Kolumne: Meine Leidenschaft:"Kann ich jetzt essen?"

Kolumne: Meine Leidenschaft: Ein Becher voller Glück: Die Politikerin Katharina Schulze in einem Münchner Eiscafé.

Ein Becher voller Glück: Die Politikerin Katharina Schulze in einem Münchner Eiscafé.

(Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

Die Grünen-Politikerin Katharina Schulze ist bekannt für ihre Eisliebe, das brachte ihr sogar schon mal einen Shitstorm ein. Ihre Freude daran hat das aber nicht getrübt.

Von Kathrin Hollmer

Von Amarena bis Kurkuma-Hagebutte: An der langen Theke im Eiscafé Sarcletti am Münchner Rotkreuzplatz muss man sich zwischen mehr als 50 Sorten entscheiden. Kein Wunder also, dass Katharina Schulze hier Stammkundin ist. Sie liebt Eis. Eigentlich war ein Spaziergang geplant, doch bei zehn Grad und Nieselregen ist es im Café gemütlicher. Umso besser: Statt nur zwei Kugeln auf die Hand kann man dort einen ganzen Becher löffeln.

Die Politikerin weiß längst, welchen sie bestellt ("Viva Las Vegas", Vanille-, Stracciatella-, Erdbeer-, Zitronen- und Maracujaeis, garniert mit Bananenstücken, Schlagsahne, Schokostreuseln und Waffeln), trotzdem blättert die 37-Jährige in der Karte. "Ein Eisbecher sollte abwechslungsreich sein, dieser hat Milch- und Fruchteis. Stracciatella ist mein Lieblingseis, Zitrone und Maracuja sind schön frisch. Und der Schoko-Überzug - was gibt es Besseres?"

Man selbst bleibt zurück mit der großen Auswahl, Schulze geht direkt über in die Beratung: "Lieber fruchtig oder nussig-schokoladig?" Sie zeigt auf einen Eisbecher namens "Dead By Chocolate" aka "Der Himmel für Schokoholics". Gemeint sind fünf Sorten Schokoeis, Mousse au Chocolat, Schokokuchen und Pralinentopping. "Da ist eine Schokoladensorte dabei, die ist so richtig schokoladig", sagt sie. Sie blättert zurück zum "Coppa Bombastico" und liest vor: "Vom Besten das meiste. Der gigantische Eisgenuss mit 18 Kugeln." Schulze blickt auf. "Ich sitze immer hier und denke: Wann bestelle ich mir den? Man braucht ja große Ziele."

Eiscreme ist ein Eisbrecher, auch in der Politik

Ihre Eisliebe macht Schulze seit Jahren auf Instagram öffentlich: in der Waffel, im Becher, im Eiskaffee - #eisgehtimmer, schreibt sie dazu. Mit ihrem Team macht sie regelmäßig Eispausen, dann gehen sie mit einer Waffel in der Hand um den Block, bevor sie im Landtag weiterarbeiten. Wenn sie in Bayern unterwegs ist, führen sie die Mitglieder der Ortsverbände gern zur besten Eisdiele im Ort. Und während des Bundestagswahlkampfs im vergangenen Jahr diskutierte sie sogar in Eisdielen mit Bürgerinnen und Bürgern. Eiscreme ist eben ein Eisbrecher, auch in der Politik. "Wenn man fragt, welche Sorten die andere Person im Becher hat, ist man sofort im Gespräch", sagt sie. Schulze hat auch drei Bücher übers Eismachen im Regal, die sie geschenkt bekommen, aber bisher nur durchgeblättert hat. "Ich bin eine gute Esserin, aber eine sehr schlechte Köchin."

Der Kellner stellt nun den Las-Vegas-Eisbecher vor Katharina Schulze ab, die Waffeln reichen ihr bis zum Kinn. Der Fotograf freut sich über das eindrucksvolle Motiv, da sagt Schulze grinsend: "Aber ich ess' den schon auch." Und nachdem er die Kamera senkt, fragt sie sofort: "Kann ich jetzt essen?"

