Fast 15 Prozent aller Kinder in Deutschland wachsen in Armut auf - sie leben nicht nur in Familien, die seit Generationen Sozialhilfe empfangen und den gesellschaftlichen Aufstieg nicht schaffen. Es sind Familien, die immer nur einen Schicksalsschlag von der Armut entfernt sind. Die häufigsten Gründe dafür, dass Haushalte unter die Armutsgrenze rutschen sind Trennung, Jobverlust und das dritte (oder vierte oder fünfte) Kind.
Anders herum betrachtet: Wer es in Deutschland wagen will, eine Familie zu gründen, hat am besten einen sicheren Job, ein solides Gehalt und eine Partnerschaft, die mit hundertprozentiger Sicherheit die nächsten zwei Jahrzehnte übersteht. Für alle anderen ist Kinderkriegen ein unzumutbares Risiko.
Brüche in der Biografie sind die Regel, nicht die Ausnahme. Einer Kündigung kann man mit der besten Ausbildung nicht vorbeugen. Firmen schließen oder verlegen Abteilungen in andere Städte - und gerade Eltern, die ihren Kindern Umzug und Schulwechsel ersparen wollen, sind hier unflexibel. Sie müssen es sein, den Kindern zuliebe. Auf dem Arbeitsmarkt kostet mangelnde Flexibilität bares Geld.
Auch eine Trennung ist nichts Außergewöhnliches. Ein Drittel aller Ehen wird geschieden, in Großstädten jede zweite, bei nichtverheirateten Elternpaaren ist die Trennungsquote ähnlich hoch. Alleinerziehende sind überdurchschnittlich oft von Armut betroffen: 42 Prozent aller Ein-Eltern-Familien leben unter der Armutsgrenze, 38 Prozent sind auf staatliche Hilfen angewiesen. Nicht wenige vormals gut situierte Paare kommen nach einer Trennung plötzlich kaum mehr über die Runden, weil zwei Wohnungen her müssen, zwei Kinderzimmer und im Idealfall zwei Urlaube bezahlt werden wollen. Dazu kommen Fahrt- und Babysitterkosten.
Familien rutschen leicht in die Armut und kommen schwer wieder raus
Die Freiheit, sich beruflich neu zu orientieren oder sich aus einer Beziehung zu lösen, wurde in den vergangenen Jahrzehnten hart erkämpft. Nur die Politik verhält sich weiterhin so, als wären Trennungen und Brüche in der Erwerbsbiografie ungünstige Ausnahmen.
Anette Stein, als Familienpolitik-Expertin der Bertelsmann-Stiftung zuständig für die aktuelle Studie, hat die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahrzehnte ausgewertet und kommt zu dem Schluss: Arme Kinder wachsen sozial isolierter auf, ihr Gesundheitszustand ist schlechter und sie haben häufiger schulische Probleme als ihre Altersgenossen. Wenig überraschend sind diese Kinder auch als Erwachsene überproportional häufig: arm.
Allein aufgrund dieser verheerenden Langfristeffekte kann es sich Deutschland nicht leisten, die 14,6 Prozent der Kinder, die laut Bertelsmann-Studie als arm gelten, abzuschreiben. Arme Kinder brauchen mehr Geld, was im Klartext heißt: Die Eltern von armen Kindern brauchen mehr Geld.