150 Jahre Borsalino:Von wegen "Alter Hut"

Männlich, elegant, verrucht: Der Hut aus feinstem Biberhaar mit Ripsband außen und feinem Leder-Schweißband innen wird 150.

Henning Klüver

Mailand - Humphrey Bogart trug ihn, Alain Delon und Al Capone auch. Gorbatschow kaufte sich seinen ersten bei einem Staatsbesuch in Helsinki. Und Dario Fo wagt sich ohne gar nicht mehr in die Öffentlichkeit. Der Mann von Welt greift ihn mit der rechten Hand, den Zeige- und Mittelfinger in die Hutfalte gelegt. Der Daumen rechts und der Ringfinger mit dem kleinen Finger links geben dem Filz dann die elegante Beulenform. Man muss ihn nicht einmal auf dem Kopf tragen. Es genügt, im Sitzen die Beine übereinander geschlagen, ein lässiges, kaum vernehmbares Wedeln mit dem Borsalino. Und wenn man zum weißen Panama auch noch einen eierschalweißen Anzug trägt, dann ist der Look perfekt: männlich, elegant und ein bisschen verrucht.

150 Jahre Borsalino: Ein Hut als Mythos: Alain Delon in "Borsalino" von 1970.

Ein Hut als Mythos: Alain Delon in "Borsalino" von 1970.

(Foto: Foto: AP)

So jedenfalls stellt es sich Alessandra Maregatti, die "künstlerische Direktorin" des weltberühmten Hutunternehmens aus dem piemontesischen Alessandria vor. Ein Provinzstädtchen, das zwei Weltstars hervorgebracht hat: Umberto Eco und Borsalino. Für diesen Frühling-Sommer hat die Chefstylistin eine Produktlinie entworfen, die etwa auf halbem Weg zwischen britischem Kolonialstil und der Hollywood-Eleganz der fünfziger Jahre liegt. Cary Grant lässt grüßen. Denn es ist eine besondere Saison, in die die Hutmacher starten: In diesen Tagen kann das Unternehmen seinen 150. Geburtstag feiern.

Aus feinstem Biberhaar

Den Gründer, Giuseppe Borsalino, zog es als Jugendlichen ins benachbarte Frankreich. Nach sechs Lehrjahren und einem Diplom als "Huterer" kam er 1857 in seine Heimatstadt Alessandria zurück, wo er eine Hutmacherwerkstatt er-öffnete. Zunächst Stück für Stück per Hand gefertigt aus feinstem Biberhaar unversteift, mit Ripsband außen und feinem Leder-Schweißband innen. Ende der achtziger Jahre jenes Jahrhunderts kaufte der Firmengründer Maschinen aus Manchester, und die Produktion stieg: auf bis zu 5000 Stück am Tag kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges. Das waren glückliche Jahre, als man die Männerwelt noch unter einen Hut bringen konnte.

Mit den Produktzahlen wuchsen die Modellvarianten. Es gab sehr praktische Versionen wie den "Icaro roll" zum Beispiel, der sich zusammengerollt in die Tasche stecken ließ. Oder den "Gradus", den man je nach Lust und Laune in eine andere Form umstülpen konnte. Die Hutmacher von Alessandria dachten vor allem an den Export. Ihr Fez war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die meistverkaufte Kopfbedeckung im Maghreb. Schwarze Melonen gingen nach Peru, Bowler nach London, und in Texas versuchte man sogar, dem Stetson- Cowboyhut Konkurrenz zu machen.

Die Großfirma entwickelte sich dann unter Teresio Borsalino zu einem sozialen Modellunternehmen: Es gab Wohnhäuser für die Arbeiter und Angestellten, eigene Kranken- und Rentenversicherungen entstanden, und die Mitarbeiter konnten mit ihren Kindern den Sommerurlaub in firmeneigenen Feriendörfern verbringen.

Der Mythos im Kino

Mit der Kinoindustrie stieg das Image von Borsalino ins Mythische. Und gipfelte schließlich 1970 im gleichnamigen Film von Jacques Deray mit Alain Delon und Jean-Paul Belmondo. Doch da kriselte es in Alessandria bereits. Für die 68er-Generation war der Borsalino ein alter Hut, die Absatzzahlen sanken kontinuierlich, die Besitzer wechselten mehr als einmal. Die historischen Produktionsanlagen in der Via Cavour mussten verkauft werden.

Nach ihrem Umbau zu Universitätsräumen studieren auf dem ehemaligen Firmengelände jetzt junge Menschen Politikwissenschaften und Jura. Immerhin konnte in einem Teil des ehemaligen Palazzo Borsalino im vergangenen Jahr das neue Hutmuseum (www.comune.alessandria.it) eingerichtet werden, das allein mit 2000 verschiedenen Formen von Kopfbedeckungen einen Einblick in die Geschichte des Hauses und der Mode allgemein gibt.

Borsalino selbst ist heute ein mittleres Unternehmen mit rund 120 Mitarbeitern, das 90 000 Hüte im Jahr herstellt und einen Umsatz von rund 20 Millionen Euro erzielt. Neben Hüten, Kappen und Mützen für beiderlei Geschlecht entwirft Alessandra Maregatti für das Haus inzwischen auch Jacken und Handschuhe und alles, was man so zum Hut tragen kann. Sogar ein Fahrrad ziert inzwischen den typischen Borsalino-Schriftzug mit dem Biberwappen.

Inspiriert durch den "Virgilio Dorsè", den ersten Borsalino aus dem Jahr 1857, gibt es jetzt eine Geburtstagskollektion in limitierter Auflage mit genau 1857 Stück. Sie setzt sich zusammen aus dem Hut, einer Kappe, einem Einreiher-Anzug und einem Motorradhelm wahlweise in Blau oder schieferfarbig, der auch als elegante Abendversion mit Satinseide gefüttert zu haben ist.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: