Jopi Heesters wird 107:Alte Galane sterben nicht

Zweimal Fitness die Woche: Johannes Heesters wird am Sonntag 107 Jahre alt - für ihn ist immer noch am wichtigsten, was die Zukunft bringt.

Gerhard Summer

Ferdinand Pfaffinger, Starnbergs Bürgermeister, wird wie immer kurz vorbeischauen, mit einer Tüte in der Hand und einer Flasche Obstler. "Aber ganz ohne Presse, das find' ich toll, dass er das nicht als Werbung benutzt", sagt Simone Rethel-Heesters. Vielleicht kommt die Rede auf den vermaledeiten Alersberg. Dort soll ein Behördenfunkmast entstehen, die Anwohner finden das gar nicht gut.

Johannes Heesters

Johannes Heesters: Am Sonntag feiert der Schauspieler seinen 107. Geburtstag.

(Foto: AP)

Auch Johannes Heesters und Simone Rethel-Heesters haben auf einer Protestliste unterschrieben. Aber womöglich kann sich Heesters daran nicht mehr erinnern, ebenso wenig wie an sein Veto gegen den Königreichssaal der Zeugen Jehovas. Sein Langzeitgedächtnis ist seltsamerweise schlecht, ganz im Unterschied zu anderen alten Leuten. Dafür funktioniert sein Kurzzeitgedächtnis bestens. "Er will nicht von früher reden", sagt seine Frau. "Für ihn ist wichtig: Was kommt als nächstes, was bringt die Zukunft?"

Der Mann ist immer noch auf dem Sprung, vielleicht ist das mit ein Grund dafür, dass Heesters inzwischen als biologisches Wunder durchgeht: Am Sonntag wird er 107 Jahre alt, er macht nach wie vor seine Stimmübungen, er trainiert zweimal die Woche in einem Starnberger Fitness- und Physiotherapiestudio, vor fünf Wochen hat er mit dem Rauchen aufgehört. Wieder mal. Gefeiert wird in Erfurt mit einer Gala. Die Nachfrage nach Plätzen ist enorm, vor allem von Journalisten. "Mit denen allein könnte man das ganze Theater füllen." Eine eher alptraumhafte Vorstellung für Rethel-Heesters: auf der Bühne ihr Mann, und in den Zuschauerrängen die lauernde Meute. Und am Ende steht dann wieder zu lesen, dass der "Dandy des Jahrhunderts", die "Entertainer-Legende" und der "Grandseigneur der Operette" an den Flügel gelehnt werden musste. Als wär's ein menschlicher Frack.

Heesters und die Öffentlichkeit - ein schwieriges Thema. Rethel-Heesters, 61, lebt seit 1992 mit ihrem Mann mehr oder minder im Belagerungszustand. Fotografen seien meist nur auf ein Bild aus, das einen hilflosen Heesters zeigt, der beim alljährlichen Wiesn-Besuch gestützt und später in den roten Mini-Cooper gefaltet werden muss. Ganz so, als gelte es zu beweisen, dass Senioren besser daheim bleiben sollten. Sie verstehe nicht, was daran lustig sein soll - "andere sitzen in dem Alter im Rollstuhl".

Aber sie hat dazu eine Theorie, die sie in ihrem Buch "Sag nie, Du bist zu alt" steht: "Wir haben eine riesige Zeitspanne vor uns - und verteufeln das Alter". Ihr Mann sei zur Projektionsfläche dieser Ängste geworden, zum Synonym für Alter: "Früher war das Methusalem, jetzt ist es Heesters."

"Betreutes Singen"

Wenn sich Blogger und Youtube-Nutzer über den ewigen Grafen Danilo ("Da geh ich ins Maxim") lustig machen oder genüsslich verfolgen, wie er von einem holländischen TV-Satiremagazin aufs Glatteis geführt wird und sich über Hitler äußert, treibe sie nur der alte "Hass vor dem Alter".

Fototermin Johannes Heesters

Johannes Heesters im Jahr 2009 mit seiner Ehefrau Simone Rethel-Heesters.

(Foto: ddp)

Zuweilen verwandelt sich die Häme in Verständnis. Als bekannt wurde, dass Heesters seit 2008 blind ist, "haben die Leute das akzeptiert, dass er geführt werden muss". Trotzdem geht seine Frau nach wie vor Risiken aus dem Weg. Sie kutschiert ihren Mann beispielsweise mit dem Auto nach Erfurt. Jopie müsste für den langen Weg bis zum Gate im Rollstuhl geschoben werden. Nicht auszudenken, wie viele Handyfotos dabei entstehen könnten.

Diese Woche hat sie beschlossen, überhaupt kein Interview mehr zu geben. "Es ist alles gesagt, es ist alles gefragt, es gibt nichts mehr", sagt sie. Zuletzt war sie deshalb vor allem mit Absagen beschäftigt. Den letzten Ausschlag gab womöglich ein Spiegel-Artikel über Heesters mit dem Titel "Betreutes Singen": "Dieses Zynische, das ist es, was mich so entsetzt". Denn "der Spiegel war für mich einmal die Bibel".

So ist das: Verpasst Heesters einen Einsatz, zerreißen sich alle den Mund. Trifft er alle Töne, kommen nur wenige auf die Idee, das für eine besondere Leistung zu halten. Ihn selbst ficht das weniger an. Rethel-Heesters meint: Wenn sie ihrem Mann, der "Freude an einfachen Dingen hat", einen Joghurt bringe oder wenn sie beide auf der Terrasse sitzen, sage er oft: "Sind wir nicht reich? Ist es nicht herrlich?"

Genau das ist es! Daran änderte auch der Königreichssaal der Zeugen Jehovas nichts. Jopie und seine Frau hatten damals einen empörten Brief an Bürgermeister Pfaffinger geschrieben, weil sie fürchteten, infolge des Neubaus könne der Verkehrslärm steigen. Heesters wollte wohl nicht schon wieder umzuziehen, das erste Haus in Söcking hatte er gewechselt, als ihm die Aussicht verbaut worden war. Trotzdem drohte er damit, Starnberg zu verlassen. Doch der Lärm blieb aus. Er und seine Frau finden das neue Haus sogar architektonisch gelungen. So kann's kommen.

Vielleicht geben die beiden übernächste Woche schon wieder Interviews. Wahrscheinlich raucht Jopie nach der Premiere in Erfurt wieder. Menthol-Zigaretten light. Aber wer wollte es ihm schon verübeln?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: