Süddeutsche Zeitung

Kampagne gegen "Phubbing":Leute, die auf Handys starren

Mit der Verbreitung von Smartphones und mobilem Internet hat sich in den vergangenen Jahren eine Unsitte auf der ganzen Welt breitgemacht: "Phubbing", das Lesen und Herumtippen auf dem Handydisplay, während man eigentlich mit anderen Menschen sprechen sollte.

Von Christina Metallinos

Die letzten Statusupdates der Facebookfreunde, die neuesten Eilmeldungen aus aller Welt oder die SMS vom Partner - ständig erscheinen neue Nachrichten auf dem Display des Smartphones. Vielleicht sind diese interessanter als der Smalltalk bei Tisch, den man gerade über sich ergehen lassen muss. Doch ist das auch ein Grund, alle fünf Minuten auf den Bildschirm zu sehen oder sich gar während eines Gesprächs lieber mit dem Handy als mit dem Gegenüber zu beschäftigen? Definitiv nicht, sagt Alex Heigh. Der Student aus Melbourne hat die Initiative "Stop Phubbing" gegründet und macht damit auf einen gesellschaftlichen Sittenverfall aufmerksam, den es überall gibt, wo sich Smartphones in der Bevölkerung verbreiten.

Das Kunstwort "Phubbing" besteht aus den Worten "phone" und "snubbing", also vor den Kopf stoßen. "Wir alle haben schon einmal den Moment erlebt, wenn wir mit Freunden unterwegs sind, dass die ihre Handys zücken und man auf einmal weniger interessant ist als das, was sie auf ihren Handys lesen", sagt Alex Haigh im Interview mit dem australischen Radiosender NovaFM.

Für seine Kampagne hat sich Haigh eine Werbeagentur gesucht, die mit ihm gemeinsam die Webseite stopphubbing.com ins Leben gerufen hat. Dort finden sich jede Menge satirische Statistiken über das Phubbing-Verhalten auf der Welt ("Wenn Phubbing eine Plage wäre, würde es sechsmal China dahinraffen"), aber auch Anti-Phubbing-Plakate zum Downloaden. Darauf stehen dann Sätze wie "Während Sie ihren Status updaten, bedienen wir gerne die höfliche Person, die hinter Ihnen sitzt" oder "Behalte dein Handy in der Hosentasche und führe ein Gespräch in der realen Welt".

Um den Phubbern im eigenen Umfeld endlich Einhalt zu gebieten, bietet die Kampagne eine vorformulierte E-Mail an, in die man nur noch den Namen und die letzte Phubbing-Situation eintragen muss. Abschicken und schon weiß der Phubber vom letzten Wochenende, wie sehr den Absender sein Verhalten geärgert hat.

Phubber am Pranger

Für die "Phubbing Hall of Shame" soll man außerdem Phubber knipsen und auf die Seite hochladen. Skrupel? Aber nicht doch! "Halte dich nicht zurück, denn du weißt: Sie tun es auch nicht", heißt es auf der Webseite. Immerhin lassen einen Phubber im Restaurant hängen und reden lieber mit einem virtuellen Freund, damit die Zeit schneller vergeht. Deshalb der Aufruf: "Sei brutal! Es ist der einzige Weg, Phubbing für alle Zeiten zu stoppen. Und vergiss nicht: Du tust ihnen einen Gefallen damit."

Knapp ein Jahr ist es her, dass Haigh "Stop Phubbing" begründet hat - seit vor einigen Tagen Medien wie das Time Magazine oder die BBC auf die Kampagne aufmerksam geworden sind, verbreitet sich die Idee viral. Unter der Last der vielen Zugriffe brach die Webseite vor wenigen Tagen vorübergehend zusammen. Auf der Facebookseite gibt es Zuspruch von Nutzern auf der ganzen Welt. "So ignorante Menschen, besonders bei Familienfeiern. Das regt mich wirklich auf!", schreibt eine Nutzerin, eine anderer schreibt: "Wie wahr. Viel zu viele Leute lassen uns wissen, dass sie gerade Kaffee trinken oder was sie essen, während sie einem wahrscheinlich jemandem gegenübersitzen und darauf warten, wie viele Likes sie bekommen."

Hinzu kamen mehrere Phubbing-Fehltritte, die es zuletzt in die Schlagzeilen schafften. Anfang Juli weigerte sich etwa eine britische Supermarktmitarbeiterin, die Ware einer Kundin abzukassieren, während diese mit ihrem Handy telefonierte. Und bei ihrem Konzert in Atlanta vor vier Wochen schimpfte Sängerin Beyoncé einen Fan aus dem Publikum. Als sie ihm ihr Mikrofon hinhielt, damit dieser mitsingen konnte, vergeigte er es. Er hatte das Konzert zuvor lieber mit dem Handy gefilmt. "Du kannst nicht einmal mitsingen, weil du zu beschäftigt bist, das aufzunehmen", sagte Beyoncé, "Ich stehe direkt vor dir, Baby, du musst den Moment nutzen. Nimm diese verdammte Kamera runter!"

Offenbar ist also nicht nur Alex Haigh genervt vom vielen "Phubbing". Bleibt zu hoffen, dass sich das Verhalten der Smartphonenutzer endlich ändert. Vielleicht hat aber auch langsames Internet à la Drosselkom einen positiven Nebeneffekt: In Indien wird dem "Phubbing" durch langsames Internet ganz schnell ein Ende bereitet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1742662
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/cam/leja
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.