Kinderbetreuung:Liebe Unternehmen, kümmert Euch um die Kinderbetreuung!

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Sorgenfreie Kinderbetreuung? Laut Statistischem Bundesamt waren in Deutschland 2016 gerade einmal 1,2 Prozent der Kitas betrieblich. (Foto: picture alliance / Monika Skolim)

Die Zahl der Krippenkinder steigt. Trotzdem haben es berufstätige Eltern nicht leicht. Unternehmen müssen endlich mehr Verantwortung für eine flexiblere Betreuung übernehmen. Zu ihrem eigenen Vorteil.

Kommentar von Anna Fischhaber

Kind und Karriere, das scheint sich endlich nicht mehr zu widersprechen. Die Zahl der Krippenkinder steigt: Fast 763 000 unter Dreijährige gehen inzwischen in eine Kita oder zur Tagespflege - 41 000 mehr als noch im Vorjahr. Gleichzeitig bekommen Akademikerinnen wieder öfter Nachwuchs und kehren schneller in den Job zurück. Das heißt allerdings nicht, dass es für berufstätige Mütter (und Väter) einfach geworden ist. Noch immer werden sie viel zu oft aufs Abstellgleis gestellt. Überstunden sind kaum möglich, wenn die Kita wieder früh schließt. Dabei wäre es so einfach: Unternehmen müssen endlich mehr Verantwortung für eine flexiblere Kinderbetreuung übernehmen - und so ihre Mitarbeiter unterstützen. Das lohnt sich für Eltern und für Firmen. Zumal es heute kreative Lösungen für jeden Bedarf gibt.

Der Staat baut die öffentliche Betreuung sowieso aus? Viele Eltern bringen ihre Kinder lieber in der Nähe ihres Zuhauses unter? Die Totschlagargumente vieler Firmen haben mit der Realität wenig gemein. Gut, Politiker wie Martin Schulz versprechen vor der Bundestagswahl kostenlose Kitas für alle. Und schon jetzt gibt es einen Rechtsanspruch, dennoch reicht das Angebot in vielen Regionen noch immer nicht aus. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft fehlen in Deutschland fast 300 000 Krippenplätze. Und selbst wenn es mit einer Kita klappt, sind die Wege oft weit, die Erzieher knapp und die Betreuungszeiten nicht verhandelbar. In Folge hetzen Eltern morgens quer durch die Stadt und wieder zurück, passen ihre Arbeitszeit an die Kita an und haben ständig ein schlechtes Gewissen.

Kinderbetreuung
:Zahl der Krippenkinder steigt

Immer mehr unter Dreijährige sind in Deutschland in Kitas oder bei Tagesmüttern und -vätern untergebracht. Dennoch bleibt die Betreuungssituation angespannt.

Dem überforderten Staat und den erschöpften Eltern steht eine Privatwirtschaft gegenüber, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung noch nicht genügend nachkommt. Zumal eine passende Kinderbetreuung vor allem den Unternehmen selbst nutzt. Wer Mitarbeiter bei der Kinderbetreuung unterstützt, stärkt deren Bindung, tut etwas für das eigene Image und spart obendrein Personalkosten. Wenn Firmen in eine familienfreundliche Kultur investieren, sind Renditen von bis zu 40 Prozent möglich, hat das Familienministerium herausgefunden.

Klar, es gibt sie schon. Die Vorzeigeunternehmen, in denen die Mitarbeiterkinder ab halb sechs Uhr morgens mit Biogemüse gepampert werden. Doch laut Statistischem Bundesamt waren 2016 in Deutschland nur 1,2 Prozent der Kitas betrieblich. Hinzu kommen Firmen, die Zuschüsse zahlen oder Belegplätze in einer örtlichen Einrichtung bieten. Doch das deckt den Bedarf bei Weitem nicht.

Zudem sind es vor allem große Konzerne, die eine Kinderbetreuung organisieren. Mittelständler verweisen dagegen gerne auf die fehlenden Mittel und die geringe Mitarbeiterzahl. Dabei muss ja nicht eine Betreuung für 30 und mehr Kinder aller Altersstufen sein. Oft reicht eine Tagesmutter, die sich um bis zu fünf unter Dreijährige kümmert, wenn die Eltern früher aus der Familienzeit zurückkommen wollen. Die früh morgens und spät abends einspringt, weil in der Firma im Schichtdienst gearbeitet wird. Die Mitarbeiterkinder von der Grundschule abholt und bei den Hausaufgaben hilft, weil ein Hortplatz noch schwieriger zu finden ist als eine Kita.

Familienministerium will Förderung für Tagespflegen öffnen

In vielen Bundesländern können sich bis zu drei Tagesmütter auch zu einer Großtagespflege zusammenschließen. Angst vor der Bürokratie? Fehlendes Know-how? Start-ups, die beim Planen helfen, gibt es längst. Natürlich ist eine solche Minikita nicht umsonst. Auch sie braucht Räume, allerdings weniger Platz als ein Kindergarten. Für den Umbau und notwendige Anschaffungen können Großtagespflegen eine Investitionskostenförderung beantragen.

Selbst für die laufenden Kosten und das Personal wäre nicht das Unternehmen allein zuständig. Das Familienministerium prüft derzeit, seine Förderung für Notfallbetreuung und Tagespflegen zu öffnen. In München etwa werden Großtagespflegen für bis zu zehn Kinder schon bezuschusst. Ein Vollzeitplatz kostet Eltern so etwa 350 Euro monatlich - das ist weniger als eine städtische Einrichtung. Eine Minikita im Unternehmen wäre somit auch für Geringverdiener und Externe attraktiv.

Dass deshalb Firmen freiwillig umdenken, wäre dennoch naiv zu glauben. Eine Lösung könnte deshalb sein, Unternehmen zu ihrem Glück zu zwingen. Zumindest ab einer bestimmten Größe. Ungerecht? Solche Vorgaben gibt es in München und anderen Städten schon für Neubauquartiere. Bauherren müssen nicht nur einen fixen Anteil preisgünstiger Wohnungen zusichern, sondern - als Ausgleich für ihre Profite - auch einen Beitrag für neue Straßen, Schulen und eben Kitas leisten.

Kitas machen aber nicht nur neue Wohngebiete attraktiver, sondern auch einen Arbeitgeber. Was früher der Firmen-Mercedes im Vorstellungsgespräch war, ist heute das Bällebad neben dem Büro, zeigt eine Studie des Familienministeriums: Demnach ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf neun von zehn Beschäftigten mit Kindern so wichtig oder wichtiger als das Gehalt. Drei Viertel der Befragten zwischen 25 und 39 wären sogar bereit, dafür den Job zu wechseln. Nicht nur Mütter, sondern auch Väter, denen die Vereinbarkeit oft noch schwerer gemacht wird.

Eine Untersuchung der Universität Münster kommt zum Ergebnis, dass Mitarbeiter von familienfreundlichen Firmen weniger fehlen, produktiver arbeiten und seltener kündigen. Und wer seinen Nachwuchs in der Nähe und vor allem in guten Händen weiß, macht auch leichter mal eine Überstunde. Und das wiederum nutzt doch vor allem dem Unternehmen.

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