Japan: Deutsche in Tokio:Die große Stille

Nach dem schweren Erdbeben ziehen deutsche Institutionen und Firmen in Tokio die Konsequenzen: Viele stellen den Betrieb ein und schicken Mitarbeiter und Angehörige nach Hause.

Violetta Simon

Viele Deutsche, die in Tokio leben, haben seit dem Erdbeben nur noch einen Gedanken: Nichts wie weg hier. Der Tokioter Narita-Flughafen war am Wochenende voll von Urlaubern, aber auch deutschen Studenten und Beschäftigten, die versucht haben, auf dem schnellsten Wege nach Hause zu gelangen.

Koffer und Reisende am Flughafen Narita

Nichts wie weg hier: Am Flughafen Narita in Tokio warten Deutsche auf ihre Heimreise.

(Foto: dpa)

Es hält sie ohnehin nichts in der Hauptstadt - viele deutsche Institutionen und Firmen haben die Konsequenzen aus dem schweren Erdbeben und den katastrophalen Folgen gezogen und ihre Mitglieder oder Mitarbeiter vorübergehend beurlaubt.

Das Goethe-Institut in Tokio hat seinen Betrieb voraussichtlich bis kommenden Montag eingestellt - "wegen der Folgeschäden des schweren Erdbebens vom 11. März und der andauernden Nachbeben", heißt es in der Begründung.

Die Japanisch-Deutsche Gesellschaft (JDG) teilt auf ihrer Webseite mit, dass "aufgrund des schweren Erdbebens alle bis Samstag, den 19. März, geplanten Veranstaltungen bis auf weiteres ausgesetzt" werden. Auch die Bürozeiten wurden eingeschränkt. "Bei der JDG sind wir alle wohlauf und es hat keine Schäden gegeben", lautet die abschließende Botschaft in eigener Sache.

Die Deutsche Schule in Tokio hat nach Einberufung eines Krisenstabs ihre Pforten vorübergehend geschlossen. "Aufgrund der schwer einzuschätzenden Informationslage und der damit einhergehenden unkalkulierbaren Sicherheitsrisiken für unsere Kindergarten- und Schulkinder sowie für unsere Kolleginnen, Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen wir uns zu dieser Maßnahme gezwungen", heißt es in einem Anschreiben auf der Webseite. Mit der offiziellen Schließung wolle die Schulleitung allen betroffenen Kindern und deren Eltern die Möglichkeit bieten, vorübergehend das Land zu verlassen - "ohne noch unter dem zusätzlichen Druck zu stehen, Unterrichtsstoff zu versäumen".

BMW holt 50 Mitarbeiter nach Hause

Die Außenstelle des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Tokyo hat die Konsequenzen aus dem Unglück gezogen und ihren Stipendiaten mitgeteilt, "dass alle deutschen Stipendiaten, die dies wünschen, Japan ohne Nachteile für ihren Stipendienvertrag verlassen können".

In Tokio hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer in Japan für den Publikumsverkehr geschlossen, wie der leitende Geschäftsführer Manfred Hoffmann zu sueddeutsche.de sagt. Die Kollegen müssten nun ihrer wichigsten Aufgabe nachkommen: der Informationsbeschaffung für die in Japan ansässigen deutschen Unternehmen. Teilweise, so erklärt Hoffmann, würden die Firmen ihre deutschen Angestellten ausfliegen oder in andere - möglicherweise sicherere - Gebiete Japans bringen. "Es gibt Bestrebungen, Mitarbeiter aus Tokio rauszunehmen." In Osaka, wo die Handelskammer ebenfalls ein Büro hat, laufe das Leben derzeit "ganz normal weiter", sagt Hoffmann.

Auch deutsche Konzerne haben mittlerweile auf die Lage vor Ort reagiert: Der Autokonzern BMW hat seine rund 50 deutschen Mitarbeiter nach Hause geholt. Der Konzern unterhält neben einer Vertriebsorganisation in Tokio unter anderem auch ein Entwicklungsbüro in der Hauptstadt.

Die japanischen Geschäfte des Stuttgarter Autoherstellers Daimler ruhen in dieser Woche ebenfalls. Produktion und Verwaltung der japanischen Tochter Mitsubishi Fuso bleiben geschlossen. Das Unternehmen stellte den Angehörigen seiner Mitarbeiter sowie Dienstreisenden frei, nach Hause zurückzukehren. Zwar habe man deren Rückreisen organisiert - die Mitarbeiter selbst wurden jedoch nicht freigestellt, teilte ein Sprecher sueddeutsche.de auf Anfrage mit.

Wer bleibt, sieht zu, dass er versorgt ist - vor den Supermärkten der Millionenmetropole bildeten sich lange Schlangen, Hamsterkäufe sind an der Tagesordnung. Immerhin teilt die deutsche Botschaft auf ihrer Homepage mit, dass Stromsperrungen zum jetzigen Zeitpunkt im Bezirk Minato und in den meisten zentralen Innenstadtbereichen nicht vorgesehen sind.

Darüber hinaus empfiehlt die deutsche Botschaft allen deutschen Staatsangehörigen und deren Familienangehörigen nachdrücklich, sich in die Krisenliste der Botschaft einzutragen, damit sie - falls erforderlich - mit ihnen Verbindung aufnehmen kann. Auf ihrer Homepage weist die Botschaft darauf hin, sie bis zum 18. März 2011 "nur in sehr dringenden Angelegenheiten" aufzusuchen und Routineangelegenheiten auf später zu verschieben, "da wir derzeit vorrangig in Not geratenen Menschen zur Verfügung stehen".

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