Interview: Botox und Beziehungen:Glückliche Paare kriegen die gleichen Falten

sueddeutsche.de: Wie haben Sie das Mitgefühl der Botox-Behandelten getestet?

David Neal

Der Sozialpsychologe David Neal forscht an der University of Southern California.

(Foto: privat)

Neal: Mit einem Test, der eigentlich für Autisten entwickelt wurde. Die Probanden sehen sich Aufnahmen von Augenpartien an. Dort wird nämlich ein Großteil der Gefühle ausgedrückt. Dann mussten die Teilnehmer sagen, welches Gefühl auf jedem Bild zum Ausdruck kommt. Das ist zum Teil nicht ganz einfach, es geht nicht darum, zu erkennen, ob jemand traurig oder glücklich ist. Sondern darum, Gefühle zu unterscheiden, die im Ausdruck sehr ähnlich sind. Die Botox-Behandelten schnitten in dem Test deutlich schlechter ab als unsere Kontrollgruppe, Menschen die Restylane benutzt hatten, ein Mittel, mit dem Falten aufgefüllt werden.

sueddeutsche.de: Warum diese Kontrollgruppe?

Neal: Restylane füllt Fältchen auf, statt Gesichtszüge zu lähmen. Es war die perfekte Vergleichsgruppe in jeder Hinsicht: Sie entsprach der Botox-Gruppe in Alter und Status, aber auch in der Einstellung: Die Teilnehmerinnen beider Gruppen - insgesamt 31 Frauen - legen großen Wert auf ihr Äußeres. Wir wollten die Kritik vorwegnehmen, dass Menschen, die sich mit Botox behandeln lassen, oberflächlicher und eitler sein könnten und deswegen schlechter darin sind, Gefühle zu erkennen. So konnten wir sicher gehen, dass tatsächlich die Gesichtsmuskeln und die Fähigkeit, Mimik zu imitieren, ausschlaggebend sind.

sueddeutsche.de: Wie kamen Sie die Idee für die Studie?

Neal: Eigentlich durch eine Untersuchung aus den achtziger Jahren. Sie kam zu dem Schluss, dass sich Paare, die 20 oder 25 Jahre zusammenleben, immer ähnlicher werden - und zwar deswegen, weil sie ständig unbewusst die Mimik des anderen imitieren und dadurch ähnliche Fältchen und Gesichtszüge entwickeln. Interessant war auch, dass diejenigen Paare, deren Gesichtszüge sich anglichen, glücklicher waren. Eine Erklärung dafür ist, dass das gegenseitige Spiegeln von Gesichtsausdrücken sehr wichtig ist, um Gefühle zu teilen und Empathie zu empfinden. Wenn wir unsere Gegenüber nicht imitieren können, verstehen wir ihre Gefühle nicht so gut.

sueddeutsche.de: Botox kann also zu Beziehungsproblemen führen?

Neal: Nicht zwangsläufig. Aber es kann definitiv passieren. Weil jemand nach einer Botox-Behandlung die Gefühle des Partners nicht mehr so exakt deuten kann wie zuvor.

sueddeutsche.de: Das klingt ziemlich paradox.

Neal: Das ist total paradox. Ein Grund, warum sich Menschen Botox spritzen lassen, ist ja, weil sie denken, es würde ihre Beziehung, ihr Liebesleben verbessern. Es könnte auch gut sein, dass die Vorteile - die Behandelten sehen attraktiver und jünger aus, fühlen sich besser - gegenüber dem Nachteil, dass sie nicht mehr so gut mitfühlen, überwiegen.

sueddeutsche.de: Ist Ihre Empfehlung also, die Finger von Botox zu lassen?

Neal: Das muss selbstverständlich jeder für sich entscheiden. Wir möchten nur darauf aufmerksam machen, welche unerwarteten Folgen Botox für eine Beziehung haben könnte.

sueddeutsche.de: Aber für Sie wäre das nichts?

Neal: Momentan auf keinen Fall. Aber fragen Sie mich in 15 Jahren noch mal, da bekommen Sie vielleicht eine andere Antwort. Allerdings müsste ich mir dann wohl ein anderes Forschungsgebiet suchen. Sonst würde ich ja total unglaubwürdig wirken.

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