Junge Muslime in Deutschland:Zwischen zwei Gefühlen

Thilo Sarrazin spaltet mit seinen Thesen die Nation. Was denken die Betroffenen? Junge Muslime über ihre Ansichten zur Integrations-Debatte.

Während des langen Streits, ob im Münchner Stadtteil Sendling eine große Moschee errichtet werden dürfe, ließ sich eine interessante Beobachtung machen. Viele der überwiegend türkischen Muslime in der Nachbarschaft fühlten sich in diesem Staat und mit seinen Werten weit heimischer als manche aus der - übrigens überschaubaren - Gruppe der deutschen Moscheegegner. Die meisten Muslime wollten einfach nur einen würdigen Ort zum Beten, wie es ihn in vielen anderen deutschen Städten auch gibt.

Türkische Flagge vor Brandenburger Tor

Was bei der aktuellen Sarrazin-Debatte außen vor bleibt: Viele Muslime sehen Deutschland längst als Heimat, oder sie würden dies zumindest gern tun.

(Foto: dpa/dpaweb)

Unter jenen Deutschen, die das Projekt vehement ablehnten, waren nicht wenige, die mit dem Bauvorhaben sinistre Theorien verbanden: "Der Islam" greife nach der Macht, in Sendling wie im ganzen Land, von deutschen Gutmenschen aus Perfidie oder Weltfremdheit unterstützt. Die Gutmenschen, wer immer sie sein mögen, sind auch das erklärte Feindbild des früheren Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin, demzufolge die muslimischen Einwanderer als Gruppe weder willens noch in der Lage sind, sich in diesem Land zu integrieren.

Seine Thesen, mit äußerster Zuspitzung vorgetragen, haben die zuletzt etwas vernachlässigte Einwanderungsdebatte jäh neu entfacht. Wenn die Gutmenschen, schreibt Sarrazin in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab", aber "die Misserfolge der Integration nicht mehr leugnen können, versuchen sie die Schuld daran dem Aufnahmeland in die Schuhe zu schieben". Es sei jedoch genau anders herum: Wer, wie die Einwanderer etwa aus der Türkei, "etwas geschenkt bekommt, ist höchstens oberflächlich und zumeist gar nicht dankbar. Um sein Ego zu stützen, entwickelt er eine Abneigung gegen den Wohltäter."

Nun lässt sich ein Integrationsdefizit kaum leugnen und auch der Umstand nicht, dass viele Parteipolitiker dieses Thema sehr ungern angehen. Gewiss gibt es den arabischen Intensivtäter aus dem harten Straßenmilieu von Neukölln, den die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig in ihrem Buch "Das Ende der Geduld" so eindringlich schilderte - als Symboltypus für verweigerte Integration. Es gibt ebenso den Hassprediger in den Hinterhofmoscheen und die Unterdrückung von Frauen und Mädchen bis hin zu "Ehrenmorden". Das alles sind Probleme, mit denen sich die deutsche Politik nur zögernd befasst - auch jetzt geht es eher darum, Sarrazin zu verurteilen, als sich damit auseinanderzusetzen, was schiefläuft.

Aber das ist nur die eine, wenn auch gern verdrängte Seite der Medaille; die andere, die integrationsbereite Seite der Muslime scheint, liest man Sarrazins Buch, in der deutschen Gesellschaft wenig erkennbar zu sein. Aber das ist nicht so. Viele, sehr viele Muslime sehen Deutschland längst als Heimat, oder sie würden dies zumindest gern tun. Sie sind längst weiter, als Sarrazin meint. Die dritte Generation der Einwanderer hat bemerkenswerte Karrieren geschafft, gegen Widerstände und Vorurteile - keineswegs nur in der deutschen Gesellschaft, sondern gerade auch im Herkunftsmilieu und nicht zuletzt in den eigenen Familien. Wenn junge Frauen kein Kopftuch tragen und junge Männer die Religion für ihre Privatsache halten, dann haben sie ein Problem, mit dem sie erst einmal fertig werden müssen. Ein Problem haben sie aber auch, wenn sie, wie die Münchner Journalistin Özlem Sarikaya, von Deutschen gefragt werden: "Wie geht es Ihnen denn bei uns?" Die SZ hat vor allem jüngere Muslime befragt, wie sie zu diesem Land stehen, wie sie ihr Leben zwischen zwei Kulturen bewältigen und was sie von der Integrationsdebatte halten.

