Kinder, der ganz normale Wahnsinn:"Schatz, du wirst ein Scheidungskind"

Lesezeit: 3 min

Erziehung Erziehungskolumne Kleinkind Kind

Gerade ist die Kinderwelt noch halbwegs heil und rosarot. Dann wollen die Eltern ein ernstes Gespräch über die Zukunft der Familie führen.

(Foto: J. Hosse)

Trennen ist schwer. Besonders für Eltern. Und mit am schwersten ist es, für diese Entscheidung auch noch die richtigen Worte zu finden: Wie sagen wir es nur dem Kind?

Eine Kolumne von Katja Schnitzler

Am Ende waren sich die Eltern nur noch in einem Punkt einig: So konnte es nicht weitergehen. So durfte es auch nicht weitergehen. Nicht für sie als Paar. Und auch nicht für ihren Sohn, den sie im vergangenen Jahr oft übermüdet und mit verweinten Augen im Kindergarten abgeliefert hatten. Übermüdet und verweint waren sie alle, hatte es am Abend doch Streit gegeben. Schon wieder.

Also Trennung, zuerst mal auf Zeit - obgleich sowohl Mutter als auch Vater insgeheim wussten, dass diese Zeit wohl nicht enden würde. Dass der Vater auszieht, darauf hatten sich die Eltern am zweiten Abend geeinigt - am ersten Abend waren sie wieder bei der Schuldfrage gelandet, hatten diese aber nicht klären können.

Dass er das Kind jedes zweite Wochenende sehen würde und jede zweite Woche an einem Werktag, darauf hatten sich die Eltern am vierten Abend erschöpft verständigt - am dritten Abend war erneut die Schuldfrage aufgekommen. Sie blieb weiterhin ungeklärt. Am fünften Tag sagten sie es ihrem Kind.

Es war ein Samstag. Die Eltern hatten einen besonders schönen Frühstückstisch gedeckt und Pfannkuchen gemacht, die mag der Sohn so gerne. Die Sonne schien auf den Tisch. Alles sah nach heiler Welt aus.

Der Sohn genoss es. Die Eltern wirkten zwar angespannt, das waren sie in jüngster Zeit fast immer. Aber heute stritten sie nicht, sondern warfen sich nur verstohlene Blicke zu, die er nicht deuten konnte. Dennoch war es ein wenig wie in seinen Bilderbüchern, in denen immer Vater-Mutter-Kind lächelnd gemeinsam am Tisch saßen. Er selbst aß oft nur gemeinsam mit der Mutter. Oder mit dem Vater. Selten mit beiden, und dann lächelte nur er. Wenn überhaupt.

Als die Mutter ein Glas Marmelade aus der Küche holte, eilte der Vater hinterher: "Der Kleine sieht so glücklich aus, wollen wir es ihm nicht erst heute Nachmittag sagen?", flüsterte er. Die Mutter blickte zum sonnenbeschienenen Tisch. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, davon wird es nicht leichter. Lass es uns hinter uns bringen. Nach dem nächsten Pfannkuchen." Die Miene des Vaters verfinsterte sich: "Kannst du nicht einmal ein wenig flexibler sein?"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema