Kinder - der ganz normale Wahnsinn:Kindergeburtstag? Ein Drama, Baby

Das Geburtstagskind ist entweder überdreht oder überfordert, die jungen Gäste ebenfalls und die Eltern versuchen sich als Animateure, Kellner, Tröster, Aufpasser, Streitschlichter und Dompteure. Es ist wieder Kindergeburtstag.

Katja Schnitzler

Es gibt einen Tag im Jahr, den alle Eltern fürchten. Sie werden nervöser, je näher er rückt. Und sind erleichtert, wenn er überstanden ist. Wer diesen Tag einmal überstanden hat, weiß, in einem Jahr kommt er wieder: der Kindergeburtstag.

Eines der großen Abenteuer im Familienleben, von den Kindern ersehnt, von den Erwachsenen zu Recht gefürchtet. Die Feier wäre kein Problem, wenn die Gäste nicht wären. Und das eigene Geburtstagskind noch dazu.

Dieses plant schon lange, gerne ein Jahr im Voraus, wer zum großen Fest kommen darf. Je nach momentaner Beliebtheit wird hinzugefügt und bei Streit wieder von der Gästeliste gestrichen, manchmal auch spontan und ohne Rücksprache eingeladen. Sogar der freundliche Obdachlose an der U-Bahn würde kommen, wäre die Wegbeschreibung des Kindes nicht etwas vage.

Diese Gästeliste bereitet den Eltern schlafarme Nächte, stöhnend wälzen sie sich im Bett und rufen: "Nein, nicht die ganze Klasse und die Fußballmannschaft noch dazu!" Aus dem Kinderzimmer antwortet es gespenstisch: "Vergiss nicht die zehn Nachbarskinder ..."

Der Vater albträumt von Fußbällen inmitten von Spiegel-, Gläser- und Fernseherscherben. Die Mutter hat Visionen von Nähten der Ledercouch, die unter den Sprüngen von zwanzig Trampolinspringern platzen. Nur Nervenstarke halten nach dem Aufwachen an dem Plan fest, den Kindergeburtstag in der eigenen Wohnung zu feiern.

Wenn die tatsächliche, aber immer noch raumsprengende Gästezahl in harten Verhandlungen bestimmt wurde ("Du mochtest Luis doch nie, der schlägt dich doch?", "Aber er sagt, dass er mich nicht mehr so oft haut, weil er jetzt mein Freund ist."), machen sich die Eltern an die Planung, schließlich ist es schon in zwei Monaten so weit. Das baldige Geburtstagskind ist währenddessen damit beschäftigt, die Feier mit Erwartungen zu überfrachten. Außer es ist dafür noch zu klein.

Denn übereifrige Eltern (von Einzelkindern) laden schon beim allerersten Geburtstag andere Kleinstkinder aus der Krabbelgruppe zur allerersten Kinderfeier ein. Süß! Oder?

Leider ist das Kleinkind überfordert, die krabbelnden und sabbernden Gäste auch. Geschenke, mit denen die Eltern aufdringlich vor dem Gesicht wedeln, wischt der Ein-Jahres-Zwerg knurrend beiseite und beißt lieber die fünfzig Luftballons kaputt, die den Wohnzimmerboden bedecken. Beim dritten Knallen heulen die Krabbelgruppen-Gäste und flüchten in den Schoß der jeweiligen Mutter. Es ist lauter als gedacht, und das den ganzen Nachmittag.

Fünf Minuten Chaos und es geht noch weiter

Also der erste Kindergeburtstag frühestens im Kindergartenalter? Auch da kann es Eltern passieren, dass ihre Dreijährige angesichts der hereinstürmenden Gästeschar beschließt, dass sie ihren Geburtstag doch nicht feiernswert findet: "Ich gehe jetzt ins Bett!" Die Kinderzimmertür knallt zu, sechs Dreijährige schauen fragend die Mutter an, die schaut fragend den Vater an, der schaut fragend die geschlossene Zimmertür an.

