Kapitalismuskritik:Seyferth zahlt sich selbst ein Grundeinkommen

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Von seinem zweiten Job hat er sich vor einiger Zeit getrennt. Weil ihre Flugblätter kaum jemand interessierten, ließen er und seine Freunde politische Botschaften jahrelang auf Bierflaschen drucken. Die "Saufen gegen rechts"-Flaschen von "Pogorausch" waren in der Punkszene beliebt, erzählt er. Aus den Miesen kamen sie trotzdem nicht. Stattdessen investierte Seyferth viel Geld. Bis es nicht mehr ging.

Die Politik hat er schon vorher aufgegeben. Das Lügen gefiel ihm nicht - auch nicht im Namen der Satirepartei APPD. Dazu ist Peter Seyferth seine Kritik zu ernst. Aus dem Politiker ist ein Einzelkämpfer geworden, aus dem Systemkritiker einer, der sich im System eingerichtet hat. Im Moment funktioniert das. Im Moment zahlt sich Seyferth selbst ein Grundeinkommen vom Erbe, das seine Eltern ihm hinterlassen haben.

Und wenn das aufgebraucht ist? Er zuckt die Schultern. Eine Lösung für das Dilemma zwischen seinen Überzeugungen und den Zwängen des Systems hat auch er nicht. Dafür viele Zweifel. Zweifel, ob der Kapitalismus wirklich so unvermeidbar ist, wie viele glauben. Zweifel, warum wir uns gerade in der Arbeit so eifrig disziplinieren, unterwerfen und verbiegen. Zweifel, warum in einem der reichsten Länder der Welt die Bürger zur Lohnarbeit gezwungen werden.

Seine Kapitalismuskritik ist nicht neu und doch passt Seyferth mit seinen Ansichten in unsere Zeit. Zur Generation Y, die bereit ist, alles für die Arbeit zu tun. Und in der gleichzeitig immer mehr Menschen auf eine Karriere verzichten und stattdessen den Sinn am Arbeitsplatz suchen.

Taugt Peter Seyferth also womöglich gar als Vorbild? Oder ist das, was er tut, nur eine speziellere Form der Selbstausbeutung? Oder der Selbsttäuschung? "Ich bin genauso ein ausgebeuteter und prekärer Trottel wie die anderen, arbeite für mieseste Bezahlung, bewerbe mich für Stellen, mache Werbung für die Ware Doktor Peter Seyferth", sagt er. Auf der einen Seite. Auf der anderen ist er stolz darauf, dass er sich nicht verbiegen lässt. Dass er verzichtet. Auf Karriere, sogar auf eine angemessene Bezahlung. Dass er stattdessen das tut, was er für sinnvoll hält. Und dass er das nicht für Arbeit hält. Ein Luxus, den er sich mit seinem Erbe leisten kann.

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