Vorteil in der Nebensaison: Keine Schlange steht zwischen Eishunger und Eisgenuss. Die Sarcletti-Schlange reicht im Sommer oft um den ganzen Block. Steht sie für Eis auch Schlange? "Na klar", sagt sie mit einem Stück Banane im Mund. "Ich scheue keine Mühen, um an Eis zu kommen. Ich kenne vom Anstehen alle Schaufenster auswendig." Das "Sarcletti" ist eine ihrer beiden Lieblingseisdielen, sie wohnt hier im Viertel. Die zweite ist das Eiscafé Riva in ihrer Heimat Herrsching am Ammersee. Als Kind holte sie sich dort mit ihrem Bruder oder ihren Freundinnen ein Eis, das sie dann an der Seepromenade aßen. Und am Zeugnistag spendierte ihre Mutter ihnen Eisbecher. "Meistens den Erdbeer-Jogurt-Becher. Den esse ich heute noch, wenn ich da bin."

Ihre Eisliebe teilt sie auch mit ihrem Mann, Danyal Bayaz, grüner Finanzminister in Baden-Württemberg. "Alles fing mit Eis essen an", schrieb er unter das Hochzeitsfoto auf Instagram. Mit ihren Gästen holten sie sich selbst am Hochzeitstag Kugeln aus dem Café Riva. "Er liebt Eis, das verbindet", sagt Schulze, mehr verrät sie nicht über ihre Beziehung. 2021 kam ihr gemeinsamer Sohn zur Welt, der durfte auch schon mal Eis probieren. "Die Regel, im ersten Jahr keinen Zucker, haben wir erfolgreich nicht geschafft", so Schulze. "Ich glaube, er dachte sich irgendwann, was essen die da die ganze Zeit, und wieso kriege ich nichts? Meistens bekommt er am Schluss die Waffel, das findet er auch gut."

"Wenn Kuchen oder Tiramisu als Nachtisch schon nicht mehr gehen - Eis geht immer."

Katharina Schulze redet schnell und viel, nicht nur im Landtag, wo ihre direkte Art geschätzt wie gefürchtet ist. Oft wendet sie sich direkt an Ministerpräsident Markus Söder. Etwa, als er sich im Herbst 2021 in einer Regierungserklärung überrascht von der vierten Corona-Welle gab, obwohl Experten davor gewarnt hatten ("Ich lasse Sie damit nicht durchkommen, Herr Söder!"). Oder wenn es um den Erzieher- und Lehrkräftemangel geht ("Haben Sie schon jemals von dem Ministerpräsidenten zu dem Thema Substanzielles gehört?").

Auch über Eis kann sie aus dem Stand referieren. "Eis ist deswegen so großartig, weil es so eine gute Konsistenz hat. Selbst wenn man mega viel gegessen hat, wenn Kuchen oder Tiramisu als Nachtisch nicht mehr gehen: Eis geht immer", setzt sie zu einer Laudatio an. "Erst ist es kalt, dann wird es warm, es gibt unzählige Sorten, da ist für jeden etwas dabei, sogar verrückte Sorten wie Leberwurst-Eis." Schon mal probiert? "Weißwurst", sagt Schulze. "Ich bin mehr für die Klassiker, aber finde es cool, dass jemand so was ausprobiert. Es ist wie mit dem Schlumpf-Eis. Das ist lustig, weil man davon eine blaue Zunge bekommt, aber ich muss es nicht jedes Mal haben."

Kolumne: Meine Leidenschaft: Bitte kurz warten mit dem Essen fürs Foto, dann darf der Eisbecher "Viva Las Vegas" verspeist werden.

Bitte kurz warten mit dem Essen fürs Foto, dann darf der Eisbecher "Viva Las Vegas" verspeist werden.

(Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

Normalerweise bestellt sie zwei Kugeln, Stracciatella und eine "Überraschungskugel" zum Ausprobieren, zu besonderen Anlässen auch mal drei. "Manchmal ist es zu stressig, oder ich komme nicht an einer Eisquelle vorbei, aber wenn ich jeden Tag die Möglichkeit hätte, Eis zu essen, würde ich nicht Nein sagen." In Neuhausen läuft sie mit ihrer Eiswaffel gern Richtung Nymphenburger Kanal. "Bis ich dort bin, ist das Eis meist schon aufgegessen." In der Regel bestellt sie in der Waffel, manchmal gibt es aber auch nur Becher.