Meryem Altuntas, Apothekerin

In den siebziger Jahren, erzählt Meryem Altuntas, als ihr Vater in einem bayerischen Sägewerk das Geld für die Familie verdiente, sei dem Meister das schlechte Deutsch des türkischen Arbeiters ganz gelegen gekommen. "So konnte er seinen Willen besser durchsetzen. Es gab nur ,Ja' und ,Nein' und nichts dazwischen." Das Dazwischen ist für die Tochter dann zum großen Thema geworden in ihrem eigenen Leben, und vorläufig kann man sagen: Das hat sie nicht aufgehalten. Eher im Gegenteil. Meryem Altuntas, 37, ist eine kluge, gewandte, junge Frau, der in der Münchner Innenstadt drei große Apotheken gehören. Im Jahr 2000, nach Abschluss des Pharmaziestudiums, entdeckte sie als Doktorandin beim Jobben eine Marktlücke: Die türkischen Apothekenkunden fragten immer nach ihr, der Muttersprachlerin. Vertrauten ihr heikle medizinische Probleme an.

Also hat sie ihre Läden, zwei davon im Bahnhofsviertel, entsprechend aufgezogen: Das Personal spricht Deutsch, Türkisch, Arabisch, Russisch. Alle drei Filialen laufen bestens, die Zahl der Angestellten beläuft sich mittlerweile auf 30. Eine Erfolgsgeschichte "mit Migrationshintergrund", wie man so sagt.

Zwischen den Welten aufzuwachsen, das hat sie starkgemacht, sagt Meryem Altuntas: "Ich musste immer besser sein als alle anderen, um zu beweisen, eine Türkin schafft das auch." Als Sechsjährige kommt sie mit ihrer Mutter und drei Brüdern zum Vater in ein Dorf nordöstlich von München. An der Schule saugt sie die Intensivstunden in Deutsch auf wie ein Schwamm, um in den Pausen nicht mehr ausgelacht zu werden. Als sie die Übertrittsnoten für das Gymnasium erreicht, ist das eine kleine Sensation, und die ganze Klasse wird noch einmal einem Eignungstest unterzogen - der nur dazu dient, die türkische Kandidatin erneut zu prüfen, wie ihr der Lehrer später erzählt. Als sie ihre erste Apotheke eröffnet, fragt eine ältere Kundin, ob sie ihr Diplom in der Türkei gekauft habe.

Zu Hause die anderen Kämpfe, mit dem religiösen Vater: Soll ein muslimisches Mädchen studieren? Darf sie in die Stadt ziehen, wird die Familie sie nicht zwangsläufig verlieren an die andere, die deutsche, die fremde Kultur? Die Tochter setzt sich durch, "ich habe einen starken Willen", sagt sie. Altuntas erzählt von ihrem Weg, den Gratwanderungen, ohne Bitterkeit. Ihr Erfolg macht sie stolz, um die Schatten zu ahnen, muss man genau hinhören. Solche Sätze äußert die Businessfrau im weißen Kittel nämlich gern en passant: Für ihre Kinder, wenn sie einmal welche habe, "wünsche ich mir, dass sie niemals das Gefühl kennen, anders zu sein."

Sarrazin? "Er sät nur Hass." Schablonenhaftes Denken muss einer wie ihr zuwider sein, die sich in keine Schublade stecken lassen wollte. In der Schule nicht, wo sie gute Noten wie Geschosse abfeuerte gegen das ewige Bild von "der Türkin"; im Studium nicht, als sie mit Kommilitonen über kränkende Sätze stritt wie "du bist nicht so wie die Türken sonst".

