Kleine Weinkunde (3):Lexikon für Angeber

Das Beste ist es, Wein zu trinken anstatt über ihn zu reden. Dennoch ist er allzu gerne Smalltalk-Thema. Wir stellen Ihnen die aktuell wichtigsten Weinbegriffe vor - zum Eindruck schinden.

Stephan Reinhardt

Es gibt in der Welt nichts zu trinken und zu essen, das so vielfältig ist wie Wein. Er lässt sich unterscheiden nach Rebsorten, Herkünften, Jahrgängen, An- und Ausbauverfahren, Geschmacksrichtungen, Alter, Winzerpersönlichkeiten, Zielgruppen, Trinkgelegenheiten und so fort. Und genau das macht ihn so kompliziert, obgleich er doch auch ganz einfach genossen werden kann - ohne Vorkenntnisse und Fachchinesisch.

Weinkunde

Da wird geschlürft, geschnalzt und mit Worten schwer beeindruckt: Doch was steckt wirklich hinter der Weinsprache?

(Foto: Foto: iStockphotos)

Angesichts von 1000 Unterscheidungsmöglichkeiten beim Wein bleibt selbst das wortreichste Weinetikett abstrakt. Es verrät nur wenig über die Beschaffenheit, den Geschmack und die Eigenarten sowie die Einsatzmöglichkeiten des Weins. Für viele Konsumenten ist daher bereits das Etikett ein Buch mit sieben Siegeln.

Noch rätselhafter als das Weinetikett mutet die so genannte Weinsprache an. Für die meisten hört sie sich an wie eine zwar irgendwie vertraut, zugleich jedoch abstrakt klingende Fremdsprache.

Die Weinsprache ist Vermittler: Sie soll dem Genusswilligen eine konkrete Vorstellung davon geben, welcher Art der mit Worten aus der Anonymität geholte Wein ist - ob er dem Anlass und/oder den Geschmacksvorlieben angemessen ist.

Jedoch scheitert die Weinsprache bei diesen Bemühungen oft und kläglich. Weil erfolgreiche Kommunikation nach einem dechiffrierbaren Code verlangt, einer gemeinsamen Zeichensprache, einer Basis des Sichverständigens. Wo sie gegeben ist, ist Kommunikation möglich. Wo sie fehlt und sie bleibt hohle Phrasendrescherei.

Die Weinsprache, wie jede lebende Sprache Änderungen und regionalen Besonderheiten unterworfen, ist keine systematische Sprache. Es gibt für die Fachausdrücke keinen verbindlichen Definitionskatalog, so dass selbst in Fachbüchern Begriffe zum Teil unterschiedlich erläutert werden.

Hinzu kommt, dass, je mehr über Wein gesprochen oder gefachsimpelt wird, Worte falsch benutzt werden. Dem Laien klingt das eindrucksvoll, der Profi jedoch versteht kein Wort. Er pflegt mit seinesgleichen eine vergleichsweise klare, eindeutige Sprache, die sich vor allem durch kurze, prägnante Ausdrücke und subtile Abstufungen auszeichnet. Hingegen bläst der Laie seine Weincharakterisierungen unter Zuhilfenahme der Alltagssprache oft derart auf, dass der Wein im Wortnebel verschwindet.

Je worteicher ein Wein beschrieben wird, desto weniger bleibt von ihm übrig; desto weniger weiß der, der ihn mit Worten austrocknet, sein Wesen zu fassen. Denn dafür reicht ein einziger kurzer Satz oder die Nennung von zwei, drei Eigenschaften.

Denn, wo ein Wein mit einer einzigen Bemerkung oder wenigen Eigenschaften treffend beschrieben werden kann, ist jedes weitere Wort überflüssig.

Trinken Sie lieber ein Glas. Und noch eines. Das sagt am Ende mehr als tausend Worte.

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