Karneval in Berlin:Wer soll das bezahlen?

Karmeval in Köln

Köln platzt fast zu Karneval - in Berlin ist das anders.

(Foto: dpa)

Während in Köln die Hölle tobt, entlockt der Karnevalsstart den Münchnern und Hamburgern kaum mehr als ein müdes Lächeln. In Berlin soll der Karnevalszug diesmal ganz ausfallen - weil das Geld fehlt. Doch es gibt einen Ort in der Hauptstadt, an dem zumindest am 11.11. ausgiebig gebützt und gefeiert wird. Da, wo die Rheinländer sind.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Die StäV ist oft schon am Mittag voll besetzt. Das mag daran liegen, dass es hier kühles Kölsch und günstigen rheinischen Mittagstisch gibt, wegen der großen Nachfrage immer frisch und wegen der vielen Gäste meist in schwungvoller Atmosphäre zu genießen. Doch es liegt zu einem großen Teil auch daran, dass die mit dem Umzug des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin mitgereisten Rheinländer hier, mitten in Berlin, ein Stück Heimat wiederfinden.

Bier aus Reagenzgläsern, gebratene Blutwurst, kölscher Witz und rheinische Frohnatur, all das ist den Großstadtberlinern sonst eher fremd. In der "Ständigen Vertretung", dem kölschen Lokal hinter dem Bahnhof Friedrichstraße, darf der guten Laune hingegen ausgiebig gefrönt werden.

Gute Laune vs. Geldmangel

Wie also hat man sich einen Karnevalsstart in der Hauptstadt vorzustellen, am 11.11., dem traditionellen Beginn der Karnevalssession? Während die kölsche Innenstadt vor Jecken fast platzt, ließ der Berliner Karnevalsprinz vor wenigen Tagen verkünden, dass der Hauptstadt-Karnevalsumzug im März diesmal ausfallen müsse, wegen Geldmangel. Eine Feier zum Sessionsstart gibt es dennoch: Man muss sich nur in die StäV begeben, beziehungsweise dorthin, wo deren Karnevalsparty wegen des großen Andrangs stattfindet, in die Kulturbrauerei.

Was auffällt: Während in Köln schon am Morgen die Straßen und Plätze so voll mit feierfreudigen Jecken sind, dass ungläubige Touristen Twitterbilder von verstopften Altstadtgassen um die Welt schicken, geht man es in Berlin gemächlicher an. Hier hat sich, im Gegensatz zum Rheinland, niemand extra frei genommen. Man schlüpft erst am Abend nach getaner Arbeit in Teufelchenkostüm oder Kapitänstracht und findet sich an einem Ort ein, an dem es nichts zu essen und eigentlich nur ein Getränk gibt.

Karneval StäV

Trendkostüm Putzfrau: Karneval in der "Ständigen Vertretung".

(Foto: StäV)

Es ist immer wieder müßig, einem Nicht-Rheinländer die durchaus faszinierende Welt des Karnevals erklären zu müssen. Das Beste ist meist, er begibt sich einfach selbst hinein. Und in der Tat: Die wenigen Gäste, die vorher nicht wussten, was sie erwartet, und die teils ängstlich, teils angewidert, die erste Stunde an diesem Abend in Schockstarre am Rande der Veranstaltung verbringen - sie sind am Ende diejenigen, die gar nicht mehr gehen wollen. Weil es dann doch so gemütlich ist und weil man so nette Leute kennenlernt.

Anfangs konzentriert sich die Narrenmasse um die Bar im Erdgeschoss, später weitet sich die Meute Feierwütiger in den üblichen Polonaisen und Verbrüderungstänzchen über die Tanzfläche ins Obergeschoss, wo dann richtig die rheinische Luzie abgeht. Der Scheich balzt mit dem Matrosen, das Bärbelchen wanzt sich an den Axtmörder ran, in den Ecken hocken Clowns, die Barfrau im 20er-Jahre-Diva-Look kommt kaum mit dem Auffüllen der Schaumkronen nach, der DJ spielt immer mehr melancholische Karnevalslieder. Doch welche Musik hier gespielt wird, ist den Narren egal. Hauptsache, es wird tüchtig gefeiert.

