Süddeutsche Zeitung

Teddys in der Schule:"Ein Kuscheltier zeigt, dass sich das Kind in der Welt sicher fühlt"

Sollte ein Schüler seinen Teddy mit in die Klasse bringen dürfen? Darüber ist auf Twitter eine Diskussion entbrannt. Eine Kinder-Psychotherapeutin erklärt, warum Stofftiere ein Zeichen von Reife sind.

Interview von Nora Reinhardt

Dieser Tage werden in vielen Bundesländern die Kinder eingeschult. Für die Sechsjährigen beginnt eine neue Phase. Wo sie bis jetzt mit Sandförmchen und Stofftieren gespielt haben, bekommen sie jetzt Schultüte und Stundenplan in die Hand gedrückt und beginnt das, was manche etwas abgegriffen "Ernst des Lebens" nennen. Dazu passt ein Tweet, der kürzlich für Aufregung sorgte. Ein Mann mit Namen @Zwitscherelf berichtete über die Einschulung seiner Brüder. Die Schulleiterin hatte den Kindern erklärt, dass Plüschtiere nichts in der Schule zu suchen hätten. "Hallo Leistungsgesellschaft!", schrieb der Mann. Sein Tweet gefiel knapp 10 000 Menschen und löste eine Diskussion über den Umgang mit Kuscheltieren im Klassenzimmer aus. Höchste Zeit, das Thema von professioneller Seite zu betrachten.

SZ: Frau Busch, Sie sind Kinderpsychotherapeutin, beschäftigen sich also beruflich mit dem Kindeswohl. Was halten Sie von Kuscheltieren im Klassenzimmer?

Eva Busch: Kuscheltiere helfen den Kindern. Sie haben dann einen Unterstützer bei sich und spüren zusätzliche Sicherheit. Es spricht also nichts dagegen, seinen Teddy mit in die Schule zu bringen. Er ist ja zum Glück stumm. Etwas anderes ist es bei diesen Sprechtieren. Die stören natürlich den Unterricht.

Interview am Morgen

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Sagt es etwas über den Entwicklungsstand eines Kindes aus, wenn es Kuscheltiere mit sich herumträgt?

Nein. Manche Kinder sind eben ängstlich und bestehen auf ihr Plüschtier. Andere fühlen sich schon wie die Großen, wenn sie in die Schule kommen und wollen auf keinen Fall eins mitnehmen. Wie man mit Kuscheltieren umgeht, muss die Schule entscheiden. Manche Schulen setzen auf eine langsame Eingewöhnungsphase, in der Plüschtiere erlaubt sind, andere nicht.

Welche Funktion haben Kuscheltiere für Kinder?

Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn jemand ein Kuscheltier hat. Es zeigt, dass das Kind einen Partner, einen Tröster gefunden hat. Es spricht außerdem für Reife.

Man würde eher das Gegenteil annehmen.

Nein. Denn ein Kuscheltier zeigt, dass sich das Kind in der Welt sicher fühlt. Ein Kind muss Sicherheit erfahren haben, um sich einen Lieblingsteddy herauszusuchen; ein Kind, das vernachlässigt wird und sich hilflos fühlt, entwickelt diese Fähigkeit nicht. Donald Winnicott, der Forscher, nach dem unser Institut benannt ist, erfand den Begriff des "Übergangsobjektes".

Was bedeutet das?

Diese Objekte helfen beim Ablösen von den Eltern. Die Kinder machen mithilfe ihrer Fantasie aus einem unbelebten Objekt ein belebtes, das ihnen Sicherheit und Geborgenheit gibt. Ein Übergangsobjekt kann übrigens alles Mögliche sein: Der Zipfel einer Decke, ein Faden, eine Puppe. Ich kenne ein Kind, das überall seinen Eierlöffel mit hinnahm. Andere lutschen am Daumen oder haben imaginäre Freunde. Es ist aber praktisch, wenn das Übergangsobjekt transportabel ist.

Ab welchem Alter ist es komisch, wenn ein Kind noch auf sein Kuscheltier besteht?

Gar nicht. Irgendwann verliert es an Magie: Die Kinder finden Freunde, erleben viel und das Tier ist nicht mehr existentiell wichtig. Oder es wird nur noch bei Fieber gebraucht. Normalerweise sind Übergangsobjekte bis zum sechsten Lebensjahr von Bedeutung, aber wenn es länger dauert, ist es überhaupt nicht schlimm. Eltern sollten dem Kind seinen Schatz lassen. Das Kuscheltier akzeptieren und sich freuen, dass es eine gute Wirkung hat. Man sollte auch nicht nachfragen, was das Kind und das Kuscheltier miteinander besprechen.

Studien zufolge sind Stofftiere auch für Ältere wichtig. Offenbar fliegen mehr als zehn Prozent der Erwachsenen mit ihrem Kuscheltier in den Urlaub. Ist das nicht komisch?

Nein, alle Menschen haben etwas, das sie tröstet. Ob man einen Kaffee braucht, um zu glauben, dass der Tag gut losgeht. Oder ob man am liebsten im eigenen Bett schläft. Jeder Mensch hat Rituale, Routinen, Objekte, mit denen er sich wohlfühlt und weltweit gibt es magische Objekte, die einen vor Unbill schützen sollen. Talismane sind im Grunde nichts anderes als Kuscheltiere.

Was, wenn das heißgeliebte Kuscheltier verloren geht?

Keine Sorge, da kommt das Kind drüber weg. Manche besorgte Eltern kaufen das Lieblingskuscheltier zwei Mal, aber das ist unnötig. Ich hatte früher immer einen Schnuller dabei. Einmal sind wir am Wochenende weggefahren und ich habe den Schnuller vergessen und meine Mutter sagte, den haben die Gänse gefressen. Das war zwar erst mal schlimm für mich, aber dann auch nicht mehr so wild.

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