Iranischer Humor:"Laufen Sie nicht, Ihr Hintern bewegt sich!"

Trotz Atomstreit, Israelkonflikt, Terrorismus: Auch Iraner haben Kinder, gehen ins Kino und essen Eis. Schauspielerin Jasmin Tabatabai über ihr Geburtsland und die unterschiedliche Mentalität von Deutschen und Iranern.

Interview: Verena Duregger

Die Comicverfilmung Persepolis (seit dieser Woche im Kino) erzählt von der Kindheit der Iranerin Marjane Satrapi unter dem Mullah-Regime. Schauspielerin Jasmin Tabatabai ("Bandits", "Vier Minuten") ist die deutsche Synchronstimme der Titelheldin. Die 40-jährige Deutschiranerin lebte bis 1978 in Teheran und teilt einschneidende Kindheitserfahrungen mit Marjane Satrapi.

Persepolis-Figuren

Auch der Alltag unter Mullahs hat seine witzigen Seiten.

(Foto: Foto: oh)

SZ: Frau Tabatabai, worin lag für Sie der Reiz, die deutsche Stimme der Marjane zu sein?

Tabatabai: Ich bin in einer ähnlichen Zeit im Iran aufgewachsen und habe mit zwölf Jahren die Revolutionszeit erlebt. Die Comics von Marjane Satrapi faszinieren mich seit Jahren. Viele ihrer Bilder sind Bilder meiner Kindheit, es sind auch meine Erinnerungen. Wir kommen aus einer ähnlichen Schicht, aus modernen Familien. Ich bin mit meiner Familie mit zwölf Jahren nach Deutschland geflohen, Marjane war 14, als sie ihre Eltern nach Österreich schickten. Der größte Unterschied ist, dass ich eine deutsche Mutter habe.

SZ: Was ist das Anliegen dieses Films?

Tabatabai: Wenn man an den Iran denkt, denkt man an Atomstreit, Israelkonflikt, Fanatiker und Terrorismus. Aber nicht an die Menschen. Wie Satrapi richtig sagt, haben Iraner Kinder, gehen ins Kino und wollen danach ein Eis essen, ganz gewöhnliche Dinge. Der Film lenkt den Fokus auf die Menschen, nicht nur auf die Politik. Das ist der größte Verdienst: Marjane Satrapi hat den Iranern ein menschliches Antlitz zurückgegeben. Ein Land wird entmenschlicht, wenn man jahrelang nichts mehr von seinen Bewohnern hört. Dann ist es einfacher, Bomben darauf zu werfen. So war es, bevor die Amerikaner den Irak angegriffen haben.

SZ: Es überrascht, dass gerade eine Komödie den Iran einem größeren Publikum nahe bringt.

Tabatabai: Ich gehe nicht gerne ins Kino und werde belehrt. Ich werde gerne menschlich berührt und dazu gehört es, zu lachen. Das iranische Volk hat einen sehr eigenen Humor. Bei der Szene, in der Marjane zu spät dran ist und zum Bus laufen muss und dann über Lautsprecher hört: Laufen Sie nicht, Ihr Hintern bewegt sich!, hat das ganze Kino gelacht. Leider Gottes ist es die Realität.

SZ: Leiden Sie darunter, dass Ihr Herkunftsland in den meisten Teilen der Welt ein negatives Image hat?

Tabatabai: Natürlich. Man versucht immer, das Land zu verteidigen, es verständlich zu machen. Ich erkläre meinen Freunden in Deutschland immer, dass die Regierung Ahmadinedschad in keiner Weise repräsentativ ist für das Volk, und dass die Iraner eine andere Mentalität haben als die Mullahs. Wenn aber das Bild, das man von einem Land bekommt, nur Ahmadinedschad, verschleierte Frauen und fanatische, bärtige Männer zeigt, dann ist es schwer, das klarzumachen. Man kann auch nicht erwarten, dass die Leute sich von selbst damit beschäftigen und dieses Bild hinterfragen.

SZ: Welches Bild haben Sie vom Iran?

Tabatabai: Der Iran ist eine meiner Heimaten. Zur Heimat, aus der man kommt, hat man als normaler, gesunder, offener Mensch ein durchaus kritisches, aber doch liebevolles Verhältnis. Mir passt auch nicht alles, was die Deutschen machen. Ich bin in vielen Momenten aber auch froh, dass ich Deutsche bin. Genauso verhält es sich mit dem Iran, ich halte mich von ewiggestrigen Exiliranern fern.

SZ: Wie war es für Sie, als Sie mit zwölf Jahren nach Deutschland gekommen sind?

Tabatabai: Es war eine Riesenumstellung. Ich habe ein paar Jahre dafür gebraucht - obwohl ich zweisprachig aufgewachsen bin, einen deutschen Pass hatte und das Land aus Urlauben kannte.

SZ: Was ist Ihnen dabei besonders schwer gefallen?

Tabatabai: Mit einer gewissen Kinderfeindlichkeit bin ich nicht zurechtgekommen. In Krailling bei München wurden wir von einem Nachbarn regelrecht terrorisiert. Wir durften in der Mittagsruhezeit nicht laut lachen, sonst kam sofort die nächste Beschwerde. Es war befremdend, in einem Land zu leben, in dem man sich sowas nicht trauen darf. Heute würde ich mir das nicht gefallen lassen.

SZ: Was können Deutsche von Iranern lernen?

Tabatabai: Familiensinn, Humor, Kinderfreundlichkeit und Gelassenheit. Iraner gehen freundlicher miteinander um.

SZ: Warum sind Sie seit 20 Jahren nicht mehr in den Iran gereist?

Tabatabai: Nachdem ich die erste Nacktszene gedreht habe, wusste ich, dass ich nicht mehr in den Iran reisen kann.

SZ: Was vermissen Sie am meisten?

Tabatabai: Die Sonne. Die schöne, wärmende iranische Sonne vermisse ich sehr. Und den Himmel, Teheran liegt ja viel höher als Berlin, und der Himmel ist viel dunkler.

SZ: Man könnte sagen, Persepolis kommt zum richtigen Zeitpunkt. Zufall oder Schicksal?

Tabatabai: Als Orientalin glaube ich eher an Schicksal als an Zufall. Im Moment ist das Interesse der Europäer und der Amerikaner am Iran gewachsen, ich glaube, das ist eine Reaktion auf die Politik. Ich spüre ein verstärktes Interesse am Iran. Die Leute fragen sich, was ist das eigentlich für ein Land?

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