Kalender 2016:Kalender zeigt Wege zum Kind

Kalender 2016

Deckblatt des Kalenders: "12 Wege zum kindlichen Glück"

(Foto: Ina Gercke)

Mann und Frau wünschen sich ein Kind, haben Sex und bekommen ein Baby. So kann es laufen - aber auch ganz anders, wie ein Kalender für das Jahr 2016 illustriert.

Von Barbara Vorsamer

Der Wegweiser verwirrt den Klapperstorch. Links geht es zur Adoption, zur "Cryokonservierung" oder auch einfach Richtung "Ups!". Nach rechts weisen Schilder, auf denen In-Vitro-Fertilisation, Homosexualität und One-Night-Stand steht. So kommen die Menschen heute zu Kindern?

Das ist das Thema des Kalenders "12 Wege zum kindlichen Glück" von Maya Fehling und Ina Gercke. "Es gibt heutzutage zahlreiche Möglichkeiten, ein Kind zu bekommen", sagt Fehling. Viele davon seien aber in Deutschland immer noch tabuisiert. Mit ihrem Kalender hofft die Berlinerin, etwas zur öffentlichen Diskussion über das Kinderkriegen beitragen zu können.

Sie erzählt darin auch ihre eigene Geschichte. Die Ärztin ist eine von wenigen hundert deutschen Frauen jährlich, die sich für "Social Freezing" entscheiden. Sie hat 13 ihrer Eizellen einfrieren lassen - "als Gewissensabsicherung", wie sie sagt. Diese Methode kommt bislang hauptsächlich zum Einsatz, wenn Frauen aufgrund einer Chemotherapie um ihre Fruchtbarkeit fürchten. In diesen Fällen spricht man von "Medical Freezing". Seit bekannte Firmen wie Facebook und Apple ihren Mitarbeiterinnen in den USA aber auch ohne medizinische Indikation das Einfrieren ihrer Eizellen finanzieren, ist die Methode in Deutschland bekannt - und umstritten.

"Vielleicht ist es wirklich schöner, als junge Frau den richtigen Partner kennenzulernen und auf natürlichem Wege Mutter zu werden", sagt Fehling. "Aber so, wie wir heute leben und lieben, ist das nicht allen vergönnt. Der Kinderwunsch ist jedoch ein ganz natürliches Bedürfnis, daher finde ich es akzeptabel, sich das auf alle erdenklichen Weisen zu erfüllen. Wir sollten aufhören, die verschiedenen Wege zum Kind als unterschiedlich wertvoll zu betrachten."

Im Kalender erzählt die 35-Jährige zwölf ungewöhnliche Geschichten und kommt dabei den Protagonisten sehr nahe. Eine Studentin, die nach einem Tinder-Blind-Date mit nachfolgendem One-Night-Stand ein Kind bekommt. Eine Frau, die von einem manisch-depressiven Mann schwanger wird. Ein unfruchtbares Paar, das in den USA Zwillinge von einer schwarzen Leihmutter austragen lässt.

Die humorvollen Zeichnungen stammen von der Schauspielerin und Illustratorin Ina Gercke. Auch sie erzählt im Kalender von ihrem Weg zum Kind. Sie wurde mit 17 schwanger, brach die Schule ab und bekam das Kind. Jetzt ist ihre Tochter 17. Gerckes Schilderung ist eines von drei Beispielen aus dem Kalender, die wir mit freundlicher Genehmigung der Urheberinnen auf SZ.de präsentieren.

Wege zum kindlichen Glück: Leihmutterschaft

Monat März: "§ 1591 BGB"

"Als die beiden herausfanden, dass sie keine Kinder haben können, änderte sich vieles in ihrer Welt. Sie wünschten sich ein Kind, um ihrem langjährigen Glück eine neue Dimension zu geben. Aber es sollte nicht sein - nicht auf "natürlichem" Wege.

