Süddeutsche Zeitung

Japan: Atomkatastrophe:Strahlendes Essen

Verseuchter Thunfisch? Radioaktive Shiitake-Pilze? Die Sorge der Verbraucher um die Sicherheit ostasiatischer Produkte ist groß, denn nach der Tschernobyl-Explosion sind bis heute Waren ungenießbar. Wie reagieren die zuständigen Behörden?

Wer durch den deutschen Wald streift, rechnet kaum damit, dass er sich unter Umständen auf strahlendem Gelände bewegt. Doch auch 25 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe sind manche Lebensmittel noch immer verseucht. Waldpilze zum Beispiel, oder Wildschweinfleisch. Der Grund: Radioaktive Partikel haben sich in der Humusschicht des Waldbodens angereichert.

Die rasche und vor allem nachhaltige Verbreitung radioaktiver Partikel mit teilweise jahrzehntelangen Halbwertszeiten schürt Ängste - gerade darum ist die Sorge der Verbraucher groß, dass auch Produkte aus Japan und dem übrigen fernöstlichen Raum belastet sein könnten. Zwar werden aus Japan vergleichsweise wenig Waren und noch weniger Lebensmittel eingeführt: Japan liegt erst auf Rang 14 der größten Import-Handelspartner von Deutschland. Dennoch ist es denkbar, dass verseuchte Waren in den Handel gelangen. Vor allem japanische Restaurants können dann betroffen sein.

Kontrollen am Frankfurter Flughafen

Die Wahrscheinlichkeit für die Verseuchung von Nahrungsmitteln würde vor allem dann wachsen, wenn radioaktive Wolken vom Wind übers Land getrieben werden - dann könnten auch die riesigen Anbauflächen in China und Russland betroffen sein, warnt Claudia Sprinz von Greenpeace Österreich. Darum versucht man sich bei der Umweltorganisation derzeit daran, den Weg der Warenströme aus Fernost nachzuvollziehen.

Der Nachweis von Isotopen wie Cäsium-137 und Jod-131 zeige, dass auch schon aus den Reaktorkernen Radioaktivität entwichen sei - beide Stoffe seien Bestandteile der Brennstäbe, warnt Christina Hacker vom Umweltinstitut München, das nach der Tschernobyl-Katastrophe gegründet worden war.

Würden die Kerne schmelzen, drohe nicht nur die Gefahr einer weiteren Explosion durch die enorme Hitzeentwicklung, sondern auch noch eine Verseuchung des Grundwasser mit unabsehbaren Folgen für die Bevölkerung.

Auch wenn aus Japan derzeit offenbar nur wenig Waren eintreffen - können Verbraucher damit rechnen, dass diese auf Radioaktivität kontrolliert werden? Die Antwort lautet: Das ist ungewiss. Vorläufig zumindest.

Noch hat die Europäische Union keine zusätzlichen Kontrollen über den normalen Beprobungsplan hinaus angeordnet, darum gilt das normale Prozedere: Kontrolliert wird - stichprobenartig - immer in dem Land, in dem die Waren zuerst europäischen Boden erreichen.

Würde die EU angesichts der aktuellen Risikolage umfangreichere Kontrollen verfügen, würden zusätzliche Proben gezogen werden, "von zehn Prozent aller Chargen aufwärts", sagt ein Sprecher des Hessischen Landeslabors, das unter anderem über die Tierärztliche Grenzkontrollstelle die auf dem Frankfurter Flughafen eingehenden Lebensmittel - nicht nur Fleisch - kontrolliert. Unter Umständen könnte das bedeuten, dass die EU auf die Kontrolle aller Waren aus einem Land besteht.

Schon jetzt will das Hessische Landeslabor auch ohne Anweisung aus Brüssel tätig werden. Bis zu diesem Montag waren allerdings noch keine Waren eingetroffen, wie der Sprecher versichert.

Die Lufthansa, die mit ihrer Cargo-Tochter Waren aus Japan nach Deutschland fliegt, untersucht zwar ihre Flugzeuge auf Radioaktivität, bislang nicht aber die transportierten Güter, sagt ein Sprecher des Unternehmens.

Japanische Produkte, die aktuell in den Regalen des Lebensmittelhandels zu finden sind, dürften bereits vor der Krise ins Land gekommen sein. Und in der aktuellen Situation wird Japan angesichts der desolaten Lage eher Lebensmittel im Ausland kaufen als selbst welche zu exportieren. Doch Tschernobyl zeigt: Radioaktivität ist außerordentlich haltbar.

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