Kindererziehung:Prügel im Namen des Vaters

Wie das Kind sein soll / Ill. v. Mukarowsky

Pädagogik mit dem Stock: Farblithographie von Josef Mukarowsky. Aus: Cornelie Lechler, Wie das Kind sein soll! Ein Kinderspiegel. Aus der Zeit um 1895.

(Foto: akg-images)

Schläge als zentrale Erziehungsmethode auch bei Kleinstkindern: Ein Buch gibt Tipps zu rechtswidriger Pädagogik und beruft sich dabei auf die Bibel.

Von Ulrike Heidenreich

Besonders zu beachten: Das Kind müsse den Schmerz spüren, wenn Mutter oder Vater zur Rute greift. Der Erziehungsberater rät deshalb dazu, das Kind auszuziehen. "Es hilft nichts, wenn Windeln oder andere Kleidungsstücke das Disziplinieren zur Streicheleinheit machen."

Dies ist der Originalton eines Buches, dessen Vorläufer die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BpjM) indiziert hatte. "Eltern, Hirten der Herzen" durfte seit 2013 nicht mehr per Versandhandel Jugendlichen zugänglich gemacht werden. Nun ist es wieder auf dem Markt aufgetaucht, unter neuem Titel, mit neuer Aufmachung. Der Inhalt ist jedoch fast wortgleich. Auch in "Kinder Herzen erziehen" gibt ein amerikanischer Pastor in deutscher Übersetzung detaillierte Anleitungen, wie selbst Kleinkinder abzustrafen seien.

Wenn Eltern ihre Kinder schlagen, kann dies in Deutschland als Körperverletzung geahndet werden. Das "Recht auf gewaltfreie Erziehung" ist seit dem Jahr 2000 im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. "Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, insbesondere Körperstrafen und seelisch verletzende Sanktionen" sind unzulässig. Auch die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen schreibt den Schutz des Kindes "vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung" vor.

Zucht und Weisheit

Insgesamt hat in den vergangenen zwanzig Jahren elterliche Gewalt in Familien abgenommen. Mehr als die Hälfte der Eltern erzieht ihre Kinder inzwischen komplett gewaltfrei. Vor gut zwanzig Jahren gab nur etwa jede vierte Mutter oder Vater an, ihr Kind nie zu schlagen. Bei Familien, die evangelikalen Freikirchen angehören, zeichnet sich ein anderes Bild ab. So hatte der Kriminologe Christian Pfeiffer in einer Studie im Jahr 2013 erforscht, dass die Erziehungsmethoden der Eltern mit zunehmender Religiosität stärker gewaltorientiert sind. Das Risiko für Schüler, als Kind mindestens einmal massiv misshandelt zu werden, war demnach am höchsten, wenn die Eltern Mitglied einer evangelikalen Freikirche waren und Religion für sie eine "sehr wichtige" Rolle für die Erziehung gespielt hatte. Jeder fünfte Schüler in dieser Gruppe war betroffen. Als Ursache für die hohen Werte bei den Evangelikalen wird vermutet, dass die Pfarrer dieser Gemeinden sich verstärkt am Wortlaut der Bibel orientieren. Diese enthält etliche Ratschläge wie "Rute und Zucht geben Weisheit". Dazu kommt der Einfluss von christlichen Erziehungsratgebern aus den USA, die detaillierte Anleitungen für Prügelstrafen enthalten. In Deutschland sind etwa 1,3 Millionen Gläubige in einer evangelikalen Bewegung, die strenge Lebensregeln aus der Bibel ableitet. Ulrike Heidenreich

Zur Rechtfertigung für die Prügelstrafe führt der Autor Bibelstellen an

Im Buch "Kinder Herzen erziehen" ist praktisch alles davon zu finden. Unter dem Leitsatz "Die Rute ist per Definition eine elterliche Pflicht" gibt der amerikanische Autor Tedd Tripp auf dem Buchdeckel an, "Mut zur Erziehung" machen zu wollen. Zur Rechtfertigung wimmelt es nur so von Bibelstellen wie diesen: "Züchtige deinen Sohn, so wird er dich erquicken und dir Freude machen" (Sprüche 29,17) oder "Entziehe dem Knaben die Züchtigung nicht! Wenn du ihn mit der Rute schlägst, wird er nicht sterben" (Sprüche 23,13).

Bei evangelisch-freikirchlichen Glaubensgemeinschaften in Deutschland war Tripps Erstlingswerk ein Bestseller. Dann kam es auf den Index, wurde nicht mehr nachgedruckt. Gebrauchte Ausgaben werden zurzeit von 100 Euro an beim Versandhändler Amazon gehandelt. Rechtlich bewegt sich dies im Graubereich. Denn wie lässt es sich ausschließen, dass Minderjährige das Buch bestellen, obwohl es auf dem Index jugendgefährdender Schriften steht?

Ein Verlag, der sich den Namen "Verein Fröhliche Familien" gegeben hat und die Schweiz als Firmenort nennt, will nun auf dem Erfolg aufbauen. Er hat eine, wie es auf dem Cover heißt, "stark überarbeitete Neuausgabe" herausgebracht. Vertrieben wird sie aktuell von mehreren Onlinehändlern in Deutschland, die mit "ausgewähltem bibeltreuem Sortiment" werben. Die Änderungen jedoch sind marginal. So wurde etwa in einem Satz, den die Bundesprüfstelle in ihrer Entscheidung aus dem Jahr 2013 klar als Aufforderung des Autors an die Eltern gewertet hatte, ihre Kinder zu schlagen, nur ein Wort geändert. "Erziehungsmaßnahmen" heißt es nun statt "Züchtigung". Das hört sich dann so an: "Körperliche Erziehungsmaßnahmen anzuwenden, ist auch ein Akt des Glaubens. Gott hat ihren Gebrauch angeordnet."

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