Kinder - der ganz normale Wahnsinn:"Wünsch es dir einfach vom Christkind!"

Fragen Sie ein Kind nicht, weshalb wir Weihnachten feiern. Es antwortet sowieso: wegen der Geschenke. Sein Wunschzettel ist lang, die Wünsche sind teuer. Und dann mischen sich auch noch die Großeltern ein.

Eine Kolumne von Katja Schnitzler

Kinder mögen glücklich sein, wunschlos sind sie nicht. Niemals. Warum auch? Stolz und laut zeigen sie ihre neuen Spielzeuge her - und lassen sich auch von den Schätzen anderer Kinder beeindrucken: erst Bagger und Puppen, dann Star-Wars-Artikel und Gameboys, später Smartphones. Kein Wunder, dass da Begehrlichkeiten aufkommen. Und wenn gerade kein verlockendes Fremdspielzeug in Sicht ist, übernimmt die Werbung.

Selbst wer rechtzeitig zur Fernbedienung hechtet, um umzuschalten, wenn die Werbespots im Fernsehen kommen, entgeht nicht den Spielzeugprospekten, die jeden Tag vor Weihnachten aus dem Briefkasten quellen. Die können Eltern gar nicht so schnell verschwinden lassen, wie die Kinder sie entdecken.

Der Nachwuchs verkündet fröhlich: "Ich kreuze mal an, was ich haben will." Die ältere Tochter kreuzt und kreuzt und kreuzt, der kleine Bruder malt Kreise um die Objekte seiner Begierde. Billig ist kaum etwas, teuer das meiste. Der Einwand der Eltern, dass eine Burg und ein Bergbau-Tunnel und eine Baustelle und ein Bauernhof viel zu viel kosten, dieser Einwand zählt nicht: "Wünsch es dir doch einfach vom Christkind, da muss keiner was zahlen", rät die große Schwester und malt Kreuz um Kreuz.

Als die Kinder im Bett sind, blättern die Eltern durch die Prospekte. Nur eine Babyrassel ist nicht markiert. Am nächsten Tag versuchen sie herauszufinden, was sich die Kinder wirklich wünschen: "Ein eigenes Pferd", sagt die Tochter. "Ich will das Christkind sehen", sagt der Kleine. Na toll, denken die Eltern.

Dann erklären sie, dass ein Pferd den räumlichen und finanziellen Rahmen sprengt, was das Christkind der Familie auf keinen Fall zumuten möchte. Und dass, lieber Sohn, dieses unsichtbar sei, also leider selbst an Heiligabend nicht vorzeigbar. Enttäuschte Gesichter, dann meint die Tochter: "Aber es kann uns wenigstens die Sachen aus dem Katalog bringen."

Die Eltern beginnen zu verhandeln: Um das arme Christkind nicht zu überlasten - es hat an Heiligabend ja wohl genug zu schleppen -, sollen sich die Kinder jeweils für drei Lieblingssachen aus dem Prospekt entscheiden, diese ausschneiden und auf den Wunschzettel kleben. "Aber das sind nur Vorschläge fürs Christkind", sagt der Vater. "Das heißt nicht, dass ihr auch alles bekommt", ergänzt die Mutter. Nach einer halben Stunde ist der Werbeprospekt so durchlöchert, dass er auseinanderfällt. Die Entscheidung fiel schwer und änderte sich minutenweise.

Am Schluss kleben auf dem einen Wunschzettel: ein Pferdehof, Pferde für den Pferdehof und ein Plüschpferd, auf dem auch ein Hundert-Kilo-Mann mit angezogenen Beinen reiten könnte. Auf dem anderen Zettel: eine Ritterburg, ein Drache, um die Ritterburg anzugreifen, und ein Holzschwert in Originalgröße, um die Ritterburg zu verteidigen.

Als die Eltern die Kosten für diese sechs Wünsche ausgerechnet haben, beschließen sie, im nächsten Dezember die Werbung noch am Briefkasten verschwinden zu lassen. Oder den Postboten vorne an der Ecke abzufangen.

Dann rufen sie die Großeltern an und führen ein ernstes Gespräch: Ob sie sich noch daran erinnern, dass im vergangenen Jahr das halbe Wohnzimmer mit Präsenten bedeckt war, weil jeder noch ein, zwei nette Kleinigkeiten dazugegeben hatte? Dass das alles viel zu viel war und Eltern und Kinder überfordert hatte? Dass die vielen netten Kleinigkeiten in zu vollen Schubladen verschwunden waren, um nicht mehr hervorgeholt zu werden?

"Wo ist mein Hund?"

Die Großeltern erinnern sich, wenn auch ungern. Ein bis zwei nette Kleinigkeiten waren ihnen schließlich bei ihrem gestrigen Stadtbummel schon wieder aufgefallen. Aber gut, sie würden Ritterburg und Pferdehof übernehmen. Und ja, sonst nichts schenken. Ja, gar nichts. Bestimmt. Die Eltern bedanken sich erleichtert und versichern, wie sehr sie ihre Großzügigkeit zu schätzen wissen, schließlich kosten Burg und Hof so viel wie eine Zweimonatsration Futter für ein echtes Pferd.

Heiligabend.

Die Kinder, Eltern und Großmutter warten darauf, dass das Christkind mit dem Geschenke-unter-dem-Christbaum-Verteilen fertig ist. Der Großvater hat anderweitig zu tun.

Das Glöckchen klingelt.

Tochter und Sohn stürmen ins Wohnzimmer. Ganz hinten in der Ecke steht der Christbaum. Das halbe Wohnzimmer davor ist mit Geschenken bedeckt, der Boden nicht mehr zu sehen. Vater und Mutter drehen sich fassungslos zu den Großeltern um. "Jetzt habt euch nicht so", brummt der Großvater. "Sind doch nur ein, zwei Kleinigkeiten mehr."

Von der großen Tochter ist nur noch die weihnachtliche Sternchenstrumpfhose zu sehen. Sie krabbelt unter den Baum, um an das allergrößte Geschenk zu kommen. In fünf Minuten hat sie die liebevolle Verpackung von der Hälfte der Geschenke gerissen, die feierliche Stimmung ist unter einem glitzerbunten Papiermüllhaufen begraben. Nur der kleine Bruder packt nicht aus. Er hebt die Geschenke nur hoch. Wühlt in den Papierresten. Blickt hinter den Christbaum.

"Was suchst du eigentlich", fragt die Mutter. "Den Hund", sagt der Sohn. "Welchen Hund?", fragt die Mutter verwirrt, hatte doch die Großmutter ihren bei Nervosität nicht ganz stubenreinen Terrier daheim gelassen.

"Na den Hund", sagt der Sohn und schaut unter den Wohnzimmertisch, "den ich mir immer vor dem Einschlafen vom Christkind gewünscht habe. Es war ja jeden Abend da. Nur unsichtbar."

Einige Kinder finden unter dem Weihnachtsbaum wahre Geschenkeberge vor und sind nach dem Auspacken trotzdem enttäuscht. Psychologin Svenja Lüthge erklärt im Interview die Kunst des Schenkens und wie Heiligabend für die ganze Familie zu einer schönen Erinnerung wird.

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