Für manche Paare mag dies eine Zeit des Konflikts, der Schuldzuweisung oder Enttäuschung sein, nicht für dieses. Es war eine schwierige Zeit, die sie noch enger zusammenbrachte. Sie wussten, sie könnten auch ohne Kinder glücklich werden, aber wenn es irgendwie, irgendwo eine Möglichkeit gab, dann wollten sie es versuchen. Es war ihre Gebärmutter, die nicht gebärfreudig war. Ihren Eiern und seinen Spermien ging es bestens.

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Wer ist die Mutter?

(Foto: Ina Gercke)

Anfangs sprachen sie noch mit Freunden und Familie über ihre Sorgen und Hoffnungen, dann weniger. Nie geahnte Tabus, Vorurteile und Haltungen kamen von Seiten engster Freunde und Familie. Es schien leichter verständlich und weniger verwerflich, einen 80-Jährigen mit Maschinen am Vegetieren zu halten, als durch Pipettieren und kleine operative Eingriffe neues Leben zu schaffen.

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten schien toleranter, jedenfalls gegen ein Schmerzensgeld von $120 000. Schwieriger war die Wahl der Frau, die über Monate hinweg einen Kuckuck liebevoll behandeln sollte, um ihn dann doch am Ende aus dem Nest zu entlassen.

Die Wahl fiel auf eine afroamerikanische Röntgenassistentin, 25 Jahre alt, zwei eigene Kinder. Sie flogen über den Ozean und verstanden sich auf Anhieb gut mit der Gebärmutterleihenden. Eier und Spermien wurden entnommen und vermischt. "Should we insert one or two embryos?", fragte der Arzt. Sie blickten sich an: "Wenn wir schon mal hier sind ...? "Buy one, get one free!"

Die weißen Zellbündel wurden in den schwarzen Uterus eingesetzt. Zehn Monate später flogen Vier vom Kuckucksnest über den Atlantik. Zwei davon Amerikaner. "In ihrem Bauch wart ihr!", sagen sie, wenn sie ihren Kindern das Bild der Leihmutter zeigen. Das Gesetz hält sie nicht für die Eltern, die Kids wissen es besser."

Text: Maya Fehling, Illustration: Ina Gercke

Wege zum kindlichen Glück: Mutter mit 17

Monat Juni: "17+17=34"

"Es war ihr erster "richtiger" Freund. Also mehr als Flaschendrehen, mehr als Liebesbriefe unter Schulbänken durchschieben, mehr als Händchenhalten, mehr als "ja" ankreuzen. So "richtig" eben, mit Schmetterlingen und Herzrasen, mit Knutschen auf dem Schulhof. Mit Zunge. Er hatte sich verliebt in ihr Sonnenstrahlen-Lachen, in ihre Dreadlocks, die er Wursthaare nannte, um sie zu ärgern.

Sie hatte sich verliebt in seine weiche Stimme und sein Punkrock-Outfit mit der zerschlissenen Jeansjacke, auf die er in mühsamer Handarbeit Stofffetzen seiner Lieblingsbands genäht hatte. Sie schwänzten den Bio-LK und fuhren an den See. Freie Natur, freie Körper, freie Liebe. Er hatte schon mal, sie nicht. Es kam wie es kommen musste - zumindest er. Das Kondom für alle Fälle blieb auf alle Fälle im Geldbeutel.

Der Test aus der Apotheke sagte nein, das Bauchgefühl ja und die Frauenärztin bestätigte den Bauch auch. Sie waren schwanger und wollten es behalten. Abitur wurde egal und abgebrochen. Sie zogen zusammen, zogen ein Jahr gemeinsam Windeln und Strumpfhosen über kleine Beinchen - dann zog er wieder aus.

Sie improvisierte und jonglierte mit ihrer kleinen Tochter, Schauspielschule, Eltern-Geld, babysittenden Freunden, jobben und joggen, Kita, neuer Liebe, Schule, Trennung, WG mit Kind - mal Märchenhütte, mal Hexenkessel.