Heute, sagt Meryem Altuntas, lebe sie beide Seiten aus, ihre deutsche und türkische. Sie wünscht sich, dass auch andere Einwandererkinder mit ähnlichen Erfolgen mehr an die Öffentlichkeit gehen. Den Kopf einziehen, um bloß nicht als Migrant erkannt zu werden? "Wir sind nicht nur Gemüsehändler. Wir müssen endlich raus mit unseren Geschichten." Anne Goebel

Erdal Öztürk, ungelernter Arbeiter

,,Eine Schweinerei'' sei, was derzeit über den Islam berichtet werde. Überall, in jedem Fernsehsender, in jeder Zeitung: ,,Der böse Islam''. Es ist Mittagszeit. Erdal Öztürk, 23, hat Urlaub. Mal nicht am Fließband stehen und Autositze zusammenschrauben, sechs Handgriffe im Zwanzig-Sekunden-Takt. Öztürk ist ledig, keiner kocht für ihn, er hat Hunger, es ist Ramadan, aber er fastet nicht. Weil er ohne seine Zigaretten keinen Tag übersteht. Wie so oft sitzt er in Denzlingen, vor sich einen Döner und ein Glas mit schwarzem Tee. In dem Ort mit 13500 Einwohnern, nördlich von Freiburg, gibt es keine Moschee. Die Anzahl türkischer Bewohner ist überschaubar. Aber es gibt am Bahnhof einen kleinen Dönerladen mit ein paar Tischen.

Seit acht Monaten führen Abdullah Sevgin und seine Frau den Laden. Beide sprechen praktisch kein Deutsch. Anders Öztürk, ihr Stammgast. Der ist wütend. ,,Alle reden über den 11. September und machen den Islam schlecht. Dabei kann man selber nachlesen, dass der Islam niemanden dazu auffordert zu töten.'' Der junge Mann im schwarzen T-Shirt ist in Göppingen geboren und in der Türkei aufgewachsen. Seit er acht ist, lebt er wieder in Deutschland.

Er fühlt sich nicht als Deutscher oder als Türke, sondern ,,als Mensch'', dem es auch bei anderen darauf ankomme, dass sie ,,ein gutes Herz haben''. Eine Radikalisierung macht er nicht unter Muslimen, sondern mitten in den westlichen Gesellschaften aus. In der Schweiz, die Minarette. Oder in Frankreich, das Kopftuchverbot. Hätte er eine Frau, die ein Kopftuch tragen will, würde er sagen: ,,Okay, Schatz!'' Wenn nicht, ,,wäre mir das total egal. Wir leben doch nicht in Afghanistan oder Pakistan. Sondern in Freiheit. Das macht Europa aus.''

Ein paar Türken in roten Arbeitshosen kommen zur Tür rein und bestellen. Abdullah Sevgin säbelt Fleisch vom Spieß. Schadet ihm nicht, dass er kein Deutsch kann? ,,Natürlich schadet es ihm'', sagt Öztürk. ,,Aber er ist schon alt. Einen alten Baum kann man nicht mehr biegen.'' Auch Öztürks Oma hat viel geschuftet in ihrem Leben, eine einfache, sehr gläubige Frau mit Kopftuch, ,,sie hat Deutschland mit aufgebaut'', sagt Öztürk. Die Oma nimmt sich den Enkel regelmäßig zur Brust, auf dass er sich mehr um sein Jenseits kümmere. ,,Hier lebst du nur kurz, dort ewig'', pflegt sie zu sagen.

Seine Mutter trägt schon kein Kopftuch mehr. In Öztürks Generation gibt es Fußballer, Politiker, Erfolgsmenschen. Warum er selbst über einen Job als Ungelernter nicht hinausgekommen ist, weiß er nicht genau. An der Förderung der Schule, findet er, hat es nicht gelegen. Nach dem Hauptschulabschluss gab es eine Zeit, in der er schnell viel Geld machen konnte. In der er gefeiert hat, lustig war. Zu viel verprasste. Alle anderen in der Familie sind an ihm vorbeigezogen. Das ,,schwarze Schaf'' nennt er sich darum. Bei der Arbeitsagentur habe man ihn, sagt er, ,,behandelt, als ob ich ein Dreck bin''. Trotzdem findet er: ,,Die normalen Leute'', Deutsche und Türken, ,,kommen gut klar miteinander.'' Für seine Zukunft kann er sich vorstellen, einmal Familie zu haben. Dann, glaubt er, kommt Ordnung in sein Leben: ,,Der Islam ist schon hart. Fasten, fünfmal am Tag beten: Momentan schaff ich das einfach nicht.'' Monika Goetsch

