Ein Besuch bei Johann Lafer ist fast zwangsläufig auch eine Reise ins Wohlgefühl. Das beginnt schon mit der Anfahrt, der sonnige Herbstmorgen taucht die rheinhessische Landschaft zwischen Bad Kreuznach und Bingen in ein fast unverschämt vorteilhaftes Licht, die Hügel, die goldgefärbten Weinreben, Fachwerkhäuser. Guldental ist das Heimatdorf von Lafers Ehefrau Silvia. Die Kochschule liegt gegenüber der Kirche. Und weil die Tür weit offen steht, marschiert man einfach hinein. Der Hausherr verräumt gerade noch ein paar Backbleche, wobei die Selbstverständlichkeit der Begrüßung fast unterstellt, man kenne sich ewig: "Ich komme gleich, vielleicht erst mal Kaffee?"
Johann Lafer, die große Nahbarkeitsmaschine der deutschen Fernsehküche. Der "steirische Bauernbub" ist bekannt dafür, keinen Unterschied zu machen zwischen Königin Silvia von Schweden, die er auch schon bekocht hat, Reportern, die zum Interview kommen, oder den Paketboten, die kurz etwas abliefern; zwischen den Gästen des Kanzler-Sommerfests, das er öfter ausrichten durfte und dem Publikum, das bei seiner ZDF-Grillshow um ein Autogramm ansteht.
Wer die makellos weiße Studioküche in Guldental betritt, ahnt, warum es Zeitungsporträts über den Koch gibt, die mit "Am Laferfeuer" getitelt sind. Im Ofen simmert noch das Rindergulasch, das er für seine Mitarbeiter gekocht hat. Auf dem Tisch gegenüber, an dem 18 Personen Platz haben, stehen Schnittchen bereit. "Ich zeige Ihnen gleich alles", sagt Johann Lafer fürsorglich, als er den Kaffee serviert, "richtig durchgeführt habe ich da noch keinen, das weiß kaum jemand. Sie haben ja keine Ahnung!"
Lafer hält Kontakt zu Antikhändlern in mehreren Städten
Was insofern überrascht, als man sich ja gezielt für eine Führung durch seine "Sammlung" verabredet hatte. Doch keine zwei Stunden später wird man zugeben müssen: Ja, es stimmt, man hatte absolut keine Ahnung!
Um zu verstehen, was mit "Sammlung" gemeint ist, geht es hinaus und nach zehn Metern über den Hof gleich wieder hinein, in ein kleines Labyrinth aus Lagerräumen, die neben, hinter und über der Studioküche liegen. Gleich hinter der ersten Tür hebt Johann Lafer eine Kiste mit Silberbesteck und Edelstahlgefäßen vom Boden, fischt etwas heraus und hält es strahlend in die Höhe: "Sorbetschalen aus den Fünfzigern, für nur eine Eiskugel, sensationell oder? Vom Jimmy aus Magdeburg." Es stellt sich heraus, dass Lafer nicht nur in Magdeburg, sondern auch in anderen Städten in Kontakt zu Antiquitätenhändlern steht, die anrufen, wenn sie etwas für ihn haben. Und dass er Küchenauflösungen auf Schlössern liebt. Wenn er unterwegs ist, beruflich wie privat, "dann schauen die anderen, wo wir essen gehen, ich schaue auch, wo man gut einkaufen kann".
Der Koch dringt jetzt immer tiefer ins Lagerlabyrinth vor, dabei zieht er ständig Gegenstände aus Kisten oder von Ablagen, um sie zu kommentieren, mit Sätzen wie "Ich habe wirklich alles", "Das glauben Sie jetzt nicht" oder "So etwas gibt es ja heute gar nicht mehr": antike Kupferschalen in Fischform, Essigbottiche, asiatische Tee-Dosen, die alte Milchkanne vom Hof seiner Eltern oder ein meterlanges Silbertablett aus dem Speisesalon einer Turiner Fürstenfamilie. Johann Lafer sammelt vor allem Geschirr und Küchenutensilien sowie Dinge, die mit seiner Laufbahn und Familie zu tun haben.