Vor fast vier Jahren löste sie damit einen Shitstorm aus: Anfang Januar 2019 postete sie ein Foto, auf dem sie einen Eisbecher in die Kamera hält: aus Pappe, mit einem Plastiklöffel, im Urlaub in Kalifornien. In den Kommentaren: wütende Beschimpfungen auf die "grüne Doppelmoral", Beleidigungen, Hass. "Ein Skandal, ja", sagt Schulze und lacht. "Hat sehr gut geschmeckt, und der Shitstorm hat meine Eisliebe nicht getrübt. Ich esse weiterhin Eis, ab und zu aus dem Becher und, oh Gott, manchmal mit einem Plastiklöffel, wenn nichts anderes da ist." Eis ist eben auch politisch. Immerhin: Seit Juli 2021 gibt es ein EU-weites Verbot für Einwegplastikprodukte. Restbestände werden noch verbraucht, viele Eisdielen reichen bereits Löffel aus Maisstärke.

Den Food-Content kann man ja nicht Markus Söder überlassen

Werden die Grünen besonders streng beobachtet? "Ich glaube, es liegt auch daran, dass ich eine Frau bin. Es gibt Studien, die belegen, dass Frauen, queere Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte und diejenigen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit und Geflüchtete einsetzen, viel stärker von Hass und Hetze im Netz betroffen sind." Politikerinnen wie Katharina Schulze werden nicht nur nach Inhalten beurteilt, sondern auch nach Social-Media-Posts, Aussehen, Outfits. "Ich kann Eis-Selfies machen, Katzenfotos posten und trotzdem seriöse Innenpolitik machen." Außerdem kann man ja Markus Söder nicht den ganzen Food-Content überlassen. "Ich habe damit angefangen", sagt Schulze.

Der Eisbecher ist inzwischen leer. Beim Rausgehen fotografiert Schulze noch schnell die Auswahl in der Theke, weil sie, vertieft ins Gespräch und Eis, vergessen hat, ein Foto davon zu machen. Der Mann hinter dem Tresen freut sich. "Ich kenne Sie, Sie essen gern Eis", sagt er. Schulze lacht. "Ich sage ja, als Stammkundin kennt man mich hier."

Keine Leidenschaft ohne Zubehör. Diese drei Dinge hat Katharina Schulze beim Eisessen dabei:

Die "Eiscard"

Kolumne: Meine Leidenschaft: Wer viel Eis isst, holt sich eine Treuekarte - dann wird es irgendwann günstiger.

Wer viel Eis isst, holt sich eine Treuekarte - dann wird es irgendwann günstiger.

(Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

"Das ist eine Art Treuekarte, die ich als Stammkundin natürlich immer im Geldbeutel habe. Das ist eine Wertkarte, die man kauft und mit der man dann pro Kugel weniger zahlt. Jede Kugel wird abgestempelt, von 30 habe ich noch eine frei. Wann ich die Karte gekauft habe, weiß ich nicht mehr. Ist aber noch nicht so lange her."

Das Smartphone

Kolumne: Meine Leidenschaft: Kein Eis ohne Dokumentation: Ihre Becher-Wahl führt Schulze regelmäßig auf Instagram vor.

Kein Eis ohne Dokumentation: Ihre Becher-Wahl führt Schulze regelmäßig auf Instagram vor.

(Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

"Mein Handy ist mein Arbeitsgerät, meine Kamera, damit kommuniziere ich und nutze es, um von A nach B zu kommen. Und natürlich mache ich damit auch meine Eis-Selfies. Heute habe ich vor lauter Reden wieder nicht dran gedacht, jetzt ist der Eisbecher schon inhaliert. Ich mache aber auch nicht jedes Mal ein Foto, sonst würde mein Bruder wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Der ist Sportler und eh der Meinung, ich esse zu viel Süßes."

Die Handschuhe

Kolumne: Meine Leidenschaft: Eis essen auch im Winter? Kein Problem - mit den Handschuhen von Schulze.

Eis essen auch im Winter? Kein Problem - mit den Handschuhen von Schulze.

(Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

"Beim Radeln ist es jetzt schon ein bisschen kühler, darum habe ich die Handschuhe dabei - auch beim Eisessen sind sie sehr praktisch. Für ein Eis ist es nie zu kalt. Wenn ich mir zwei Kugeln hole, stecke ich eine Hand in die Jackentasche, die andere ist im Handschuh, so kann ich auch im Winter Eis essen, ohne dass ich kalte Finger bekomme."

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