Süddeutsche Zeitung

Keine Sondermarke für Helmut Kohl:Marken, Merkel und Motive

Warum Altkanzler Helmut Kohl noch keine Sonderbriefmarke bekommt - und welche Rolle Angela Merkel bei der Entscheidungsfindung gespielt hat.

Nico Fried

Der Bäckermeister und Konditor Ernst Hinsken aus Straubing gehört zu den wenigen Abgeordneten im Deutschen Bundestag, die gelegentlich durch unkonventionelle Unternehmungen auf sich aufmerksam machen.

Vor einigen Jahren, als noch Gerhard Schröder (SPD) regierte, wollte der CSU-Abgeordnete Hinsken einmal für alle Welt erkennbar machen, dass die Koalition aus SPD und Grünen das Land zum wirtschaftlichen Schlusslicht degradiert habe. Deshalb schwenkte er am Rednerpult im Bundestag eine rote Laterne, die er dem Kanzler als Geschenk überreichen wollte, was ihm allerdings vom amtierenden Parlamentspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) untersagt wurde.

Heute steht die Laterne im Bonner Haus der Geschichte, was einem Mann wie Hinsken durchaus angemessen ist, denn er hat Sinn für Historisches, wie er auch jetzt wieder bewiesen hat: Hinsken setzt sich nämlich seit längerem dafür ein, dass Helmut Kohl für seine Verdienste um die deutsche Einheit und aus Anlass seines 80. Geburtstages im April 2010 eine Sonderbriefmarke gewidmet wird.

Geschickt aus der Affäre gezogen

Wie Hinsken der Süddeutschen Zeitung bestätigte, lehnte das zuständige Finanzministerium unter Leitung von Peer Steinbrück das Ansinnen im Juni 2009 erstmals ab, unter anderem weil der Vorschlag zu spät ergangen sei. Steinbrücks Nachfolger Wolfgang Schäuble hingegen soll Hinsken bei dessen zweitem Anlauf ermuntert haben lassen, sich direkt an die Kanzlerin zu wenden. Damit hätte sich Schäuble, dessen gespanntes Verhältnis zu Helmut Kohl den Gedanken an eine Sonderbriefmarke nicht gerade aufzwingt, ziemlich geschickt aus der Affäre gezogen.

Angela Merkel wiederum, die der deutschen Einheit zwar die Möglichkeit verdankte, Bundeskanzlerin werden zu können, sich auf dem Weg dahin allerdings auch von Helmut Kohl distanzierte, diese Angela Merkel soll nun nein gesagt haben zu einer Sondermarke. Das klingt ein wenig herzlos und undankbar, zumal Merkel sich noch im jüngsten Bundestagswahlkampf auf Kohls Oggersheimer Terrasse nach dem Verspeisen von Mozzarella mit Tomaten und einem Stück Kuchen mit dem Alt-Kanzler fotografieren ließ, um auch die verbliebenen Kohlianer unter den CDU-Wählern zu mobilisieren.

Ausnahmen nur für den Papst und Eisbär Knut

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm beeilte sich mithin am Dienstag, dem Eindruck eines unfreundlichen Aktes der Kanzlerin zu widersprechen. Der Gang der Dinge war demnach der folgende: Das Finanzministerium, das die Sonderbriefmarken herausgibt, wird bei der Auswahl der Motive von einem Programmbeirat unterstützt. Diesem Gremium gehören 13 Personen aus dem öffentlichen Leben an, übrigens auch Hinsken. Später beurteilt ein Kunstbeirat auch noch die graphische Gestaltung der Marken, was im Fall Kohl aber keine Rolle spielt, weil es so weit ja nicht gekommen ist.

Aus zuletzt etwa 1200 Vorschlägen wählt der Programmbeirat gut 50 Motive aus, die jeweils in einer Auflage von 10 Millionen Stück erscheinen. Lebende Personen sollen nicht abgebildet werden. Eine Ausnahme war Papst Benedikt XVI. Die Bundespräsidenten, die früher abgebildet wurden, haben seit Richard von Weizsäcker auf diese Ehre verzichtet. Nachdem der Beirat wegen des verspäteten Vorschlags von Hinsken sich mit der Marke für Kohl nicht befasst hatte, verzichtete das Kanzleramt darauf, auf eine Ausnahme hinzuwirken. Eines der wenigen Lebewesen, das neben dem Papst schon zu Lebzeiten verewigt wurde, bleibt der Berliner Eisbär Knut.

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Quelle:
SZ vom 23.12.2009/bre
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