Knochen handelte es sich nicht um die Überreste des tragischen Liebhabers, sondern von fünf anderen Personen. Vor dem Bau des Leineschlosses standen an dieser Stelle eine Kirche, ein Kloster sowie zwei Hospitäler.

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