Kita-Streik:Oma und Opa, die stillen Helden

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Lauf, Opa, lauf! Von der Betreuung der Enkel können auch die Großeltern profitieren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ohne sie ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch weniger möglich. Ohne sie stehen viele Familien vor dem Kollaps - gerade in Zeiten des Kita-Streiks: Ohne Großeltern geht fast gar nichts.

Von Christina Waechter

Wie bei vielen anderen Familien, in denen beide Eltern arbeiten, ginge bei uns gar nichts, gäbe es die Oma nicht. Sie schließt an mindestens einem Tag pro Woche eine Versorgungslücke, die viele berufstätige Eltern schmerzlich spüren: Ein Arbeitstag endet mal selten zur selben Zeit wie ein Kita-Tag. Dann springt die Oma ein. Sie holt die Enkelkinder aus der Kita ab und betreut sie, bis wir Eltern von der Arbeit kommen. Und wenn wir Glück haben, bekommen wir vom Abendessen auch noch etwas ab.

Der Generationenvertrag funktioniert auch heute

Mit diesem Modell ist meine Familie in guter Gesellschaft: Etwa die Hälfte aller jungen Eltern erhält von ihren eigenen Eltern Hilfe bei der Kinderbetreuung.

Mindestens genauso wichtig wie das Stopfen regelmäßiger Versorgungslücken sind flexible Einsätze der Großeltern-Feuerwehr wenn Not am Mann ist. Solche Notfälle kommen mit Kindern enervierend regelmäßig vor: Schließtage der Kita, Krankheit des Kindes, oder - wie aktuell - ein unbefristeter Streik der Erzieherinnen und Erzieher.

In meinem Bekanntenkreis geht ohne Omas (und einige Opas) gar nichts: Die eine kommt aus der schwäbischen Provinz mindestens einmal pro Woche per Bahn in die Stadt und nimmt dafür eine Reisezeit von gut zwei Stunden auf sich. In einer anderen Familie ersetzen die Großeltern gar den fehlenden Krippen-Platz. Drei Mal pro Woche betreuen sie das Kind tagsüber, damit beide Eltern arbeiten können. Eine andere Familie schickt die Kinder in regelmäßigen Abständen am Wochenende aufs Land zu den Großeltern. Für die Kinder bedeutet das Verwöhn-Programm, für die Eltern, dass sie endlich die Dinge aufarbeiten können, die unter der Woche liegengeblieben sind.

Das ewige Thema "Vereinbarkeit von Arbeit, Kindern und dem restlichen Leben" wäre in vielen Familien gar nicht möglich ohne den tatkräftigen Einsatz der Großeltern. Und ohne sie wäre die Quote der berufstätigen Mütter wohl noch geringer.

Wenn die Großeltern fehlen

Umso schlimmer für Familien, die auf Oma und Opa verzichten müssen. Denn natürlich können nicht alle Großeltern ihre Enkelkinder betreuen. Manche sind zu jung - und arbeiten selbst noch. Andere sind zu alt und schaffen es gesundheitlich nicht mehr, Kleinkinder über einen längeren Zeitraum zu betreuen. Oder sie wohnen zu weit weg. Eine Untersuchung des Deutschen Jugendinstituts von 2009 besagt: Beträgt die Entfernung mehr als eine Stunde, schaffen es nicht einmal mehr zehn Prozent der Großeltern, sich regelmäßig um ihre Enkel zu kümmern. Und dann gibt es auch noch die Großeltern, die sich gar nicht kümmern wollen.

Wenn, wie jetzt, die Kita-Erzieher in einen unbefristeten Streik treten, trifft es junge Familien besonders hart, die nicht über das Sicherheitsnetz der älteren Generation verfügen - und auch keine Geschwister, Tanten oder Onkel in der Nähe haben. Natürlich gibt es Freunde, zu denen man die Kinder im Notfall schon mal bringen kann. Doch diese Möglichkeit bereitet vielen Eltern ein schlechtes Gewissen. Nicht unbedingt gegenüber den Kindern, aber gegenüber den Freunden.

Ein Problem, das großelternlosen Familien besondere Schwierigkeiten bereitet: Der Mangel an Zeit zu zweit. Während andere ihren Nachwuchs für ein paar Tage bei Oma abliefern können, fehlt ihnen ein gemeinsames Wochenende hie und da, um die Beziehung als Paar zu pflegen. Keine Großeltern, keine Zweisamkeit, formuliert es ein Bekannter.

Die Vorteile überwiegen die paar Kompromisse

Wer das Glück hat, auf Großeltern zurückgreifen zu können, hat viele Vorteile:

  • Da ist zunächst mal, ganz banal, die Kostenfrage. Kinderbetreuung außerhalb der regulären Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen kann richtig teuer werden. Selbst unerfahrene Teenager-Babysitter verlangen einen Stundenlohn ab fünf Euro. Erfahrene, gar im Pflegebereich ausgebildete BetreuerInnen können einen Stundenlohn bis zu 35 Euro verlangen. Wird der Service öfter und länger in Anspruch genommen, kann das richtig ins Geld gehen. Großeltern betreuen ihre Enkelkinder dagegen in der Regel gratis. Bisweilen sollte man in eine Bahncard 50 investieren, hin und wieder ein Blumenstrauß kann auch nicht schaden.
  • Großeltern sind Vertraute der Kinder und oftmals auch Verbündete. Oma und Opa sind nach den Eltern und dem Kindergarten die wichtigsten Betreuungspersonen für Kinder unter sechs Jahren. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass die Kinder von jemandem betreut werden, dem wirklich etwas an ihnen liegt und der selbst dann geduldig bleibt, wenn man als gestresster Elternteil längst ausgerastet wäre. Großeltern stehen Eltern und Kindern emotional nahe, es herrscht ein Vertrauensverhältnis.
  • Kinder profitieren von einem engen Kontakt zu ihren Großeltern. Durch sie lernen sie viel über ihre Wurzeln, die Herkunft der Familie und die Bedeutung tradierter Werte. Kinder, die regelmäßig von Großeltern betreut werden, haben einen umfangreicheren Wortschatz. Selbst bessere Schulnoten und ein gutes Sozialverhalten werden der Betreuung durch Oma und Opa zugeschrieben.
  • Und nicht zuletzt profitieren auch die Großeltern stark: Eine Umfrage im Auftrag von Reader's Digest hat ergeben, dass 88 Prozent der befragten Großeltern den Kontakt mit ihren Enkeln als Bereicherung empfinden. 77 Prozent sagten, die Enkel hielten sie jung.

All das wiegt die paar Kompromisse durchaus auf, die man eingehen muss, damit das Generationenmodell funktionieren kann:

  • Großeltern dürfen es anders machen. Grundsätzliche Erziehungsgrundsätze der Eltern sollten sie nicht torpedieren, aber sie dürfen ihre Enkel verwöhnen, das ist ihr gutes Recht.
  • Wer die Großeltern ins Haus lässt, muss damit leben können, dass sie bisweilen in die Haushaltsführung eingreifen.
  • Man muss sich dessen bewusst sein, dass die Großeltern mit der Enkelbetreuung eine kräftige Vorauszahlung auf das virtuelle Konto der Solidargemeinschaft Familie leisten - und dass sie diese zu einem späteren Zeitpunkt durchaus zurückfordern können.

Doch das kann auch ein tröstlicher Gedanke sein: Irgendwann können wir zumindest einen Teil dessen zurückgeben, was wir von den Großeltern bekommen: Zeit, Unterstützung und Fürsorge. All das, worauf junge Familien ohne Großeltern verzichten müssen.

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