Je weiter man vorstößt, desto geordneter wirkt die Sammlung. Ein Raum ist eine Art Kleiderkammer mit den Hemden, Westen oder Jacken, die der Koch bei seinen vielen Fernsehauftritten getragen hat. In einem anderen lagern "alle Kochbücher, die in Deutschland erschienen sind". Das Abteil nebenan ist nur dem Geschirr der Königlichen Porzellan-Manufaktur vorbehalten, inklusive meterhohen Designervasen und Zuckerdosen mit Lafer-Schriftzug - eine Sonderanfertigung. Im Lager dahinter stehen - gestapelt in Regalen bis unter die Decke - sauber etikettierte Kisten mit kompletten Kaffeeservicesätzen, von Mitropa bis Rosenthal. Und weil immer noch mehr geht, steigt man schließlich ins Auto, um zwei Dörfer weiter zu fahren, wo Lafer eine Lagerhalle angemietet hat, vielleicht 1500 Quadratmeter, "genau weiß ich das nicht", darin: Paletten mit Chargen unverkaufter Kochbücher, Bierkrüge, Wasserkocher, eine Silberpoliermaschine, Stühle aus dem Hotel in Singapur, in dem er mal Küchenchef war ... Wie gesagt, man hatte wirklich keine Ahnung.
Ein blaues Hemd? "Welches Blau? Ich habe 60 Blautöne!"
Doch warum bewahrt man das alles nicht nur auf, sondern kauft ständig immer noch mehr dazu?
Wäre er nur Privatmann, dann würde er nicht in dem Umfang sammeln, sagt Johann Lafer, als er später in der Küche zwei Teller Gulasch abzweigt. Geschirr jeden Typs horten, "nur um ab und zu für vier Gäste die Teller zu wechseln? Das wäre ja wahnsinnig", findet er. Seit er seine Restaurants abgegeben hat, ist die Kochschule die Zentrale, hier im Studio werden Filme für seinen Youtube-Kanal gedreht oder Fotostrecken geschossen, seine Sammlung sei da auch ideal für Requisiten. Einzelne Geschirrteile bringt er auf Bildern für Kochbücher unter. Und einmal fragte ein Fotograf für ein Porträt nach einem blauen Hemd. "Welches Blau?", sagte Lafer da, "ich habe 60 Blautöne." Er muss dann doch lachen, als er das erzählt.
Dazu kommt, dass Johann Lafer ein Tüftler ist. Von seiner Affinität zu Technik zeugt nicht nur sein Pilotenschein, er selbst hält auch 60 Lizenzen und Patente. Er verkauft eigene Küchengeräte, zum Beispiel einen Schneebesen, für den er spezielle Streben entwickelt hat, die an einigen Stellen breiter sind, um den Widerstand zu verbessern. Er liebt Handwerk fast jeder Art, sagt er, "das Glück, etwas entstehen zu sehen". Traditionelle Dinge seien oft wunderbar perfekt, wenn man davon etwas für die Zukunft nutzen kann, macht ihn das glücklich. Kürzlich kaufte er in einer Manufaktur im spanischen Jerez "Berge von Dauben" von 400 Jahre alten Sherryfässern, die keiner wollte. Er ließ Messergriffe daraus arbeiten.
Aber Lafer und die Sammelleidenschaft - das ist nicht nur eine Geschichte des Nutzwertes, sondern auch eine der Nostalgie. Dazu muss man erzählen, dass der Koch, wenn der Stress zu groß wird, gerne zu einem Antikhändler in der Nähe von Guldental fährt. Dort, inmitten der alten Sachen, "einer komplett anderen Welt", könne er wunderbar entspannen, sagt Johann Lafer. Das Leben sei ja irre schnell geworden.