Glitzer um die Augen und ein keckes Hütchen

Diesen steten Drang zur guten Laune kennt man in Berlin so nicht. Weshalb später in der Nacht, wenn vor dem Club gegenüber junge Männer in gedeckten Farben möglichst unauffällig und betont cool Schlange stehen, niemand von ihnen Verständnis für das bunte Treiben hat. "Karneval? Das ist doch was für Rentner, oder?"

Auch. Aber die Kölner, die an diesem Abend ihrem heimatlichen Brauch frönen, sind eher jung und vor allem weiblich. Sie haben sich nicht ganz so aufwändig und liebevoll verkleidet wie das in der Karnevalsmetropole Köln monatelang vorbereitet wird. Doch die beiden jungen Damen, die sich auf der Toilette noch schnell Glitzer um die Augen pudern und ein keckes Hütchen aufgesetzt haben, hatten auch nicht viel erwartet. Die Rheinländerinnen sind eher erstaunt, dass diese Party sie überhaupt an ihre Heimat erinnert: "Normalerweise kennen die das ja gar nicht, diese Art des Karnevals."

Stimmt. Die Berliner Jecken sind eher in industriell gefertigten Kuhkostümen erschienen, mit denen sie auch das Oktoberfest in München besuchen würden. Oder in Putzfrauenoutfits. Aber das macht nichts. Die Schwingungen des Rheinlands, sie greifen spätestens im zweiten Teil des Abends um sich, bierselig und feierfreudig.

Trauer um den Karnevalszug

"Als ich erfahren habe, dass wir in Berlin diesmal gar keinen Zug haben, dachte ich, dann muss ich wenigstens hierhin gehen", erzählt die Berlinerin Margot Schwarz. Sie sei "positiv überrascht", dass das "hier so abgehe". "Die Kölner feiern eben doch anders."

Die Berliner hingegen, sie werden in dieser Karnevalssession nicht öffentlich feiern. Zwar säumten in den vergangenen Jahren auch in der Hauptstadt bis zu eine Million Menschen den Wegesrand, wenn die Jecken gen Frühling auszogen, um den Winter zu vertreiben. Doch im Gegensatz zum Karneval der Kulturen wird der klassische Karneval nicht vom Senat unterstützt. Weshalb den Jecken um Prinz Eddi I. und Prinzessin Katharina I., die am Abend des 11.11. einen kurzen Durchmarsch mit Gefolge auf der StäV-Party üben, die Sause im Frühjahr diesmal einfach zu teuer ist. Zusätzlich zu den etwa 30.000 Euro für Kamelle, die unters Volk gebracht werden wollen, müssten die in Berlin ansässigen 22 Karnevalsvereine mit ihren 3000 Mitgliedern noch einmal etwa 30.000 Euro für Straßenreinigung, Verkehrsplanung, Absperrung etc. aufbringen. "Wer soll das bezahlen", eins der beliebtesten Karnevalslieder im Rheinischen, wird hier Programm.

Harald Grunert, Chef der StäV, ist deshalb schon im vergangenen Jahr aus dem Berliner Umzug ausgestiegen. Der Bild-Zeitung sagte er dazu: "Alles hat seine Zeit. Die Sponsoren sind weggefallen. Die Vereine haben Nachwuchssorgen. Viele zugezogene Rheinländer sind wieder zurückgezogen."

Und ohne die Rheinländer scheint es eben nicht so richtig zu klappen mit dem Karneval. Nicht nur, weil alles seine Zeit hat, wie Grunert sagt. Sondern auch, weil jeder Jeck anders ist, wie der Kölner sagt. Und dass der Kölner definitiv anders ist als der Berliner (oder der Hamburger oder gar der Münchner), das lässt sich zur Karnevalszeit wohl am besten ablesen.

Als hätte Theodor Storm im 19. Jahrhundert die Berliner Karnevalskrise schon vorausgeahnt, dichtete er einst:

O wär im Februar doch auch, // Wie's ander Orten ist der Brauch // Bei uns die Narrheit zünftig! // Denn wer, so lang das Jahr sich mißt, // Nicht einmal herzlich närrisch ist, // Wie wäre der zu andrer Frist // Wohl jemals ganz vernünftig.

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