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Internet: Tick Tack macht die Uhr. Die Video-Plattform TikTok gibt aktuell Tempo und Richtung für soziale Netzwerke vor.

Tick Tack macht die Uhr. Die Video-Plattform TikTok gibt aktuell Tempo und Richtung für soziale Netzwerke vor.

(Foto: imago stock&people)

Chinesisch, gigantisch, von Eltern gehasst: acht Fragen zur größten App der Welt. Wie man die App austricksen kann und warum ausgerechnet die AfD sie liebt. Was mit Tiktokisierung gemeint ist und was das alles mit dem Krieg in der Ukraine zu tun hat.

Von Nina Himmer

Was ist das für ein Name?

Würde man Tiktok auf Deutsch übersetzen, hieße die Plattform Ticktack. Gemeint ist damit das Geräusch einer tickenden Uhr. Der rhythmische Name ergibt Sinn, denn früher hieß die App Musical.ly und war eine Plattform für umgekehrtes Karaoke: Nutzerinnen und Nutzer bewegen zu bekannten Songs die Lippen und tanzen. 2017 wurde die App verkauft und in der Folge umbenannt. Auf Tiktok gibt es noch immer viele Musikvideos, aber auch zunehmend andere Inhalte, die nur eines gemeinsam haben: sie müssen in Videos passen, die maximal drei Minuten lang sind. In China heißt die App übrigens Douyin, was so viel wie "Vibrato-Kurzvideo" bedeutet.

Warum hat Google Angst vor denen?

Zugegeben: Es ist keine große Schlotterangst, dafür ist Google zu übermächtig. Aber Sorgen macht Tiktok dem Giganten doch. Zum einen suchen vor allem junge Menschen Produkte und Orte mittlerweile oft auf Tiktok statt mit Diensten der Suchmaschine, da wächst also ein Konkurrent heran. Zum anderen sind die Qualitätsfilter bei Tiktok ziemlich lasch. Eine Studie zeigt zum Beispiel, dass rund 20 Prozent der Suchergebnisse auf Tiktok falsche oder irreführende Informationen liefern - viele davon unter den ersten fünf Treffern. Das sollte wohl nicht nur Google Sorgen machen, sondern allen.

Wer steckt dahinter?

Das chinesische Unternehmen Bytedance, das seinen Sitz in Peking hat. Es gilt als das wertvollste Start-up der Welt, als sogenanntes Einhorn. Im Frühjahr 2021 stieg die chinesische Regierung mit ein und belegt seitdem einen von vier Sitzen im Aufsichtsrat des Unternehmens. Damit sind viele nicht glücklich: Obwohl die Inhalte von Tiktok und Douyin angeblich streng getrennt sind, stehen auch für Tiktok Zensurvorwürfe im Raum. Auch ist unklar, was mit den Daten der Nutzerinnen und Nutzer passiert. Beim US-Militär und in einigen großen Konzernen darf die App aus Angst vor Spionage nicht verwendet werden.

Was ist Tiktokisierung?

Aktuell nutzen mehr als eine Milliarde Menschen in über 155 Ländern Tiktok und Douyin - das macht die App zur erfolgreichsten der Welt. Die Pandemie hat dazu kräftig beigetragen, im Lockdown ginge die Downloads durch die Decke. Rund zwanzig Millionen Menschen nutzen die App mittlerweile in Deutschland. Ihr Erfolg ist so groß, dass viele von einer Tiktokisierung sprechen. Damit ist gemeint, dass sich andere Plattformen an Tiktok orientieren und zum Beispiel Formate und Algorithmen von dort übernehmen. Die App gibt also gerade - ticktack - den Takt vor, mit dem sich soziale Netzwerke entwickeln.

Wie kann man die App austricksen?

Ein Algorithmus bestimmt, welche Inhalte man auf Tiktok sieht. Er ist ziemlich simpel gestrickt: Wenn man sich Videos bis zum Ende anschaut, schlägt die App ähnliche Inhalte vor. Wer also viele Katzenvideos guckt, bekommt noch mehr Katzenvideos vorgeschlagen. Mit Krieg ist es leider genauso. Experten warnen deshalb vor dem "Kaninchenloch". So nennen sie es, wenn man nur noch mit bestimmten Informationen geflutet und blind für andere wird. Ein Nutzer hat mal als Experiment nur noch Inhalte angeschaut, die er doof, eklig oder langweilig fand. Am Ende war sein Feed voller Pickel ausdrückender Mediziner und Anleitungen zum Fensterabdichten.

Was hat das mit dem Krieg zu tun?

Nur um Musik und seichte Unterhaltung geht es auf Tiktok schon lange nicht mehr. Bereits vor Russlands Überfall auf die Ukraine haben politische Inhalte auf der Plattform zugenommen. Seit Kriegsbeginn aber wird Tiktok regelrecht mit Propaganda von beiden Seiten geflutet - denn in diesem Krieg wird nicht nur mit Waffen gekämpft, sondern auch mit Informationen und Fehlinformationen. Manche sprechen sogar schon vom ersten Tiktok-Krieg. Das Problem: Eingeordnet oder auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden all diese Inhalte nicht.

Warum finden viele Eltern Tiktok doof?

Sehr viele Tiktok-Nutzer sind zwischen zehn und 19 Jahre alt, dabei ist die App erst ab 13 erlaubt. Das wird aber nicht kontrolliert - und da beginnt der Ärger mit den Eltern auch schon: Viele kritisieren den nachlässigen Jugendschutz der App, die kaum vor Gewalt, Drogen, politischem Extremismus und gefährlichen Challenges schützt. Zudem ist völlig unklar, was mit den vielen Daten passiert, die TikTok sammelt. Und dann hat auch noch die chinesische Regierung ihre Finger im Spiel! All das macht die App tatsächlich zum Elternschreck.

Warum liebt die AfD Tiktok?

Keine Partei im Bundestag nutzt Tiktok intensiver als die AfD: Mehr als jeder dritte der 80 Bundestagsabgeordneten der Partei hat dort einen Account, bei der SPD ist es nur jeder zehnte. Allerdings singen und tanzen die AfD-Politiker nicht, sondern verbreiten rechtspopulistische Informationen - oft ohne klaren Hinweis auf ihre Partei. Ulrich Siegmund etwa ist mit knapp 23 000 Followern einer der erfolgreichsten Politiker auf der Plattform, doch weder sein Name noch seine Partei tauchen in seinem Account auf. So erreicht die Partei viele junge Menschen und hat weniger Konkurrenz als auf anderen Plattformen.

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