Sezai Cakan, Student und Prediger

Sezai Cakan hat sich chic gemacht. Er trägt ein gestreiftes Hemd, hellblaue Krawatte, silberne Uhr. Es sind bedeutende Wochen im Leben des Studenten. Semesterferien, natürlich. Aber vor allem Ramadan. Der ist dem 21-Jährigen wichtig, in diesem Jahr ganz besonders. Cakan predigt während des Fastenmonats in einer Moschee als ,,ehrenamtlicher Imam'', wie er sagt. Er ist nicht offiziell dafür ausgebildet. Er studiert Germanistik und Geschichte in Potsdam. Doch seit seinem neunten Lebensjahr besucht er eine Koranschule in Berlin. Er war ein fleißiger Schüler, und als in diesem Sommer eine benachbarte Gemeinde anfragte, ob Cakan aushelfen könne, hat er zugesagt. Jetzt hält er jeden Tag vor 20 bis 30 Muslimen die Predigt und das Teravih, das Gebet für den Ramadan. Kein großes Ding sei das, sagt sein Mund. Seine Augen sagen etwas anderes.

Cakan sitzt in einem kleinen Raum der Mevlana-Moschee in Kreuzberg. Aus dem Zimmer nebenan dringen Fetzen des Mittagsgebets durch die Wand. Vor dem Fenster stehen junge Männer, die auf einen Termin beim Friseur warten. Der gehört zur Moschee, ebenso wie das Reisebüro an der Vorderseite und die Teestube im Keller, wo Datteln, Gemüse und Süßigkeiten lagern für das Fastenbrechen am Abend. Die Küche steht noch leer. Im Innenhof spielen zwei Jungs Fußball. Er ist hier aufgewachsen, hat den Koran gelesen, hat im Innenhof gespielt. ,,In der Türkei ist die Moschee ein rein religiöses Zentrum'', sagt Cakan. ,,Aber hier in Deutschland ist es ein Kulturzentrum für alle Bereiche des Lebens.''

Seit seinem neunten Lebensjahr besucht er mehrmals pro Woche die Moschee, deutlich öfter als seine Eltern, die in den achtziger Jahren aus der Türkei nach Berlin kamen. Ein Widerspruch zum Leben in der deutschen Gesellschaft ist das für ihn nicht. ,,Ich bin hier geboren, ich spreche fließend Deutsch, meine Freunde studieren Jura, Maschinenbau, Medizin. Wenn Herr Sarrazin jetzt meint, ich gehöre nicht zur deutschen Gesellschaft, weil ich Muslim bin, dann frustriert mich das. Dann hält mich das eher davon ab, zu sagen: Hey, wir müssen uns annähern. Dabei wäre genau das nötig.''

In seinen Predigten, die er auf Türkisch hält, versucht Cakan, diese Notwendigkeit anzudeuten. Er bezeichnet sich als Moderaten. Die Themen hat er mit den anderen Imamen der Islamischen Föderation in Berlin abgesprochen, viel Raum für Neues bleibt da nicht. ,,Aber ich gebe mir schon Mühe, meinen Blick auf die Dinge rüberzubringen, und bisher fanden das alle gut.'' Dass Muslime in Deutschland auch Deutsch lernen sollten, zum Beispiel. Oder dass es der Integration nicht gerade förderlich ist, wenn Imame aus der Türkei nur für einige Wochen oder Monate zum Predigen nach Deutschland kommen. Aber auch, dass viele Deutsche noch immer Vorbehalte gegenüber dem Islam haben.Kürzlich hat Cakan das wieder selbst erlebt, als er mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder in Kreuzberg unterwegs war. Da kam ihnen ein älterer Mann entgegen. ,,Und dann'', erzählt Cakan, ,,sagte der Mann verächtlich ein einziges Wort, das uns den ganzen Tag verdorben hat: Kopftuch.'' Fabian Heckenberger

Özlem Sarikaya, Moderatorin

,,Wie geht es Ihnen denn bei uns?'', hat sie jüngst ein älterer Herr gefragt. Özlem Sarikaya stand da gerade bei einem feinen Empfang am Buffet. So geht das oft, sie muss erklären, ,,wer ich bin''. Weil die Leute sagen, ,,du siehst gar nicht aus wie eine Türkin'', also ,,nicht uncool, hässlich oder spießig''. Dem Herrn am Buffet hat Sarikaya geantwortet: ,,Ihr ,uns' ist auch mein ,uns', Ihr Land auch meines.''