Doch Kinder sind offen für neue Erfahrungen und lernen schnell: Geburtstagsfeiern machen doch Spaß. Den Eltern, wenn sie bei anderen stattfinden. Den Kindern, wenn sie woanders stattfinden und sie sich darauf freuen, genau so etwas auch daheim zu erleben.

Außerdem schleppen sie einen Kilo-Sack Süßigkeiten mit nach Hause, der das Einhalten der strengen Naschregeln in den kommenden drei Wochen erschwert. Spätestens vor dem vierten Geburtstag verlangt der Nachwuchs vehement nach einer eigenen rauschenden Party, mit den Eltern als Animateuren, Kellnern, Tröstern, Aufpassern, Streitschlichtern und Dompteuren.

Also pädagogisch wertvoll feiern. Dazu gehört das erste Spiel gleich nach der Ankunft, um fremdelnde Gäste in Stimmung zu bringen.

Leider fremdelt nur ein Kind, der Rest der Horde ist überdreht, will gleich Kuchen essen, zwei setzen sich Richtung Kinderzimmer ab. Ein Junge hat den Saftbecher umgestoßen, der landet auf dem Boden. Weil der Junge zuvor den Deckel heruntergerissen hatte, der den Saft im Becher halten sollte, breitet sich eine klebrige Pfütze aus. Unfälle ziehen Gaffer an, ein Gaffer steht in der Pfütze. Während die Mutter trockene Socken für den Pfützen-Gaffer sucht, der Vater die Pfütze aufwischt, müssen die ersten drei auf die Toilette. Dringend. Alle gleichzeitig.

Das Geburtstagskind schmollt, es fühlt sich zu wenig beachtet und hat sich das alles ganz anders vorgestellt. Der Fremdler fremdelt weiter, und auch die Eltern fühlen sich wie im falschen Film. Auch sie hatten sich alles ganz anders vorgestellt. Fünf Minuten sind überstanden.

Schnell ein Spiel, aber wer fängt an? "Du darfst nicht zulassen, dass dir jemand die Führungsrolle abnimmt, sonst endet alles im Chaos", denkt die Mutter und sagt: "Ich bestimme, wer anfängt." Nein, sagt der Nachwuchs, er bestimme, er habe Geburtstag! "Ja", echot die Feiergemeinde, "so sei es, er bestimmt, er hat Geburtstag! Er ist der Bestimmer! Er darf alles bestimmen!" Das Kind bestimmt. Acht Minuten sind überstanden.

Es folgte noch eine Schnitzeljagd (ein Kind weint, weil es als Einziges nie einen Hinweis fand), Topfschlagen (getroffen wurden die Bodenvase, drei große Zehen und das Schienbein des Vaters), Essenschlacht (war eigentlich als Programmpunkt "gesittetes Kuchen verzehren" eingeplant), Tiere raten ("Nein, ein Tyrannosaurus Rex wird auch erkannt, wenn er sich nicht in die Beine der anderen verbeißt!"). Die Stimmung war heiter, kaum wolkig.

Selbst die Eltern wurden gelassener, vielleicht war es auch Fatalismus. Die gute Nachricht: Es geht vorbei - solange Sie daran gedacht haben, eine Abholzeit auf die Einladungskarte zu schreiben.

Die schlechte Nachricht: Es war nicht das letzte Mal.

Die Erziehungskolumne "Kinder - der ganz normale Wahnsinn" erscheint von nun an montags mitsamt Experten-Interview zum Thema:

"Tränen gehören beim Kindergeburtstag dazu", sagt der Autor und sechsfache Vater Georg Cadeggianini - ein Interview über Höhen und Tiefen bei der Feier mit Kindern - und wie man sie übersteht.

Tipps zur Planung, für die Einladungskarten sowie Rezepte und natürlich für Spiele, die Klein-, Kindergarten- und Schulkindern gefallen, finden Sie auf der Themenseite Kindergeburtstag.

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