In den Jahren, in denen ich in einer Hamburger Strafverteidigerkanzlei arbeitete, faszinierten mich vor allem die Betrüger. Wie sie oft schon hereinkamen zum Termin in die Kanzlei: lässig, charmant, gesprächig. Einmal war es ein Duo aus Nigeria, die beiden sprachen gut Deutsch. Sie hatten es geschafft, ihr Opfer zu einem Geschäft zu überreden. Sie hatten ihm kleine Zettel aus schwarzem Papier verkauft. Für Zehntausende Euro. Und dabei weisgemacht, dies seien keine gewöhnlichen schwarzen Zettel. Sondern in Wahrheit: durch eine Farbplatzpatrone eingefärbte Geldscheine, die Hunderttausende Euro wert seien. Abrakadabra: Alles, was man nun brauchen würde, so hatten sie dem Opfer vorgegaukelt, seien ein paar Chemikalien, um diese verschmutzten Geldscheine wieder zu entfärben. Ein todsicheres Geschäft.
Natürlich waren die beiden Betrüger, die sehr gepflegt und gut gekleidet auftraten, spurlos verschwunden, bevor ihrem Opfer allmählich aufging, dass das, was es da gekauft hatte, tatsächlich bloß schwarzes Papier war. Es hat etwas Elegantes, Beeindruckendes, Menschen auf diese Weise ihr Vermögen aus der Tasche zu ziehen – völlig ohne Gewalt oder Zwang, nur mit psychologischen Mitteln, ein bisschen Hypnosekünstler, ein bisschen Luftschloss-Verkäufer. Der Trick mit dem schwarzen Papier, das habe ich damals in diesem Strafverfahren gelernt, hat sogar einen eigenen Namen: „Wash-wash-Trick“. Die Masche funktioniert offenbar so oft, dass sich das – ähnlich wie der „Enkeltrick“ – schon als eigener Begriff eingebürgert hat.
Je dreister, desto erfolgreicher. Das scheint eine Art Erfolgsrezept der modernen Felix Krulls zu sein, das habe ich in den eher kleinen Kriminalfällen erlebt, mit denen wir es in der Kanzlei zu tun hatten. Aber das gilt auch im größeren Maßstab. Damals stand gerade Jürgen Harksen in Hamburg vor Gericht, ein Rekord-Hochstapler. Er hatte einigen Reichen weisgemacht, er könne ihr Geld vermehren, wenn sie es ihm bloß anvertrauen würden. Einer seiner Tricks: maximale Großspurigkeit. „Je absurder meine Versprechen waren, desto mehr haben mir meine Kunden vertraut“, so hat er das später mal beschrieben, in seiner Autobiografie „Wie ich den Reichen ihr Geld abnahm“. Beute: mindestens 150 Millionen Euro.
Große Lügen funktionieren besser als kleine Lügen – das ist eine alte Betrügerweisheit. Weil kleine Lügen so gewöhnlich sind, dass viele Menschen sie auch selbst verwenden und dann auch bei anderen schnell erkennen, wenn geflunkert wird. Große Lügen dagegen: Das würden sich die meisten Menschen niemals trauen, und das trauen sie auch anderen seltener zu. Jürgen Harksen ging dann später nach Mallorca und machte – legale – Geschäfte mit Wein- und Luxusrestaurants. In diesem Frühjahr ist er gestorben. Alte Anwaltsweisheit übrigens: Betrüger, egal ob nigerianische Geldschein-Entfärber oder Hamburger Geldadel-Schwindler, verteidigt man nur gegen Vorkasse.