,,Ich habe Glück gehabt'', sagt sie. Die Eltern Gastarbeiter, das Kind Özlem geboren in Deutschland 1974, dann wie ein Gepäckstück abgegeben bei der Großfamilie im Osten der Türkei, weil Vater und Mutter weder Platz noch Zeit hatten: ,,Ich war ein Kofferkind, wie viele meiner Altersgenossen.'' Die Rückkehr mit drei Jahren zu den fremd gewordenen Eltern ist ein Schock, die Einzimmerwohnung in der Münchner Bahnhofsgegend ein graues Gefängnis.

Aber die Eltern wollen, dass es Özlem und ihrem jüngeren Bruder einmal besser geht als ihnen. Özlems Glück ist ein Kindergartenjahr, in dem sie Deutsch und Selbstbewusstsein lernt. Als das Mädchen ,,ohne Hilfe von zu Hause'' dann den Sprung aufs Gymnasium schafft, weil die Kriterien für Ausländerkinder in Bayern gerade etwas lockerer gehandhabt wurden, sind die Eltern ungeheuer stolz. Özlem wird zur ,,Vorbildtochter''. Sie selbst hat eigentlich keine Vorbilder, und das Politikstudium traut sie sich später erst nach einer Lehre zu, als sie merkt, dass ,,die anderen gar nicht so viel schlauer sind als ich''.

Den Traum, Journalistin zu werden, erfüllt sie sich mit nicht weniger Hartnäckigkeit nach zahllosen vergeblichen Bewerbungen. Der Irak-Krieg hat gerade begonnen, als sie ein Praktikum beim Bayerischen Fernsehen abschließen soll: ,,Da war ich auf einmal gefragt, weil alle dachten, als Muslimin müsste ich doch Islam-Expertin sein.'' Das war wieder Glück, aber auch ein Missverständnis.

Denn in ihrem Elternhaus spielte Religion keine große Rolle. Inzwischen hat sie jedoch festgestellt: Je negativer die Menschen in ihrer Umgebung über den Islam sprechen, desto größer wird ihr Unmut. ,,Dann sage ich, wenn ihr mir diesen Stempel aufdrückt, bekenne ich mich zu einer Sache, die mir nie wichtig war. Dann sage ich, dass ich Muslimin bin, auch wenn ich die Religion nicht praktiziere.'' Weil die Kritik so verletzend ist, ,,so unsinnig und undifferenziert''. Früher fand sie Kopftücher blöd, heute kann Sarikaya sie verteidigen, ,,nur aus Antihaltung''.

Özlem Sarikaya moderiert beim BR inzwischen ihr eigenes TV-Kulturmagazin ,,puzzle''. Seit ein paar Jahren hat sie einen deutschen Pass. Bevor sie die Urkunde abholte, war sie aufgeregt: ,,Ich habe überlegt, was zieh ich bloß an.'' Dann reichte eine Beamtin am Landratsamt den neuen Pass über den Tisch mit dem Satz: ,,Das ist dann erledigt.'' Sarikaya erinnert sich, wie sie vor der Frau einfach sitzen blieb, weil sie auf ein ,,Willkommen'' oder einen Glückwunsch wartete.

Aber da kam nichts. Sie fuhr in die Arbeit, noch voller Gram. ,,Da haben mich meine Kollegen umarmt.'' Das wünscht sich Sarikaya öfter, dass ihr Land ihre Zuneigung erwidert. Christiane Schlötzer

Lesen Sie mehr Erfahrungsberichte junger Muslime in Deutschland in der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung vom 4./5. September 2010.

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