Kolumne Vor Gericht:Der beißende AfD-Politiker

Kolumne Vor Gericht: Der Berliner AfD-Politiker Kai Borrmann (r) sitzt beim Prozessauftakt am 18. Januar vor dem Amtsgericht Tiergarten.

Der Berliner AfD-Politiker Kai Borrmann (r) sitzt beim Prozessauftakt am 18. Januar vor dem Amtsgericht Tiergarten.

(Foto: Marion van der Kraats/dpa)

Er attackierte in einem Café eine Frau - und wurde nun zu einer Geldstrafe verurteilt.

Von Verena Mayer

Es geht um Beleidigung und Körperverletzung an diesem Tag im Berliner Amtsgericht. Auf den ersten Blick einer dieser Vorfälle, wie sie täglich in der Großstadt vorkommen. Jemand sagt etwas, einem anderen passt das nicht, die Situation eskaliert, und am Ende muss die Justiz sortieren, was passiert ist.

Doch dieser Fall ist besonders. Nicht nur, weil es um Rassismus geht und der Angeklagte Politiker ist. Sondern auch, weil er zeigt, wie sich Grenzen verschoben haben. Wie sich ein Funktionsträger das Recht herausnimmt, anderen seine Sichtweise aufzuzwingen, auch mit Beleidigungen und Gewalt.

Alles begann im August 2021 in einem französischen Café in Berlin-Mitte. Dort saß, so fasst es die Richterin zusammen, die Musikjournalistin Steph Karl mit einer Freundin und unterhielt sich über das Leben und darüber, was es für sie bedeutet, schwarz zu sein. Das bekam der Mann am Nebentisch mit, Kai Borrmann, promovierter Islamwissenschaftler und damals Bezirkspolitiker der AfD.

Als sich die Frau wehrt, beißt Borrmann sie in den Arm

Borrmann ist ein leger gekleideter Mann, 56, der etwas hibbelig auf der Anklagebank sitzt und es nicht erwarten kann, bis er zu Wort kommt. Damals mischte er sich in das Gespräch der Frauen ein und sagte ihnen, sie dürften sich nicht als schwarz bezeichnen. Es kam zu einer Diskussion, Borrmann, so die Richterin, "drang weiter auf die Frauen ein und wollte, dass sie seiner Meinung seien". Schließlich bezeichnete er die beiden mit dem "N-Wort" und sagte den schockierten Frauen, er dürfe sie so nennen. Die beiden verließen das Lokal, Borrman ging ebenfalls. Er rief den Frauen auf der Straße erst "Heult doch, ihr N..." zu, trat dann an Karl heran. Als sie ihre Hände hob, um sich zu schützen, schlug Borrmann, so heißt es in der Urteilsbegründung, der verweinten und verstörten Frau ins Gesicht und drehte sie in den Schwitzkasten. Als sie sich wehrte, habe er sie in den Unterarm gebissen.

Über den Fall wurde einiges geschrieben. Über Kai Borrmann, der sich als Opfer der Medien sieht. Über seine Lebensgefährtin Cornelia Koppetsch, die einen Bestseller über Rechtspopulismus geschrieben hatte; über ihren etwas bizarren Auftritt als Zeugin. Sie sagte, Borrmann habe die Frauen im Café nicht mit dem "N-Wort" bezeichnet, weil er stets "akademisch" über das Schwarzsein spreche.

Wenig las man über die Folgen der Tat. Ein Jahr lang hatte Steph Karl einen Abdruck des Bisses auf ihrem Arm. Vor allem aber waren da die unsichtbaren Spuren. Karl konnte nicht schlafen, hatte Ängste, musste Auftritte absagen. "Ihr Sicherheitsempfinden und Grundvertrauen waren gestört", sagt die Richterin.

Sie verurteilt Borrmann wegen Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 60 Euro. Und sie sagt Sätze, die man auch gerne im politischen Diskurs hören würde. Dass Borrmann "dringend reflektieren" solle, warum er so aggressiv gewesen sei. Und dass es ihr "Sorgen mache", wenn Leute andere verletzten und ihnen dann auch noch "die Berechtigung absprechen, verletzt zu sein".

Kolumne Vor Gericht: An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten.

An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten.

(Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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