Iris Galey, 79, lebt in Basel. Vor 30 Jahren schrieb sie sich mit ihrem Bestseller "Ich weinte nicht, als Vater starb" die traumatischen Erlebnisse ihrer Kindheit von der Seele. Die Schweizerin wurde jahrelang von ihrem Vater missbraucht, bis sie dieses Geheimnis mit 14 Jahren preisgab und er sich daraufhin umbrachte. Gerade ist der Doppelband mit der Fortsetzung "... und hasste Sex, bis ich Liebe fand" im mvg Verlag erschienen. Darin erzählt sie die Geschichte ihrer Heilung und wie sie mit ihrem dritten Mann die Panik vor Sexualität überwinden konnte. Heute bietet sie Traumatherapien an und steht für Vorträge zur Verfügung.
Eine der Szenen, die auch im Buch thematisiert werden, hat Galey für SZ.de in einer neuen Version aufgeschrieben. In bewusst sehr expliziten Worten, die verstörend wirken können, schildert sie darin, wie ihr Vater sie gequält hat.
"Es war mein Leben, das du fast für immer befleckt hast, Papa. Ich war ein neunjähriges Mädchen, und du hast mich mit deinem Daumen bei laufender Stoppuhr 'dort' gerieben, und wenn ich nicht pünktlich das tat, was du 'Kommen' nanntest, dann hast du mich beschimpft und mir Schmerzen zugefügt.
Warum hast du das getan, Papa?
Du hast doch studiert und ein Schweizer Chemieunternehmen geleitet. Also konntest du sicherlich denken.
Ich habe lange gebraucht, bis ich denken konnte, nachdem du mein Gehirn gequirlt hast, wie das Rührei zum Frühstück, denn du hast meinen kleinen Körper genauso vergewaltigt wie mein ganzes Denken. Du hast mir keine normale Lebenstüchtigkeit beigebracht, keine übliche Sprache.
Du hast mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Denn du hast mich gelehrt, dass das Falsche richtig und das Richtige falsch sei.
Ich lernte schnell, dieses unglaublich schöne Gefühl vorzutäuschen, das sich gemeinsam mit dem grenzenlosen Brechreiz auslösenden Ekel einstellte. Und ich tat so, als würde ich 'kommen', damit du mich nicht beschimpfen und mir nicht wehtun würdest.
Ich habe dich damals ausgetrickst, damit deine widerwärtigen Berührungen und deine abscheulichen Blicke auf Das-da-unten schnell vorbei waren.
Papa, du Schwein.
Ich wusste, dass ich stöhnen sollte und mich winden und ein leidenschaftliches Gesicht machen, mit geschürzten Lippen, wie du es sehen wolltest. Obwohl du gesagt hast, dass alle Frauen abstoßend sind.
Und wenn du gedacht hast, dass ich 'komme', dann habe ich in Wirklichkeit fast nie etwas empfunden. Doch später, wenn ich dann allein in meinem Bett lag, spürte ich dieses große Verlangen, das du in mir geweckt hast, ohne dass ich es wollte.
Es peinigte mich.
Es war die Sehnsucht nach solchen Gefühlen, die sich ohne Papa einstellen sollten. Doch du hast gesagt, wenn ich das täte, würde ich sündigen, bestraft werden und in die Hölle kommen.
Wenn der Drang zu groß wurde, gab ich nach und tat es, gab aber vor, es nicht zu tun.
Müssen deshalb so viele Frauen etwas vorspielen, weil so viele missbraucht werden, von Papas wie dir? Sie sagen, jedes vierte Mädchen und jeder siebte Junge.