Die Phase des Raffens ist vorbei, nun geht es ums Selektieren
Wobei Tempo eigentlich nie ein Problem für den Koch war, nachzulesen auch in seiner Biografie in Rezepten, die er gerade vorgelegt hat ("Ein Leben für den guten Geschmack", Verlag Gräfe und Unzer): Der Aufbruch vom steirischen Hof in Großstädte wie Hamburg oder München, der Boom der Gourmetküche, eigene Restaurants, das Catering für Staatsgäste wie George W. Bush, dessen Team jeden Koch gefilzt und alles vorgekostet hat, die vielen Fernsehshows, Youtube, Podcasts, Bücher im Jahrestakt, ein eigenes Magazin... Er ist immer alles mitgegangen. Eher schmerzt ihn, dass dem neuen Tempo manchmal das Herz zu fehlen scheint, die Seele. Die Entwertung des Handwerks - man müsse sich mal vorstellen, "es gibt in Europa nur noch eine Firma, die Hanf für Leinentischdecken aufbereitet!" - all die klugen Küchengeräte, die keiner mehr will, das handbemalte Porzellan, das keiner mehr braucht. "Wenn Sie heute das Angebot an Kaffeemaschinen im Elektrohandel ansehen, können Sie mir doch nicht erzählen, dass damit noch Emotionen verbunden sind."
Gerade ist Johann Lafer 65 geworden. Sein Team und seine Frau, die "nicht glücklich mit meinem Sammeltrieb ist", üben mittlerweile sanften Druck auf ihn aus, sich von Dingen zu trennen. Gerne auch mal containerweise. Er trete gerade von der "Phase des Raffens", die jeden echten Sammler ergreift, in die "Phase des Selektierens" ein, sagt er. Sich darauf konzentrieren, was erhaltenswert ist, Altes neu für die Moderne machen, gute Dinge festhalten, kleine emotionale Inseln schaffen, das möchte er.
Als Johann Lafer das Rolltor seiner Lagerhalle geschlossen hat, schüttelt er einem strahlend die Hand, fragt, ob man alles habe und sagt, dass es ihm eine Freude gewesen sei. Dann steigt er in seinen eleganten cremefarbenen VW-Samba-Bus und zuckelt davon. Natürlich ist es das Modell, das seine - sonst unmotorisierte - Familie vor nun 60 Jahren für erste, bescheidene Urlaube gemietet hatte. Lafer hat den Bulli über Vermittlung des Wolfsburger VW-Museums in Kalifornien gekauft und aufarbeiten lassen. Er sagte, er wisse schon, "dass das Glück, damit zu fahren, früher viel intensiver war, auch weil ein Auto damals so etwas Besonderes war". Trotzdem ist der Bulli heute ein perfekter Ort - eben für diese Vergangenheit.
Keine Leidenschaft ohne Zubehör. Diese drei Sammelobjekte haben es Johann Lafer besonders angetan:
Lila Schuhe
"Die Schuhe habe ich mir für einen Auftritt bei 'Wetten, dass..?' anfertigen lassen, als erster in Violett! Manche dachten: Der ist doch besoffen! Ich habe 500 Paar Schuhe gesammelt. Ich war auch schon 'Mister Schuh Österreich'. Ein Schuhfabrikant in meinem Heimatort wollte, dass ich bei ihm eine Lehre mache, Schuhmodelleur hieß das, aber mein Talent reichte nicht aus. Später bin ich zu vielen berühmten Schuhmachern gefahren, um mir meinen Leisten anfertigen zu lassen. Damals waren rahmengenähte Modelle noch bezahlbar."
Messer
"Ich sammle Geschirr und Besteck, aber besonders gefallen mir Messer. Ich habe eine der größten Messersammlungen überhaupt. Wenn ich eine Klinge anfasse und weiß: Die hat jemand in Solingen oder Japan handgeschmiedet - das ist pure Emotion für mich. Dieses hier ist vom Dresdner Weihnachtsmarkt. Damaszener Stahl mit einem Griff aus geharztem Mais. Die Schutzhülle ist handgeschnitzt, aus Rosenholz genau wie die Box, die mit der Innenverkleidung eines BMW gepolstert ist. Unfassbar, oder?"
Lafer
"Das bin ich als Aufziehfigur. Eigentlich sollte sie ein kleines Blechschnitzel wenden können. Ich habe 10 000 Stück davon in Indien anfertigen lassen. Ein Riesenflop! Bis vor Kurzem hatte ich die Blechfiguren eingelagert, aber meine Mitarbeiter wollten, dass ich sie endlich entsorge."
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