Kinder und Klimawandel:"Machen Sie ein Projekt draus"

Lesezeit: 3 Min.

Schön bunt - und aus Plastik. (Foto: Catherina Hess)

Kinder lieben die Umwelt. Aber auch Luftballons und Gelbwurst. Wie spricht man mit den Kleinsten über die ökologischen Widersprüche, mit denen wir alle leben?

Interview von Vera Schroeder

Mariel Wille und Meike Rathgeber sind Referentinnen im "Haus der kleinen Forscher" in Berlin. Die Stiftung engagiert sich unter anderem zum Thema Nachhaltigkeit für Kinder im Kita- und Grundschulalter.

Süddeutsche Zeitung Familie: Meine Kinder lieben Gelbwurst - ich selbst lebe immer bewusster und fast ohne Fleisch. Nun fragen mich meine Kinder, weshalb ich nicht mehr mitesse. Was kann ich sagen?

Meike Rathgeber: Ganz einfach: Sie können Ihren Kindern erklären, weshalb Sie selbst auf Fleisch immer mehr verzichten. Die Gelbwurst ist ein wunderbarer Aufhänger dafür.

Ja, hab' ich schon versucht: Kühe pupsen viel, und das verpestet die Luft und deswegen geht unser Klima kaputt. Die Kinder haben über die Pupse gelacht und dann etwas irritiert weiter an ihrer Gelbwurst geknabbert.

Mariel Wille: Wie alt sind Ihre Kinder?

Am Tisch saßen ein Dreijähriger, ein Fünfjähriger und ein Elfjähriger.

MW: Einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge können schon Kinder im Vorschulalter begreifen. Aber von der Gelbwurst zum Klimawandel - das ist abstrakt. Der Elfjährige kann das mit etwas Vorwissen nachvollziehen. Wenn man Kleineren den Zusammenhang zwischen Tieren und ihrem eigenen Essen begreiflich machen will, sollte man mit ihnen zum Beispiel nachhaltig kochen, gemeinsam einkaufen oder einen Biobauernhof besuchen.

Ist es nicht unangebracht, Kindern erst die Wurst hinzustellen - und ihnen dann ein schlechtes Gewissen zu machen, weil sie sie essen?

MR: Ein schlechtes Gewissen sollten Sie ihnen auf keinen Fall machen. Dafür ist es wichtig, klarzustellen, dass Sie diese Entscheidung für sich getroffen haben - und dass das erst mal nichts mit ihnen zu tun hat. Es ist nicht die Aufgabe von Kindern, die Probleme der Erwachsenen zu lösen. Und wir dürfen Kindern auch nicht vorgeben, was sie zu denken haben.

Aber ich bringe sie doch trotzdem in ein Dilemma.

MW: Dilemmas sind in Kinderleben ganz normal. Nehmen sie das Mädchen, das mit einem Kind spielen will, dieses Kind will aber lieber mit einem anderen spielen. Kinder begegnen Konflikten, in denen sie Entscheidungen treffen müssen, sehr früh und überall. Sie lernen das.

Und können deshalb auch selbst entscheiden, ob sie weiter Wurst essen wollen, obwohl ich ihnen von den sterbenden Eisbären erzählt habe und was beides miteinander zu tun hat?

MR: Das würden wir so nicht sagen. Sie sollten Ihre Kinder nicht extra schockieren. Zum Beispiel mit Bildern von Plastik in Mägen aufgeschnittener Vögel. Oder mit zu drastischen Horrorszenarien von sterbenden Eisbären.

Aber diese Schockbilder begegnen ihnen doch sowieso überall.

MW: Nicht schön, wenn das passiert. Aber es ist auch eine Chance: Nehmen Sie die Bilder zum Anlass, mit Ihren Kindern zu sprechen. Und zwar nicht, indem Sie erklären, wie schlimm das alles ist. Fragen Sie stattdessen Ihre Kinder: Was siehst du auf diesem Bild? Was macht das mit dir? Was könnte passiert sein? Und besprechen Sie gemeinsam: Was könnten wir hier zu Hause zum Beispiel gegen die Plastikflut tun?

Nie mehr Luftballons aufblasen?

MR: Ja, zum Beispiel. Aber nach so einem Gespräch wäre das eben kein Befehl, sondern womöglich ein gemeinsamer Beschluss. Man kann es auch leichter machen und erst mal über Testphasen reden: Wenn du möchtest, können wir als Familie mal versuchen, den nächsten Geburtstag ohne Luftballons zu feiern. Damit tun wir was für die Seevögel. Diese Erfahrung der Selbstwirksamkeit, wie man in der Psychologie sagt, ist enorm wichtig für Kinder. Sie lernen, dass sie aktiv werden können in ihrem Lebensbereich.

Und in der Schule gibt es dann doch wieder Chili con Carne.

MW: Kinder können gut damit umgehen, dass es verschiedene Systeme gibt, in denen sie agieren. Bei den Großeltern werden die Dinge ja auch ein bisschen anders gemacht als zu Hause.

Also ist es ganz einfach: Man muss nur immer ganz viel reden über alles?

MW: Reden, Fragen stellen und überlegen, wie sie selbst wirksam sein können. Dazu vorleben, so gut es geht. Und wenn man das mal nicht hinkriegt: die eigene Fehlbarkeit ehrlich kommunizieren. Kinder können auch mit Ausnahmen umgehen. Sagen Sie: "Ich bin heute zu müde und nehme deshalb das Auto, obwohl es besser wäre, den Bus zu nehmen" statt: "Weil ihr so getrödelt habt, nehmen wir jetzt das Auto."

Das krieg ich hin.

Machen Sie ein Projekt draus. Palmöl in Schokocreme ist böse? Eine Kollegin hat mit ihrer Familie eine Testphase gestartet: Sie haben andere Anbieter ausprobiert oder Schokoaufstrich selber gekocht. Jedes Kind konnte sich einbringen. Am Ende sind sie als Familie bei der Schokocreme geblieben - nur noch einmal in der Woche.

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