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Oma mit 34?

(Foto: Ina Gercke)

Er gründete eine neue Familie und blieb stets in der Nähe seiner Tochter. Bei der Vorstellung Mama und Papa waren einst ein Paar, hält sich die Tochter heute den Bauch vor Lachen, auch sie und er lachen herzlich. So vieles hat sich verändert, seit sie den Bauch gehalten hatten - vor 17 Jahren. Welten liegen dazwischen, jedenfalls die ihrer Tochter.

Ein neuer Frühling naht und mit ihm Abitur und Schmetterlinge. Sie und ihre Tochter sind verliebt. Für die eine die erste große Liebe, der erste Sex. Same same but different. Sie sieht ihrer Tochter nach, den Band-Namen auf seinem T-Shirt kennt sie nicht. Die Tochter dreht sich noch einmal um und wirft ihr Sonnenstrahlen entgegen. Sie wirft zurück: "Oma mit 34 fänd' ich gut!"

Text: Maya Fehling, Illustration: Ina Gercke

Wege zum kindlichen Glück: Eizellen einfrieren

Monat Dezember: "Faul(end)e Eier"

"Sie mochte Kinder, wollte früher sogar Kinderärztin werden. Aber es hatte sich noch nicht ergeben. Dazwischen kam das Leben, der Beruf, die Welt bereisen. Andere bekamen Kinder. Exfreunde. Freundinnen. Ungewollt. Gewollt. Ungewollt gewollt. Aus Freundinnen wurden Mütter, aus Müttern Exfreundinnen. Sie liebte ihre Freiheit, um die sie einige beneideten.

Ihre Mutter hatte sie stets zur Unabhängigkeit erzogen. Mit 16 zu Hause raus, mit 19 alleine durch Afrika, und mit Mitte 30 wurzellos glücklich ... jedenfalls nicht unglücklich. Sie konnte sich ein Leben mit, aber auch ohne Kinder vorstellen.

Aber wie wird es in einigen Jahren sein? Braucht sie dann vielleicht ein Kind, um nicht unglücklich zu sein? Ab 30 sinkt die Fruchtbarkeit der Eier rapide, es sei denn man konserviert sie. Vielleicht ließ der richtige Prinz ja noch lange auf sich warten? Zu lange? - Tiefkühleier für das Gewissen.

Der Frauenarzt und Kinderwunsch-Experte analysierte die Ergebnisse des Ultraschalls: "Leider altersgemäß." Leider?! - "Naja, fünf vor zwölf", sagt er. Für wen hält der sich eigentlich? Sie hatte Lust, zu gehen, aber sie blieb.

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Alles kann. Nichts muss.

(Foto: Ina Gercke)

Zwischen Hormonspritzen und Punktion lernte sie ihn kennen. Und seine zwei Kinder, sechs und neun. Während sie Karriere gemacht hatte und ein Ei nach dem anderen hatte ablaufen lassen, hatte er die Eier, Karriere als Vater zu machen. Man kann es drehen und wenden, es ist was es ist: 69.

Will er noch mehr Kinder? - Gerade nicht. Will sie noch mehr Kinder? - Gerade nicht. Alles kann, nichts muss. "Wir haben ja noch Zeit dank deiner hinterlegten Überraschungseier", sagt er und holt das Buttergemüse und die Pommes für die Kinder aus der Tiefkühlschatztruhe.

Abends liegen sie zu viert im Bett. Sie liest den kleinen Prinzen vor während ihr Prinz daneben liegt und selbst dabei einschläft. Es fühlt sich gut an."

Texte und Illustrationen sind mit freundlicher Genehmigung von Maya Fehling und Ina Gercke aus ihrem Kalender "12 Wege zum kindlichen Glück" entnommen. Er kann hier bestellt werden. In Berlin ist der Kalender in den Buchläden "Buchbox" (Greifswalder Straße 33) und "Einfach ein Fach" (Niederbarnimstraße 21) erhältlich.

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