Süddeutsche Zeitung

Jake Burton:"Kein Shop wollte die Dinger kaufen"

Am Anfang war der Snurfer: Jake Burton, der Mit-Erfinder des Snowboards, über grüne Bretter und Barack Obama.

Thomas Becker

Jake Burton tropft. Mit Handtuch auf dem nassen Haar steht er im Appartement des modernen Laaxer Hotels Rocks-Resort, ist gerade von der Piste gekommen, wo er Gast seiner eigenen Veranstaltung war: den Burton European Open, dem Treff der weltbesten Snowboarder. Die Talabfahrt nahm der 54-Jährige mit dem bekanntesten Gesicht der Szene: Shaun White. "Very inspiring", sagt er. Jetzt fehlen noch die Socken - aber egal, die Zeit mit dem Lord of the Board ist knapp, da muss es auch barfuß gehen.

Süddeutsche Zeitung: Jake, wie viele Tage haben Sie in dieser Saison schon auf dem Board verbracht?

Jake Burton: 58. Ich zähle immer von Juni an. Das sind die letzten Schneetage bei uns am Mount Washington. Seit dem Jahreswechsel bin ich erst sechs Tage gefahren - in Neuseeland.

SZ: Erinnern Sie sich an Ihren letzten Tag auf Skiern?

Burton: Oh ja. Als ich 1977 die Firma gründete, habe ich bald darauf damit aufgehört. Erst als meine drei Söhne Skifahren lernten, musste ich wieder auf zwei Bretter. Mein Jüngster wollte unbedingt zwischen meinen Beinen fahren, 1992 war das. Ich wollte wissen, wie der Stand beim Ski-Equipment ist, probierte das Neueste vom Neuen aus - es war furchtbar. Ich fühle mich einfach so viel wohler auf dem Snowboard.

SZ: Kein Wunder, Sie befassen sich ja schon eine Weile mit dem Thema.

Burton: Klar. Als ich anfing, gab es den Snurfer. Der war zehn Zentimeter breit, knapp einen Meter lang, hatte keine Bindung, nur dieses Seil da vorne, wie Zügel. Ich wusste gleich: Die Bretter müssen breiter und länger sein und irgendeine Art von Bindung haben. Bevor ich die Firma gründete, habe ich bestimmt hundert Prototypen gebaut, mit 15 oder 20 unterschiedlichen Konstruktionen, mit Fiberglas wie bei Surfbrettern, laminiertem Holz wie beim Skateboard. Ich begann im Dezember 1977 und dachte, noch im selben Winter Snowboards verkaufen zu können - und habe es gerade so für die nächste Saison geschafft.

SZ: Ihre Boards haben erstmal nicht gerade eingeschlagen...

Burton: Nein, kein Shop wollte die Dinger kaufen. Mit zwei Verwandten und einem Freund wollte ich 50 Boards am Tag bauen, doch am Ende des ersten Jahres hatten wir gerade mal 300 Bretter verkauft. Wir waren kräftig im Minus; im Sommer musste ich kellnern und Tennisstunden auf Long Island geben, um Geld zu verdienen.

SZ: Warum war es so hart?

Burton: Der Snurfer kostete zehn Dollar, unser Brett fast 90 Dollar. Im zweiten Jahr habe ich mit einem Helfer allein gearbeitet. Ich erinnere mich noch, wie wir unser 700. Board gebaut haben und dachten: Wow! Dabei wollten wir mal 50 am Tag machen. Aber dann haben wir es geschafft, unsere Produktion in jedem Jahr zu verdoppeln - und das 15 Jahre lang. Jedes Jahr doppelt so viel.

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SZ: Nach all den Jahren des Verbesserns: Wie nahe an der Perfektion sind die Bretter heute?

Burton: Nicht sehr nahe. Snowboarden ist sehr dreidimensional. Wie Wellenreiten. Reden Sie mal mit Kelly Slater: Eine minimale Veränderung am Brett ändert alles.

SZ: Was muss besser werden?

