James-Bond-Outfits:Tragende Rolle

Ohne Maßanzug wäre James Bond nur halb so gut. Jetzt hat 007 wieder mal einen neuen. Ein Rückblick.

Marisa Buovolo

Noch bevor überhaupt der erste Trailer des neuen Bond-Films "Ein Quantum Trost" (ab 6. November in den Kinos) im Internet kursierte, hatte sich ein Gerücht längst herumgesprochen: Daniel Craig alias 007 soll den Schneider gewechselt haben. Seitdem es nun offiziell ist, dass der US-amerikanische Modedesigner Tom Ford das italienische Edelhaus Brioni - seit Mitte der neunziger Jahre der James-Bond-Ausstatter schlechthin - abgelöst hat, ist die Neugierde auf die Körperinszenierungen des berühmtesten Geheimagenten der Filmgeschichte groß. Wie werden die Anzüge sein, die Tom Ford - der sogenannte "King of Cool", der in den neunziger Jahren das damals fast bankrotte Modehaus Gucci rettete - für die heimliche Identifikationsfigur der Männerwelt entworfen hat?

Daniel Craig

Mag keine Anzüge: James-Bond-Darsteller Daniel Craig.

(Foto: Foto: dpa)

Seit mehr als vierzig Jahren ist der klassische Herrenanzug die zweite Haut von James Bond, die Uniform seiner nicht unumstrittenen "Manpower", die stets auf den Körper des jeweiligen Darstellers zurechtgeschneidert wurde. Der Anzug ist die Konstante einer Figur, deren Männlichkeit sich über die Jahrzehnte genauso wandelte wie der Anzug selbst.

Der Anzug bleibt unversehrt

Vielleicht wissen die wenigsten, dass der erste 007 der Filmgeschichte einer der bestangezogenen Männer der 1940er Jahre werden sollte: Cary Grant, der britische Gentleman Hollywoods, war berüchtigt für seine maßgeschneiderten Anzüge. In der legendären Maisfeldszene des Hitchcock-Klassikers "Der unsichtbare Dritte" steht der smarte Schauspieler als Werbefachmann Roger Thornhill an einer verlassenen Bushaltestelle im amerikanischen Nirgendwo, auf der Flucht vor Killern, die ihn mit einem Spion verwechseln. Als dann aus einem Flugzeug auf ihn geschossen wird, rennt der Mann im feinen Zwirn um sein Leben: Er fällt in den Staub, hastet durch die Felder, entkommt knapp der finalen Flugzeugexplosion - und ist am Ende unversehrt.

Genau wie seine Kleidung: Der schmal geschnittene, blaugraue Anzug ist staubig, aber intakt, sein Hemd ist noch immer blütenweiß. Sein Anzug gleicht einer unzerstörbaren Rüstung: Trotz aller Angriffe verliert der Held nie die Aura der Unversehrtheit. Der vielleicht berühmteste Anzug der Filmgeschichte wurde in der legendären Londoner Savile Row vom Edelschneider-Konsortium Kilgour, French&Stanbury kreiert. Sein Träger entwickelt darin eine souveräne Männlichkeit, die ihm dabei hilft, die Bösen zu besiegen und die Blondine zu kriegen.

Dass kurze Zeit später Cary Grant - in der ersten Verfilmung von Ian Flemings Roman "Dr. No" - James Bond spielen sollte, stand für die Produzenten Saltzman und Broccoli von Beginn an fest. Wer sonst hätte den Virilität ausstrahlenden Geheimagenten verkörpern können, der in der Zeit des angeschlagenen britischen Selbstbewusstseins maskuline Überlegenheit elegant demonstrieren konnte? Aber Grant wurde nicht Bond - er wollte nicht auf einen Serienhelden festgelegt werden.

Bond mit Sexappeal

Als die Wahl auf den 32-jährigen Schotten Sean Connery fiel, war eines klar: Der athletische junge Mann hatte für die Rolle den richtigen Sexappeal, das Animalische in ihm musste aber noch mit der Aura eines Gentleman versehen werden - schließlich sollte er nach der Vorstellung seiner Macher einen "Hai im Smoking" verkörpern. Es war der britische Regisseur Terence Young, der Connery Schritt für Schritt in James Bond verwandelte, ihn mit den Drinks, den Luxusobjekten und den Umgangsformen vertraut machte. Dann kam für Connery der letzte Schritt, um definitiv 007 zu werden: Er schlüpfte in Bonds zweite Haut - den maßgeschneiderten Anzug von Anthony Sinclair, seines Zeichens persönlicher Edelschneider des Regisseurs, der für den ersten Leinwand-Bond die gesamte Garderobe kreierte.

Zentral bei der Inszenierung von 007 war der klassische Herrenanzug mit dem Savile-Row-Cut: ein schlichtes Sakko mit einem gutsitzenden, schmalen Rumpf und doppelten hinteren Seitenschlitzen, aus kostbarster graublauer Baumwolle, die im traditionsreichen Glen-Urquhart-Karo schimmerte. In dieser britischen Uniform war James Bond aus dem Stoff der mächtigsten Männer der Nation gemacht: In den unverkennbar britischen Savile-Row-Anzügen hatte sich bereits Sir Winston Churchill inszeniert.

So drückten in der bewegten Zeit von Kaltem Krieg und Zerfall des britischen Imperiums Bonds dresscodes stets männliche Selbstbeherrschung und Kontrolle aus, während er - fast wie nebenbei - seine Gegner ausschaltete und gefährlich-schöne Ladys in High Heels um den Verstand brachte. Die Hypermaskulinität Bonds war eine reine Machtphantasie, die sich in seinem Anzug materialisierte.

