Leipzig:Aufregung um Schweinefleisch im Kita-Essen

Kita-Reform in Schleswig-Holstein

Soll Schweinefleisch in Kitas serviert werden oder nicht?

(Foto: dpa)
  • Die Entscheidung von zwei Leipziger Kitas, ihre Speisepläne aus Rücksicht auf muslimische Kinder zu ändern, hat bundesweit für heftige Debatten gesorgt.
  • Am Abend zog einer der beiden Kita-Chefs die Konsequenzen und vertagte die Entscheidung.

Kein Schweinefleisch mehr auf der Speisekarte, keine Gummibärchen mehr als Nascherei? Die Entscheidung von zwei Leipziger Kitas, ihre Speisepläne aus Rücksicht auf muslimische Kinder entsprechend zu ändern, hat am Dienstag bundesweit für heftige Debatten gesorgt. Neben zahlreichen Bundespolitikern schaltete sich auch die Polizei in die Angelegenheit ein und suchte das Gespräch mit den Einrichtungen, um "mögliche Gefahren" abzuwehren, wie es hieß.

Am Abend ruderte der Leiter der beiden Kitas, Wolfgang Schäfer, angesichts der massiven Kritik an seinem Beschluss dann zurück - und setzte die Entscheidung zumindest vorerst aus. Schäfer begründete dies mit der medialen Aufregung.

Im kommenden Kindergartenjahr, das Mitte August beginne, wolle er das Thema bei Elternabenden nochmals ausführlich diskutieren, sagte Schäfer der Deutschen Presse-Agentur. Die Aufregung um die Entscheidung, in den Kitas künftig ganz auf Schweinefleisch und tierische Gelatine zu verzichten, könne er nur schwer nachvollziehen. Die Mehrheit der Eltern habe diese Entscheidung begrüßt. Aus der Politik und im Netz erntete Schäfer allerdings zum Teil scharfe Kritik.

Schäfer betonte: "Wir sind überwältigt von der ganzen Sache." Die Leitung der beiden Kitas hatte sich nach einem Bericht der Bild-Zeitung aus Rücksicht auf zwei muslimische Mädchen im Alter von zwei und drei Jahren zunächst zu einer Menü-Änderung entschlossen und Schweinefleisch sowie Gelatine-Produkte komplett gestrichen. Fromme Muslime dürfen nach den Regeln des Islams kein Schweinefleisch essen.

Konservative Politiker bezeichnen das Verbot als inakzeptabel

"Aus Respekt gegenüber einer sich verändernden Welt werden ab dem 15. Juli nur noch Essen und Vesper bestellt und ausgegeben, die schweinefleischfrei sind", zitierte die Zeitung aus einem jüngsten Kita-Schreiben zu den Essensplänen. In dem Papier sei auch darauf hingewiesen worden, dass Süßigkeiten, die Schweineprodukte wie Gelatine enthielten, nicht mehr angeboten würden. Das treffe beispielsweise auf Gummibärchen zu.

Die sächsische CDU sprach daraufhin von einem "Verbot von Schweinefleisch" und bezeichnete dies als inakzeptabel. Landes-Generalsekretär Alexander Dierks erklärte, selbstverständlich solle und könne "niemand gegen seinen Willen gezwungen werden, etwas Bestimmtes zu essen. Aber ein Verbot ist der falsche Weg." AfD-Bundestagsfraktionsvize Beatrix von Storch sprach von einer "kulturellen Unterwerfung". 300 Kinder in den beiden Kitas würden jetzt gezwungen, ihre Ernährungs- und Lebensgewohnheiten wegen zweier muslimischer Kinder zu ändern. "Man stelle sich nur vor, deutsche Kinder in Riad würden dort ihr Recht auf Currywurst erstreiten und die Mehrheitsgesellschaft zwingen, ihre Ernährung umzustellen."

Kita-Chef Wolfgang Schäfer verteidigte seinen Entschluss zunächst via Bild: "Auch wenn es nur eine Familie wäre, die das Seelenheil ihres Kindes aus religiösen Gründen durch unreines Schweinefleisch beeinträchtigt sieht, setze ich diese Neuerung jetzt durch." Eine Entscheidung, die Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) als falsch bezeichnete. "Alle anderen für die Essgewohnheiten anderer, die auch mal gerne Schweinefleisch essen, in Mithaftung zu nehmen, ist nicht förderlich für ein gedeihliches Zusammenleben", sagte Klöckner der Bild.

Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD), selbst Muslima, twitterte: "Wenn Kitas, Schulen und sonstige Einrichtungen lieber vegetarisch statt Fleisch servieren - fine with me. Ich bin nur dagegen, wenn es heißt: aus Rücksicht auf Muslime." Schweinefleisch- oder Gummibärchenverbote seien ebenso überflüssig wie die Bezeichnung Wintermarkt statt Weihnachtsmarkt oder Festtagsgruß statt Frohe Weihnachten: "Liebe Alle: Ist nett gemeint, aber lasst es bitte! Tut es nicht für die Muslime. Ihre Seele wird damit nicht geheilt."

Der Vater eines Kita-Kindes sagte der dpa, er sei vor etwa zwei Wochen mit einem Schreiben über die Speiseplan-Änderung informiert worden. "Wir finden die Entscheidung prinzipiell gut", sagte der 37-Jährige, der seinen zweijährigen Sohn am Nachmittag von der Kita abholte. Die Mutter einer Vierjährigen bezeichnete die Debatte hingegen als "absurd".

Es gebe dringlichere Probleme. Ihre Tochter merke sowieso nicht, ob sie Schweinefleisch esse oder nicht.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Textes hieß es unter Bezugnahme auf die Nachrichtenagentur dpa, die sich ihrerseits auf Angaben eines Polizeisprechers bezog, die beiden Kitas hätten unter Polizeischutz gestanden. Inzwischen hat die Polizei klargestellt, dass die Beamten lediglich das Gespräch mit den beiden Einrichtungen gesucht hätten und im Zuge dessen ein Polizeifahrzeug vor dem Gebäude gestanden habe.

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