Burton: Es gibt noch so viele Möglichkeiten. Nicolas Müller zum Beispiel arbeitet für uns an einem grünen Snowboard, am ökologischen Aspekt. Ein Board besteht aus so vielen nicht recyclebaren Materialien: Metall, Fiberglas, Holz, Stahl - das kann anders werden. Wir produzieren derzeit in Österreich, Polen und China - letzterer nicht gerade ein Musterschüler in Sachen Umweltschutz. Auch bei Kleidung und Verpackung forscht unser Green Mountain Project an Verbesserungen. Was die Ökologie angeht, haben wir noch einen langen Weg vor uns.

SZ: Der Snowboardsport lebt auch von spektakulären Events, aber die Sponsoren sind schon seit einiger Zeit ziemlich zurückhaltend geworden. Das Air&Style-Spektakel hatte nach dem Rückzug von Nokia ganz schöne Schwierigkeiten, einen neuen Geldgeber zu finden. Wie wirkt sich die derzeitige Wirtschaftskrise auf Ihr Unternehmen aus?

Burton: Wir sind zum Glück kein börsennotiertes Unternehmen; uns sagt nicht die Wall Street, was wir zu tun oder zu lassen haben. Darüber bin ich schon sehr froh. Generell trifft diese Krise in unserer Branche eher einige kleinere Anbieter; Burton bleibt in den Shops weiterhin präsent.

SZ: 2004 nahmen Sie eine Auszeit, um mit Ihrer Familie zehn Monate lang alle Kontinente zum Snowboarden zu bereisen, immer dem Winter hinterher. Wie war das?

Burton: Wir wollten einerseits unseren Kindern die Welt mit ihren verschiedenen Kulturen zeigen. Und ich wollte nicht mehr so geschäftsmäßig reisen: eine Woche Japan für eine Messe, Neuseeland für zehn Tage. Kaum fühlt man sich irgendwo wohl, muss man weiter. Das macht einen bitter: Mist, jetzt muss ich schon wieder nach Japan. Ich wollte mal länger bleiben, Afrika und Asien anschauen. Ich war vorher noch nie in Australien - und dann einen ganzen Monat lang. Ich war beim Rugby, Snowboarden, hab mich von der Surf-Kultur vereinnahmen lassen. Für die Kids war es phantastisch. Amerikanische Kinder sind so isoliert. Als ich mal ein paar unserer Snowboardfahrer aus Kalifornien zu unserem Europa-Hauptsitz in Innsbruck mitbrachte, stiegen sie aus dem Flieger und sagten: "Hey, die sprechen gar kein Amerikanisch hier!" Der Satz hätte auch von Bush stammen können.

SZ: Haben Sie seinen Abgang gefeiert?

Burton: Oh ja! Wir waren zu Barack Obamas Vereidigung eingeladen. Ich weiß noch, dass wir 2004 auf unserer Weltreise allen anderen immer zuerst klarmachen mussten: Wir sind gegen George Bush! Wir waren gerade im Irak einmarschiert - eine schwierige Zeit, als Amerikaner durch die Welt zu reisen. Als Kerry damals gegen Bush verlor, konnte meine Frau Donna gar nicht mehr aufstehen. Es war furchtbar.

SZ: Ist Obama eigentlich auch ein Snowboarder?

Burton: Nein, aber er ist ein guter Body-Surfer. Haben Sie die Bilder gesehen? Der ist in richtig große Wellen rein! Auf Hawaii!

SZ: Jake, Sie müssen Obama aufs Snowboard stellen...

Burton: Stimmt, das sollten wir tun.

SZ: Sie haben drei Söhne. Wie groß ist deren Interesse am Snowboarden und an der Firma?

Burton: George, Taylor und Timmy sind gute Boarder, gehen lieber ins Gelände statt in die Pipes, sind keine Wettkampf-Typen. Der Mittlere arbeitet in einem Snowboard-Shop und kommt schon mal mit Brettern anderer Firmen heim, der Gauner. Sie alle haben schon mal ein Snowboard gebaut - in der Schule. Aber ich wünsche mir, dass sie offen für vieles sind. Snowboarden hat sicher eine große Zukunft, aber ich möchte meine Jungs nicht bedrängen. Sie sollen viele Möglichkeiten haben. Klar, es ist ein Familienunternehmen, meine Frau Donna leitet die Women's Leadership Initiative. Aber: Was passiert, wenn mein Sohn ein Mädchen aus Wilson, Texas kennenlernt?

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Quelle:
SZ vom 26.01.2009/cag
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