Süddeutsche Zeitung

Kolumne:Rettet Klimt!

Wie das Leopold-Museum Wien ein Zeichen gegen die Klimakrise setzt - und gleichzeitig radikale Klimaaktivisten besänftigen möchte.

Von Christian Mayer

Oha, das Bild hängt schief, sollte man es nicht sofort gerade rücken? Das ist der erste Impuls, den ordnungsliebende Menschen spüren - man kennt das aus dem Loriot-Sketch "Zimmerverwüstung", in dem ein Spießbürger beträchtlichen Schaden anrichtet, weil die modernen Kunstwerke an der Wand einfach nicht zu bändigen sind. Im Leopold-Museum in Wien ist die schiefe Hängung allerdings volle Absicht - mit der Aktion "A few degrees more", ein paar Grad mehr, will das Haus auf die dramatischen Folgen der Klimakatastrophe hinweisen. Hier ist es der der hundert Jahre alte "Junge im Frühling" des Tiroler Künstlers Albin Egger-Lienz, der durch den Dreheffekt noch etwas interessanter wirkt, und auch andere Meisterwerke von Klimt, Schiele oder Courbet bieten den Besuchern derzeit einen ungewohnt schiefen Anblick. Tolle Aktion? Klar, das Klima liegt allen am Herzen, auch den Kuratoren. Doch vermutlich ist das Ganze auch der verzweifelte Versuch, weitere unliebsame Begegnungen mit Vertretern der "Letzten Generation" abzuwenden, die auch vor Kulturheiligtümern nicht zurückschrecken und im Leopold-Museum das Gemälde "Tod und Leben" von Gustav Klimt bereits mit einer öligen Masse besudelten. Am besten, man betrachtet den Wiener Kunst-Dreh mit etwas Humor. Loriot wäre jedenfalls begeistert, wenn er sehen würde, wie sein Bildersturz Schule macht - auch ohne Verwüstung.

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