Tragende Rolle

Der muss auch den australischen Autoverkäufer George Lazenby fasziniert haben. Als dieser als möglicher Nachfolger Connerys im Gespräch war - noch bevor ihm die Rolle offiziell angeboten wurde - ruiniert er sich fast finanziell, um sich einen von Sinclairs maßgeschneiderten Anzügen kaufen zu können. Aber es nutzte ihm nichts, er durfte nur einmal Bond sein. Unter dem Einfluss von Swinging London und dem Entwurf neuer Geschlechterbilder, wurde 007 feminisiert: Die strengen Sakkos sind im Film "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" mit breiten Revers und flatternden Platten aufgelockert, in einer Liebesszene trägt George Lazenby gar einen Kilt mit durchsichtigem Rüschenhemd. Aber der Schauspieler blieb eine zwischen Swinging-Sixties-Romantik und Machotum oszillierende Hybridfigur. Das Kino-Publikum war irritiert, der Film floppte. Vielleicht ein Grund, weshalb sich die Bond-Uniform in den Folgejahren gravierend veränderte.

James-Bond-Outfits: Smart im Dreiteiler: Sean Connery.

Smart im Dreiteiler: Sean Connery.

(Foto: Foto: dpa)

Bond-Parodie im Safari-Anzug

Als etablierter Star setzte Roger Moore seinen persönlichen Schneider durch, denn sein Bond sollte ein vollkommen anderer als der von Connery werden. Der traditionsbehaftete Anzug wurde daraufhin gewissermaßen dekonstruiert, indem Moores Ausstatter Trends der zeitgenössischen Mode in die Outfits einfließen ließ. 007 trug plötzlich Freizeithemden, Safari-Jacken und Overalls. In der Ära feministischer Proteste, sexueller Revolution und ethnischer Selbstbehauptung konnte Roger Moore die Hypermaskulinität Bonds nur parodieren. Ein Glück, dass ihm der bananengelbe Skianzug und das futuristische Astronautenoutfit auch ganz passabel standen.

Ende der achtziger Jahre löste Timothy Dalton Roger Moore ab. Aber nur zweimal durfte der etwas steife Schauspieler in Bonds Dinnerjacke erscheinen - dann trat 1995 in dem Iren Pierce Brosnan wieder ein zeitgenössischer 007 auf den Plan. Lindy Hemming, seinerzeit die Kostümdesignerin, wollte an der Schwelle zum neuen Jahrtausend den angestaubten Savile-Row-Cut hinter sich lassen. Ihr schwebten Anzügen vor, die nicht gleich veraltet wirkten, und die den Drehstrapazen standhielten - bei einem simplen Stunt wurden damals angeblich zehn bis fünfzehn solcher Anzüge vebraucht. Lindy Hemming entschied sich für die Marke Brioni. Kein Zufall: Schon in den Fünfzigern hatte sich das italienische Modehaus in puncto Herrenausstattung als Gegenpol zur seit 200 Jahren vorherrschenden britischen Schneiderkunst etabliert.

Der neue Anzug war keine Uniform männlicher Macht mehr, sondern eine locker sitzende Hülle. Der schlaksige Pierce Brosnan sagte einmal, er könne, wenn er seinen Brioni anziehe, geradezu fühlen, wie er zu James Bond werde. Der perfekt geschnittene Herrenanzug war in der Zeit der "Gender Troubles" das beste Versteck für die männliche Unsicherheit, die lediglich von den neuen, offensiven Frauen im Bond-Universum durchschaut wurde.

Welches Mannsbild verkörpert nun der aktuelle Bond, also der blonde Daniel Craig? Seine Männlichkeit ist zeitgemäß hochambivalent und durch Brüche und Widersprüche geprägt, denn seine Bond/Mann-Werdung offenbart sich im Film "Casino Royale" als ein schmerzhafter, von physischen Anstrengungen und Selbstzweifeln begleiteter Prozess. Es scheint fast so, als stünde Bonds Männlichkeit erstmals auf dem Prüfstand. Hinzu kommt, dass sein Körper selten von einem mächtigen Anzug umschlossen ist: In den Action-Szenen etwa trägt der Geheimagent lediglich Tropical-Shirts und Polohemden, die seinen Bizeps zur Schau stellen.

Bizeps-Schau statt Anzug

Der Anzug ist für ihn nur eine Pflichtübung. Vor der zentralen Stelle des Films, dem Pokerspiel, wird er eher widerwillig in einen Anzug gesteckt, der seinen Siegerstatus demonstrieren soll. Aber der körperbetonte Tuxedo, seit je das Symbol von Bonds Überlegenheit, offenbart sich bald als eine instabile Hülle. Sein nackter Körper wird angegriffen, verletzt, gefoltert, man sieht sein Blut, kann seinen Schweiß förmlich riechen. James Bond kommt an die Grenzen seiner physischen und emotionalen Kräfte. Erst am Ende des Films, am Ende seiner Qualen, kann er sich als James Bond behaupten, im dunkelblauen Brioni-Anzug und mit hellblauer Seidenkrawatte.

Aber kann sich ein etwas grobschlächtiger Kerl wie Craig überhaupt in einen Gentleman verwandeln? Die Frage hat auch Kostümdesignerin Louise Frogley und den aktuellen Bond-Schneider Tom Ford beschäftigt, der seine ganz eigene Vision von Maskulinität auf Daniel Craig zugeschnitten hat. "Männlichkeit ist für mich, den lässig-eleganten Savile-Row-Schnitt mit der Arroganz eines Pornostars aus den 1970er Jahren zu verschmelzen", so der Stardesigner.

Ob uns die optische Entwicklung nun gefällt oder nicht - ein kleiner Trost bleibt: Die Welt wird 007 auch dieses Mal retten. Mit oder ohne Anzug.

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