Kinder - der ganz normale Wahnsinn:"Wie kommt das Baby in den Bauch, Mama?"

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Junge Eltern sollten rechtzeitig - am besten zu Beginn der eigenen Schwangerschaft - überlegen, wie und wann sie ihren Kindern die Sache zwischen Mann und Frau erklären. Sonst kommt ihnen die Kindergärtnerin zuvor.

Katja Schnitzler

"Wo komme ich her? Und wie kam ich in deinen Bauch?" Kinder wollen manches genau wissen. Ganz genau. (Foto: J. Hosse)

Wenn sich zwei mehr oder weniger junge Menschen ein Kind wünschen, denken sie an strahlende Babys, glückliche Eltern und manchmal auch an die Rama-Werbung. Sie denken nicht daran, dass Kinder selten leise wütend werden. Oder daran, dass sie später nicht allein um 6:15 Uhr aufstehen, um in die Schule zu gehen. Und die Eltern denken nicht an die Aufklärung. Schließlich lautet die übliche Nachfrage, wenn die frohe Kunde von der Schwangerschaft in die Welt getragen wird: "Habt ihr schon einen Namen?" "Wie wollt ihr das Kleine denn mal aufklären?" - das fragt niemand. Erst viel später und dann sehr unvermittelt werden Eltern doch zum Thema befragt: vom Kind.

Zum Beispiel in der U-Bahn. "Schau, Mama, wie dick die Frau da vorne ist", ruft das Kind (laut). "Psssst!", zischt die Mutter (mittelleise). "Wieso?", fragt das Kind (mittellaut). "Weil niemand gerne hört, dass er dick ist", flüstert die Mutter (sehr leise). Die Frau erhebt sich, jedenfalls versucht sie es. Langsam schiebt sie erst das linke Bein aus dem Sitz, rutscht mit der Hüfte nach, stützt sich mit der rechten Hand ab und zieht sich mit der linken hoch. Sie ist wirklich sehr dick, denn sie ist schwanger. "Ach", sagt die Mutter erleichtert (mittellaut), "die Frau hat ein Baby im Bauch, deshalb ist sie so dick." In einer anderen Situation würde das Kind nun der Mutter vorhalten, dass sie gerade selbst dick gesagt habe. Aber nicht jetzt. Das Kind sagt: "Wie ist das Baby in den Bauch gekommen?"

Wer jetzt zögert, und das macht jeder, weckt erst recht das Interesse des Kindes. Die Ausrede, "Das weiß ich auch nicht so genau", hilft vielleicht bei der Frage nach der Farbe des Himmels. Schließlich weiß das wirklich kein normaler Erwachsener so genau, entspricht also der Wahrheit. Doch beim Babybauch gelten Mütter als Experten, das kauft ihnen kein Kind ab. Wer noch hinterhersetzt: "Frag doch mal den Papa", riskiert einen ernsten Partnerschaftskonflikt und die Replik: "Das weiß die Mama in Wirklichkeit viel besser als ich." Also lieber gleich antworten.

"Wenn sich Mamas und Papas ganz doll liebhaben, dann (hüstel) wächst der Mama im Bauch manchmal ein Baby." Das Kind und der Rest der U-Bahn lauschen gespannt. "Und wenn der Moritz und ich uns ganz doll liebhaben, bekomme ich auch ein Baby?", fragt das Kind. "Nein, das geht nur bei Erwachsenen." "Aber du und Onkel Ulrich habt euch auch ganz lieb, bekommt ihr auch ein Baby?" "Nein, das geht nicht, Onkel Ulrich ist ja mein Bruder." "Warum geht das nicht?" Die Mutter schwitzt, die Fahrgäste schmunzeln, das Kind wartet auf Antwort: "Warum nicht?" "Wir müssen heute hier aussteigen", sagt die Mutter.

Wenn man Pech hat, wird einem die Wahl des Zeitpunktes und die Aufklärung an sich aus der Hand genommen. Von Kathrin, der Kindergärtnerin. Sie druckste nicht lange herum, sondern kam gleich zur Sache und erklärte einer Horde Vierjähriger, wie das so läuft zwischen Mann und Frau.

Am Abend werden die Eltern daheim von der Aufklärung eingeholt. Es trifft noch einmal die Mutter. "Mama, stell dir vor, die Kathrin hat uns heute was erzählt, das hat sie sich doch nur ausgedacht, also stell dir vor ...", setzt die Tochter aufgeregt an. Die Mutter holt abendmüde Zahnbürste und Becher aus dem Schrank. "... die Kathrin sagt, dass eine Frau nur ein Baby bekommt, wenn der Mann seinen Penis in die Scheide von der Frau steckt. Also echt, so einen Blödsinn erzählt die! Das stimmt doch nicht, oder?"

Der Mutter fällt die Zahnbürste unters Waschbecken. Ganz langsam bückt sie sich. Sucht die Zahnbürste. Hebt sie auf. Wäscht sie ab. "Mama, das stimmt doch nicht?"

"Also", sagt die Mutter, "eigentlich schon."

Das Mädchen fällt fast vom Klo. Es überlegt. "Das werde ich später mal nie, machen, nie!", presst es hervor. Dann fällt ihm ein, dass es ja eigentlich mal zehn Kinder haben will, mindestens. Es überlegt noch mal. "Oder", sagt es schließlich zögernd, "nur unter Narkose."

Expertentipps zur Erziehung: Wenn Kinder ihren Körper und ihre Sexualität entdecken, stehen Eltern vor der Frage: Wie konkret dürfen sie bei der Aufklärung von kleinen Kindern werden? Psychologin Helga Tolle über die richtigen Antworten bei schwierigen Fragen.

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