Jugendsprache:Wie redest du, Alter?

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Die Langenscheidt-Homies sind wieder mal voll stabil unterwegs und gönnen uns auch dieses Jahr total freshe „Jugendwörter“. Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Der Begriff "Ehrenmann" ist von einer vermeintlichen Experten-Jury zum Jugendwort des Jahres gekürt worden. Aber: Spricht die Jugend wirklich so? Ein Überblick von "Habibi" bis "Weil Baum".

Von Titus Arnu und Martin Zips

Hör mal, Alter! Jo, Brudi! Hi Kids! Die Langenscheidt-Homies sind wieder mal voll stabil unterwegs und gönnen uns auch dieses Jahr total freshe "Jugendwörter". Jugendwort des Jahres 2018 ist übrigens "Ehrenmann/Ehrenfrau". Sheeeesh? (Wirklich?) Der Ehrenmann existierte schon im Mittelalter, für ein Jugendwort wirkt der Begriff also extrem gammelfleischig. Bevor eine Jury über das Wort entschied, hatte es eine Online-Umfrage gegeben, 1,5 Millionen Stimmen wurden abgegeben. Der Favorit hier: verbuggt - etwas, das voller Fehler ist. Glucose-haltig als Synonym für süß stand auf Platz zwei. Weitere zweifelhafte Kandidaten: lindnern (lieber etwas gar nicht machen als etwas schlecht machen), Snackosaurus (verfressener Mensch) oder breiern (brechen und trotzdem weiterfeiern).

Nur: Reden Jugendliche wirklich so? Erwachsene haben da meistens Kapla (keinen Plan), aber das ist ja gerade der Sinn der Jugendsprache. Jede Zeit hat ihre Jugendwörter, die rätselhaft klingen. Oder weiß noch jemand, was eine Anodenwumme ist (Kofferradio, 1950er-Jahre), ein Dämlack (Trottel, 1960er-Jahre) oder eine Ische (feste Freundin, 1970er)? Die 21-köpfige Jury, die über die Jugendwörter entschieden hat, besteht unter anderem aus Journalisten, Bloggern, Schülern und einem Polizeikommissar aus Berlin-Kreuzberg. Seit 2008 wird das Jugendwort gekürt, von Anfang an gab es Kritik: Entsprechen die Wörter wirklich dem jugendlichen Sprachgebrauch? Wir haben uns bei Jugendlichen in München, Berlin und Wiesbaden umgehört und nach Ausdrücken gefragt, die sie tatsächlich verwenden.

Ehrenmann/Ehrenfrau - laut den Langenscheidt-Honks gleichbedeutend mit "jemand, der etwas Besonderes für dich tut". Die Wahl sei "ein positives Zeichen in Zeiten von Hass und Hetze", heißt es. Und anders als früher sei der Ausdruck "nicht mehr auf höhere Gesellschaftsschichten und nicht mehr auf Männer eingeschränkt". Wirklich? Wir finden: Eine ausgesprochen merkwürdige Wahl, da Ehre in der Menschheitsgeschichte schon viel mitgemacht hat (Ehrentod, Ehrenmal, ehrbare und unehrbare Berufe) und sich der Ehrenmann schon immer über dem Jedermann wähnte. Hat nicht selbst die Mafia ihren ganz eigenen Ehrenkodex? Aber immerhin: Ehrenmann wird tatsächlich verwendet.

Lauch - (Allium ampeloprasum), auch Porree, Welschzwiebel, Gemeiner Lauch oder Aschlauch genannt, gehört botanisch zur Gattung Allium. Menschen, die umgangssprachlich als Lauch bezeichnet werden, gehören zur Gruppe der Trottel, auch Schwächling, Depp oder Idiot genannt. Ursprünglich spielte der Ausdruck auf die schmächtige Gestalt eines Jugendlichen an, im übertragenen Sinn ist ein L. eine unsichere, schwache Person. Wenn der Pöbel-Rapper Kollegah in seinem Ratgeber "Das ist Alpha" auf pseudophilosophische Weise also über den "chronisch ungefickten Lauch" schreibt, ist das nicht sexuell oder kulinarisch gemeint, sondern psychologisch: Er poltert gegen die allgemeine Verweichlichung.

Auch das arabische Habibi hört man immer öfter

Alter - auch Dicker/Digga, Brudi, in Österreich Oida. Stammt ursprünglich aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, als Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg in Kriegsdingen erfahrene "alte Schweden" als Ausbilder für seine Soldaten einsetzte. Einerseits abwertend ("Die Alte spinnt") für lebenserfahrenere Mitmenschen gemeint, andererseits ebensolche aufwertend. Ähnlich wie "Ey Digger, was geht?" betont "Voll krass, Alter!" die Ambivalenz menschlicher Beziehungen im Spannungsfeld von Lebensalter und Körperumfang. Im Gegensatz zu Alter/Oida und Dicker/Digga steht Brudi für das Schutzbedürftige eines eher unerfahrenen Gruppenmitglieds. Es dürfte sich hier um ein in der Rap- und Hip-Hop-Szene gebräuchliches Kompositum aus dem deutschen "Bruder" und dem arabischen "Akhi" (meint das Gleiche) handeln.

Weil Baum - heißt: darum, weil es eben so ist. Im Science-Fiction Klassiker "Per Anhalter durch die Galaxis" lautete die Antwort des Superrechners "Deep Thought" auf die eine, allumfassende endgültige Frage: 42. Wenn man Kindern eine einfache Frage stellt, etwa: "Warum hast du deine Hausaufgaben noch nicht gemacht?", dann antworten sie gerne: "Weil Baum." Diese Antwort klingt tiefsinnig, ist aber lediglich Ausdruck schieren Unvermögens, die Frage auch nur ansatzweise zu beantworten. Laut Redensarten-Index der Deutschen Digitalen Bibliothek ist der Baum in diesem Kontext seit 2007 in der Umgangssprache geläufig. Warum ausgerechnet Baum und nicht Banane oder Fisch? Weil Baum.

Habibi - ein arabischer Familienname, der mit "mein Geliebter" (Habiti: "meine Geliebte") übersetzt werden kann. Weltweit bekannt wurde der Ausdruck durch den Song "Nour El Ain" des ägyptischen Sängers Amr Diab von 1996, der wohl erfolgreichsten Aufnahme eines arabischen Sängers (der Refrain lautet: "Ya Habibi"). Im weniger erfolgreichen Film "Wo willst Du hin, Habibi?" (Deutschland, 2015) verliebt sich der türkischstämmige Ibrahim in den Berliner Wrestler Alexander. Nice.

Flexen - angeben, hart rappen. Der Rapper Fler stammelt in seinem Song "Flex'n": "Flex'n, Babe, ich bin am Flex'n/ Denn die Diamanten in der Roli sind am Glänzen". Damit meint er nicht, dass er mit einem Winkelschleifer an der Rolex und den Diamanten herumschneidet. Er arbeitet in Wirklichkeit gar nicht, er schwafelt nur. Der Macho-Rapper tut beim Flexen das, was er am besten kann: rumprotzen. Möglicherweise kommt der Ausdruck ursprünglich aus dem Bodybuilding - wer seine Muskeln anspannt und selbstgefällig posiert, ist am Flexen; ein bekanntes Bodybuilder-Magazin heißt Flex. Im übertragenen Sinne bedeutet flexen also: posen.

Wer beim Rappen versagt, ist ein Wack MC

31er - Verräter. "Einunddreißiger" nimmt Bezug auf Paragraf 31 des deutschen Betäubungsmittelgesetzes (sogenannter "Judas-Paragraf"), der dem Täter Strafminderung für den Fall zusichert, wonach seine Aussagen weitere Delikte verhindern. Größere Verbreitung fand der Ausdruck dank Hip-Hop-Formationen wie K.I.Z oder dem Rapper Frauenarzt. Nichts zu tun hat 31er mit der internationalen Telefonvorwahl der Niederlande, dem 31. französischen Département Haute-Garonne oder der Anzahl an Tagen in den Monaten Januar, März, Mai, Juli, August, Oktober und Dezember.

Stabil - super. Jede Generation hat ihre eigenen Ausdrücke für "gut": knorke, dufte, krass, cool, famos, geil, obergeil, oberaffengeil, super, hyper, mega. Wer heutzutage "obergeil" sagt, wenn er etwas toll findet, ist allerdings komplett uncool, besser gesagt wack (siehe unten). Nicht nur Stimmungen, das Wetter oder Brücken können stabil sein, sondern auch gut aussehende Frauen oder Partys. Vorsicht: Ab einer gewissen Alters- und Gewichtsgrenze ist stabil für eine Frau allerdings kein Kompliment mehr.

Wack - schlecht. Auf der Nominierungsliste für das Jugendwort des Jahres ist auch dieser lautmalerische Ausdruck vorhanden, was eigentlich ein sicheres Zeichen dafür ist, dass er selbst irgendwie uncool und wack ist. Ist die Langenscheidt-Liste mal wieder voll verbuggt? Eine Kurzumfrage hat ergeben, dass wack tatsächlich stabil im Sprachgebrauch von Schülern ist. Als wack wird im Hip-Hop alles bezeichnet, was schlecht und mies ist. Ein MC, der beim Rappen nicht viel Anerkennung genießt, wird auch Wack MC genannt. Das Substantiv zu wack heißt Wackness, es beschreibt jemanden als schwach und talentfrei.

Af - total, extrem ("as fuck"). Lässt sich in Internetforen zur Verstärkung der jeweiligen Aussage zu so gut wie jedem beliebigen Adjektiv hinzufügen (ehemals: "volle Suppe"). Zum Beispiel: "Das ist good af." (Das ist richtig gut.) Oder: "Ich bin poor af." (Ich bin wirklich arm.) Die menschliche Sexualität (wie hier das lautmalerische "fuck") wird in der Jugendsprache generell gerne als Verstärkungskomponente herangezogen: Das Leben fickt mich. Echt geile Sache. Leute, das knallt.

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